Achthundertsechsundzwanzig

Dann waren wir also bei dieser Veranstaltung der Universität.
Meine neuen Schuhe drückten etwas, aber vor allem war es sehr ungewohnt, etwas um den Hals herum zu tragen.

Eigentlich war es gar nicht so überraschend, trotzdem war ich erstaunt, als uns schon bald Benjamin über den Weg lief. Bei ihm war seine Frau Teresa, offensichtlich schwanger.
Als ich Carsten und Benjamin einander vorstellte, machte ich mich schon auf das schlimmste gefasst, aber offenbar fanden sie einen guten Draht zueinander, hatten gemeinsame Bekannte (außer mir) und unterhielten sich bald lebhaft.

So erschien es ganz in Ordnung, dass wir uns zum Essen an den gleichen Tisch setzten.
Im Laufe der Unterhaltung, erfuhren wir, dass Teresa als MTRA arbeitete.
„Viel kV macht grau“, meinte ich in Erinnerung an einen früheren Lover, der Röntgentechniker ausgebildet hatte.
Teresa lachte zustimmend, während die Männer etwas verständnislos schauten.
Also erklärte ich, dass harte Röntgenstrahlung fast ungehindert durch den Körper hindurch geht und deshalb nur ein kontrastarmes (also zu wenige Graustufen) Bild entsteht. (Ich hätte das auch komplizierter ausdrücken können, z.B. über Dispersion des Massenschwächungskoeffizienten, aber mein innerer Sheldon war ungewohnt friedlich.)

Teresa meinte, dass sie das weniger beträfe, weil sie nur mit Mammografie zu tun hätte.
Ja, da sind nur Beschleunigungsspannungen von 12 bis 15 Kilovolt üblich. Ich fragte sie, ob es keine Probleme bezüglich Strahlenschutz und ihrer Schwangerschaft gäbe. Sie muss jedoch nur ein spezielles Dosimeter tragen, und während der Aufnahmen ist sie eh im Nebenraum.
Also unterhielt ich mich noch ein bisschen mit ihr darüber. Trotz der sehr weichen Strahlung ist es nötig, die Brüste stark – bis über die Schmerzgrenze hinaus – zwischen zwei parallelen Platten zu komprimieren, um eine hinreichende radiooptische Dichte zu erreichen. Denn sonst ist der Kontrast zu gering. Außerdem sorgt die Kompression für eine gleichmäßigere Dosisverteilung [Gray] und geringere Streustrahlung. Da also die Schichtdicke fast konstant ist, wird die Bildqualität besser.
Dann fragte mich Teresa, ob ich bereits einmal durchleuchtet worden wäre. Aber ohne konkreten Grund lasse ich meine Brüste nicht bestrahlen! Also erklärte ich, dass ich keine Veranlassung sähe: In meiner ganzen weiblichen Verwandtschaft ist mir kein einziger Fall von Brustkrebs bekannt. Ich bin schlank und lebe einigermaßen gesund. Außerdem tastet mich Carsten ohnehin häufig und gründlich ab.
Ich war kurz davor, eine kleine Andeutung über Benjamin’s Eigenheiten zu machen, hielt mich aber gerade noch zurück.

Stattdessen fragte ich ihn nach dem Stand seiner Forschungen. Aber offenbar ist er da stehengeblieben, wo er schon vor über zwei Jahren war. Keine Fortschritte. Tja, die guten, alten Residuen! Die Singularitäten! Vielleicht sollte ich mich mal wieder drum kümmern. Aber ich habe eigentlich andere Projekte am Laufen.

Insgesamt war der Abend recht nett. Offenbar hatte Teresa auch so empfunden, denn beim Abschied schlug sie vor, doch einmal etwas zusammen zu unternehmen (ich vermute, dass sie nichts von meiner früheren Affäre mit Benjamin ahnte). Zu meiner Überraschung meinte Carsten, sie solle mich demnächst kontaktieren und einen Termin ausmachen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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13 Antworten zu Achthundertsechsundzwanzig

  1. aliasnimue schreibt:

    Das ist jetzt nicht Dein Ernst, dass Du so abgebrüht reagiert hast oder?
    Ich wäre auf der Stelle gestorben. JEDER in dem Raum hätte es mir an der Nasenspitze angesehen. 🙄

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  2. idgie13 schreibt:

    Schön, dass ihr so einen schönen Abend hattet 🙂

    Nur als Randbemerkung: schlank zu sein und eingermassen gesund zu leben, ist kein Garant dafür, keinen Brustkrebs zu bekommen ..

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  3. ednong schreibt:

    Ja,
    die verlorengegangene Mathematikerin … 😉
    Verloren für ihn?

    Das Captcha hat einen Schreibfehler: sax and violins

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  4. mannmitbruesten schreibt:

    „…die Brüste stark – bis über die Schmerzgrenze hinaus – zwischen zwei parallelen Platten zu komprimieren…“
    Da kann ich schon verstehen, dass du da nur hingehst, wenn es unbedingt erforderlich ist.

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  5. breakpoint schreibt:

    AchthunderteinundsechzigTeresa hatte sich tatsächlich wieder bei mir gemeldet, um ein abendliches Treffen auszumachen („solange ich noch abends weg kann“).
    Also trafen wir uns gestern abend (nach einem für mich dichtgedrängten Tag zwischen Kundenbesuch, Käferjagd und Mitarbe…

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