pi gleich pi //3041

Es ist schon ein paar Wochen her, als ich zufällig ein paar Passagen eines Interviews im Radio hörte. Es ging um eine Person, die einen neuen deutschen Rekord aufgestellt hatte im auswendigen Aufsagen der Nachkommastellen von pi. Wenn ich mich richtig entsinne, waren das über 18-Tausend Dezimalen (das Aufsagen muss mehrere Stunden gedauert haben).
Diese Leistung ist durchaus beeindruckend, so dass ich aufmerksamer zuhörte.

Sie beschrieb, dass die die Nachkommastellen in Zweiergruppen aufteilte, und jede dieser hundert Kombinationen mit einer bestimmten Person (persönliche Bekannte oder auch Prominente) assoziierte. Dann merkte sie sich wohl irgendwie die Reihenfolge der Personen und sagte so die ihnen entsprechenden Ziffern auf.
Es verwundert mich immer wieder, dass man sich auf diese Weise etwas merken kann. Ich würde eher den umgekehrten Weg gehen. So habe ich einige Datenbanken, z.B. für Kunden oder meine Verwandtschaft, in denen ich Personen ebenfalls einem Index zuordne. Diese Zahlen sind doch viel einfacher zu merken, als irgendwelche Leute, die ich persönlich gar nicht erkennen würde, zumal ich keine bildliche Vorstellungskraft habe.
Überhaupt empfinde ich ihre Vorgehensweise als respektlos gegenüber pi (also pietätlos), und schon fast als Zahlenschändung. Das hat überhaupt nichts mehr mit Mathematik zu tun, das ist etwa „mit Menschen“. Dem interparietalen Sulcus bleibt nichts zu tun.
Das ist stupides Auswendiglernen. Es braucht keinerlei Verständnis dafür. Mit jeder anderen beliebigen Ziffernfolge hätte es ganz genauso funktioniert.

Auch wenn ihre Gedächtnisleistung bemerkenswert ist, so frage ich mich doch, welchen Nutzen das überhaupt haben soll.
Ich selbst weiß gerade mal die ersten sechs Dezimalstellen (3.14159) auswendig, und selbst das ist für die meisten Use Cases unnötig viel.
In der Mathematik braucht man überhaupt keinen Zahlenwert. pi ist pi.
Um etwas zu überschlagen oder grob abschätzen zu können, reicht schon die 3. Für die meisten Berechnungen in Physik und Ingenieurwesen ist 3.14 ausreichend. Taschenrechnergenauigkeit (also 8 bis 12 Stellen) ist für alle mir bekannten Fälle reichlich. Meist sind ja irgendwelche Messgrößen nur auf deutlich weniger signifikante Stellen bekannt.
Wenn ich im Kopf rechne, nutze ich für pi je nach konkreter Aufgabe 22/7 oder sqrt(10), bzw. im Logarithmenmode 1/2.
Damit kommt man schon sehr nahe an das korrekte Ergebnis heran. Meistens reicht das.
In der Physik braucht man ab und zu ein paar Konstanten wie beispielsweise die Lichtgeschwindigkeit (c = 1 in natürlichen Einheiten, bzw. 3E8 m/s in SI-Einheiten), die elektrische Elementarladung (e = 1.6E-19 C), die Fallbeschleunigung auf der Erdoberfläche (g = 9.81 m/s^2) oder die Elektronenmasse (m_e = 511 keV). Normalerweise reicht es, wenn man die ersten zwei oder drei geltenden Ziffern in den Taschenrechner eintippt, um ein brauchbares Resultat zu erhalten.

Es mag ja Anwendungsfälle (etwa in der Kryptographie) geben, in denen man viele Nachkommastellen von pi braucht (dann aber gleich um einige Größenordnungen mehr, als hier verfügbar). Die Rekordhalterin scheint aber die einzelnen Stellen nur sequentiell abrufen zu können. Ein indexbasierter, beliebiger Zugriff (also etwa die 4567 Stelle) ist nicht möglich.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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5 Antworten zu pi gleich pi //3041

  1. pirx1 schreibt:

    Erinnert ein wenig an eine Glosse von Ephraim Kishon, in der sich jemand damit rühmt, dass er das Telefonbuch von Tel Aviv auswendig kenne. Der Plebs zeigt sich begeistert von so viel (vermeintlicher) Intelligenz. Die wahre – und nicht besonders aufregende – Hirnleistung zeigt hingegen der Autor selbst, wenn er darauf verweist, dass er bei Fragen nach einer Telefonnummer in Tel Aviv einfach die Auskunft anrufe (übrigens wird die Deutsche Telekom im Dezember 2024 die Auskunft über 11833 einstellen, es „amortisiere sich nicht mehr“. Da fragt man sich: Was hat sich denn da früher – und vor allem wie – amortisiert?). Natürlich wird Kishon für so viel schlichten Pragmatismus gehasst.

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    • Je nach Fall und Situation ist es schon zweckmäig, etwas auswendig zu wissen (z.B. Kleines Einmaleins, Quadratzahlen bis 20, einige Kubikzahlen, Zehnerpotenzen).
      Aber wenn sich etwas leicht nachschlagen oder schnell selbst herleiten lässt, ist es Verschwendung, alles davon auswendig zu lernen.

      In der Programmierung tritt immer wieder das Dilemma auf, ob man auf Performance (hoher Speicherverbrauch, da häufig genutzte Werte in Look-Up-Tables ablegt werden) oder geringen Speicherverbrauch (schlechtere Performance, weil jeder Wert erst dynamisch berechnet werden muss) optimiert.

      Unabhängig davon, halte ich es durchaus für sinnvoll, in den ersten Schuljahren Gedichte o.ä. auswendig zu lernen, weil es das Gehirn trainiert. Auch Vokabeln einer Fremdsprache muss man letztendlich auswendig lernen. Da ist es hilfreich, wenn man schon ähnliche Sprachen kennt.

      Die Telefonauskunft ist ja kostenpflichtig. Ich nehme an, dass die Gebühren dafür schon so konzipiert waren, dass der Service mindestens kostendeckend ist. Inzwischen halt nicht mehr.

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Ich habe in meinem Leben schon so oft Pi in meinen Taschenrechner getippt, dass ich spielend auf 10 Nachkommastellen komme.
    Heute reicht für’s Grobe der Überschlag im Kopf. Die meisten jungen Menschen können noch nicht mal das, geschweige denn mit einfachen 10er Potenzen umgehen. Solange Mathematik in der Schule so weltfremd unterrichtet wird, wird sich daran auch kaum etwas ändern.

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