Elfhundertsiebenundsiebzig

Am Samstag Spätvormittag (entgegen der ursprünglichen Planung) kam Fiona gemeinsam mit ihrer Begleitung an.
„Das ist Corinna“, stellte sie strahlend eine stämmig gebaute Endzwanzigerin im Freizeithosenanzug (oder wie man diese Kombination sonst nennt) vor, „Corinna ist Juristin, aber leider momentan ohne Anstellung. Kannst du in der Kanzlei nicht fragen, ob die da ‚was frei haben?“
„Eins nach dem anderen“, erwiderte Carsten, offensichtlich verärgert über diese dreiste Überrumpelungstaktik, „ich habe keinerlei Einfluss darauf, wen meine Anwälte in ihrer Kanzlei beschäftigen.“

Wir hatten die Absicht, abends gemeinsam essen zu gehen, und nahmen deshalb mittags nur einen kleinen Imbiss ein.
Fiona und Corinna erzählten abwechselnd, dass Corinna angefangen hatte BWL und Jura zu studieren, dann BWL abgebrochen, aber Jura durchgezogen hatte. Sie hatte zwar auch irgendeinen Abschluss, fand aber keine Anstellung in einer Anwaltskanzlei, und hielt sich über Wasser, indem sie gelegentlich Mandanten beriet (darauf lief es zumindest hinaus, auch wenn die beiden das eufeministischer formulierten). Und zwar hatte sie sich auf spezielle Aspekte des Arbeitsrechts spezialisiert.
Oh – o! Ich beschloss, mich möglichst aus der Konversation herauszuhalten. Erstens hatte ich keine Lust, mich herumzustreiten. Zweitens wollte ich mich nicht outen, dass ich bei dieser Thematik nicht ganz unwissend bin. Und drittens war mir Corinna eh nicht sonderlich sympathisch.
Ich schnappte mir also mein Strickzeug, setzte mich ruhig in die Ecke, und hörte nur zu.

Der Großteil der Unterhaltung war eh uninteressant und belangloses Zeug, und ich vergaß es gleich wieder.
Als sich das Thema änderte, war ich dann wieder aufmerksamer.
„Welche Frauenquote haben Sie denn in Ihrem Unternehmen?“
„Keine. Das betrifft uns nicht.“
„Aber Sie beschäftigen doch sicherlich auch weibliche Führungskräfte.“
„Derzeit nicht.“ Carsten antwortete auffallend knapp. Weshalb hätte er ihr auch auf die Nase binden sollen, dass die Marketingtusse sich wegen ihrer Unfähigkeit selbst ins Aus geschossen hatte, und die Personalchefin auf unbestimmte Zeit krank, im Mutterschutz, Elternzeit, oder was-auch-immer war.
Verständnislos blickte sie ihn an. Fiona versuchte das Thema zu wechseln, aber erfolglos.
Corinna ließ nicht locker. Als sie über den Tisch zum Brotkorb griff, fiel mir auf, wie kurz ihr Zeigefinger war.
„Welche Pläne haben Sie dann für zukünftige Frauenförderung?“, setzte sie das Thema fort, „ich habe auf Ihrer Website überhaupt nichts zu diesem wichtigen Punkt gefunden.“
„Gar keine. Dazu sehe ich keine Veranlassung.“
Diesmal gelang es Fiona, vom Thema abzulenken.

Als Carsten und ich später alleine waren, seufzte er: „Nach Sven und Vincent dachte ich, es könne nicht mehr weiter bergab gehen. Offenbar aber doch.“
„Raphael erschien mir ganz in Ordnung“, meinte ich. Was sonst hätte ich auch dazu sagen können.
„Das hilft mir jetzt auch nicht weiter.“
Ich zuckte die Schultern. Eine Lösung hatte ich nicht.

Das Abendessen in einem nicht allzu weit entfernten Restaurant verlief dann ohne bemerkenswerte Einzelheiten.

Die Haushälterin hatte extra noch ein Gästezimmer verbereitet. Aber als es ans Schlafengehen ging, meinten Fiona und Corinna übereinstimmend, das sei nicht nötig.
Wenn ich mich daran erinnere, was Sven damals für einen Aufstand gemacht hat, als er mit Fiona das Zimmer teilen sollte!

So. Ich mache hier einen Cut. Das reicht für heute. Fortsetzung voraussichtlich morgen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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25 Antworten zu Elfhundertsiebenundsiebzig

  1. aliasnimue schreibt:

    Du meinst, die beiden sind ein Paar?

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  2. Leser schreibt:

    Haha, die wird wohl ganz sicher nicht über Carsten’s Connections einen Job bekommen! Wusste ich in dem Alter zwar auch noch nicht (ich hab aber auch kein Jura studiert), doch als Anwalt darf man zwar eine eigene Meinung haben, aber zugleich muss die einem so unwichtig sein, dass man auch die genau gegenteilige Meinung genau so vertreten können muss, als wäre es die eigene: Etwas, wofür man Anwälten sowohl hohen Respekt zollen, als auch sie zutiefst verachten kann (zumindest geht es mir so). Und die Dame klingt wirklich nicht nach jemandem mit dieser Fähigkeit (was jetzt weder positiv noch negativ gemeint sein soll).

    Nur den Hinweis mit dem kurzen Zeigefinger, den hab ich irgendwie nicht verstanden?

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  3. ednong schreibt:

    LOL – das wird spannend.

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  4. Irenicus schreibt:

    „Aber Sie beschäftigen doch sicherlich auch weibliche Führungskräfte.”
    “Derzeit nicht.” Carsten antwortete auffallend knapp.“

    Bist du nicht selbst eine weibliche Führungskraftin Carstens unternehmen?

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  5. Plietsche Jung schreibt:

    Fiona hat ein tolles Händchen.
    Wunderbar.

    Und jetzt auch noch ne Zicke…

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  6. Irenicus schreibt:

    Nicht Zicke! Feministin. Also quasi eine Zicke aus Überzeugung 😀

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