Mit Philipp hatte ich mich einige Male getroffen, um unser gemeinsames Paper vorzubereiten. Das hatte sich etwas länger hingezogen, als ursprünglich gedacht, aber inzwischen ist es draußen.
Es gab noch ein paar offene Fragen, die wir in einem weiteren Gespräch klären wollten – wie üblich bei mir im Büro.
Wir waren gerade inmitten eines bestimmten Themas, als Philipp mich plötzlich unvermittelt fragte: „Anne, stimmen die Gerüchte?“
Ich konnte mir schon denken, welche Gerüchte er meinte, fragte aber lieber erst mal nach: „Welche Gerüchte denn?“
„Dass du mit dem Prof schläfst.“
„So ein Unsinn!“, rief ich erleichtert, „du weißt doch, dass ich mit Carsten verheiratet bin und nur mit ihm exklusiv das Bett teile.“
„Dass du mit ihm geschlafen hast?“, fragte er noch einmal.
„Natürlich schlafe ich mit Carsten“, erklärte ich, „es sei denn, einer von uns ist alleine verreist. Getrennte Betten finde ich ja total blöd ..“
Er unterbrach mich: „Ich meine, ob du mit Professor Rechmann geschlafen hast?“
Gerne hätte ich das abgestritten, aber Benjamin gehört zu den wenigen Männern, bei denen ich hin und wieder auch mal übernachtet habe, oder sie bei mir.
„Das ist mindestens zehn oder zwölf Jahre her“, erklärte ich wahrheitsgemäß (soweit ich mich erinnere), und fügte dann strenger hinzu: „Du solltest wirklich nichts auf solche Gerüchte geben, Philipp. Die Leute erzählen irgendetwas, und deuten da noch etwas hinein, was überhaupt nicht zutrifft.“
„Warum hat die Frau vom Prof sich dann von ihm getrennt?“, wollte er wissen.
„Da musst du schon sie selbst fragen,“ antwortete ich knapp. Ich war das Thema leid, und werde mich sicherlich nicht an Klatsch beteiligen, selbst wenn ich einiges aus erster Hand erfahren habe. Und rechtfertigen muss ich mich ihm gegenüber erst recht nicht.
Während er noch nachdachte, forderte ich ihn auf: „Können wir jetzt bitte wieder mit unserem Projekt weitermachen?“
Er schaute mich schweigend an, dann brach es aus ihm heraus: „Wenn du mit dem Prof geschlafen hast, warum dann nicht mit mir?“
Normalerweise mag ich Philipp ja wirklich gern, aber allmählich wird es kompliziert und anstrengend mit ihm. Ich glaube, ich werde den Kontakt mit ihm einschlafen lassen. Dann gibt es halt kein weiteres Paper mit ihm. Allerdings habe ich ihm versprochen, seine Dissertation korrekturzulesen, wenn er nächstes Jahr so weit ist. Dieses Versprechen muss ich noch halten. So schade, dass mein kürzlicher Verkupplungsversuch gescheitert ist.
Es ist ja nicht so, dass ich kein Verständnis für ihn hätte. Dafür war ich selbst zu lange Incel. Aber er hat sich selbst in meine Friendzone manövriert, wohlwissend dass ich in ausgesprochen festen Händen bin. Meine Zeiten, in denen ich Freundschaften mit dem Plus geführt habe, sind passé. Ich habe meine Hörner längst abgestoßen, und werde Carsten auch keine aufsetzen.
Ich aktivierte meine innere Decima, blickte ihn kalt und streng an, und sagte: „Philipp, das verbitte ich mir! Du hast keinerlei Anspruch auf mich. Du weißt, dass ich glücklich verheiratet bin. Deal with it. Ich will nie wieder irgendsoetwas von dir hören. Sonst ist das das letzte Mal, das du mit mir gesprochen hast.“
Philipp schien mit sich zu kämpfen. Er atmete tief durch, stand schließlich auf, und sagte ruhig: „Dann hat das wohl keinen Sinn so.“
Er packte seine Sachen wortlos zusammen, und verließ das Büro mit einem letzten „Leb wohl“.
Halte Dich von dem Mann fern. Ich hab da ein sehr ungutes Gefühl.
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Jupp. Ich hätte ihn sofort rausgeschmissen nach dieser Frage. Und das er dann selber geht, zeigt klar warum er sich mit dir trifft. Ich würde ihn ab jetzt nicht mehr kontaktieren und mich nicht mehr alleine mit ihm treffen. Auch nicht im Büro. Arbeiten kann man auch mit e-mails.
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Ja, seinen Dissertationsentwurf kann er mir per Mail schicken, wenn er so weit ist.
Falls er mich allerdings fragt, ob ich mit ihm für die mündliche Prüfung lerne, kann ich schlecht ablehnen, denn da stehe ich noch in seiner Schuld.
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Doch du kannst. Nach dieser Frage kannst du einfach ablehnen. Es war ja auch nicht das erste mal, dass er deine Beziehung nicht akzeptiert. Wenn ich mich da richtig an die Sache bei ihm zu Hause erinnere.
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Bis dahin dauert es noch mindestens ein halbes Jahr. Darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken, denn bis dahin kann sich noch vieles ändern.
Falls das Problem tatsächlich akut wird, gehe ich es an, sobald es sich stellt.
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Vorläufig besteht kein Anlass, überhaupt mit ihm zu kommunizieren. Persönlich zu treffen brauche ich ihn erst recht nicht.
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Ich hoffe für Dich, dass er durch die Abweisung nicht auf Rachegedanken kommt.
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Dafür ist er, denke ich, nicht der Typ.
Als er wegging, war er ganz ruhig.
Fast traurig.
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Ziemlich eindeutig war seine Motivation, Kontakt mit Dir zu haben, nur die, dass er mit Dir ins Bett wollte. Alles andere war nur Beiwerk bzw. Vorwand. Eine Freundschaft wird er auch nicht mit Dir haben können, wenn er womöglich nicht nur spitz sondern sogar auch noch unglücklich verliebt ist.
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Du kennst ihn nicht. In erster Linie ist er passionierter Mathematiker. Wir schwammen da auf gleicher Wellenlänge. Das war ungewohnt und schön für ihn (für mich auch). Dass er darüber hinaus noch Gefühle entwickelt hat, ist ein äußerst unangenehmer Nebeneffekt.
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Er ist ein incel Mann, da wirken überall dieselben Mechanismen, beaupte ich jetzt einfach mal.
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Was unterstellst du ihm da?
Nur weil es bei Incels – wie bei jeder größeren Gruppe – auch ein paar Idioten gibt (nennen wir sie Incioten), lässt sich das nicht verallgemeinern.
Philipp ist trotz allem ein anständiger Kerl.
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Naja, die Tatsache dass er von selbst gegangen ist, als er endlich eingesehen hat, dass da definitiv ganz sicher niemals mehr irgendwas Sexuelles laufen wird zwischen Euch, hat mir ziemlich eindeutig gezeigt, dass das die eigentliche Hauptmotivation für ihn war, weshalb er mit Dir Kontakt haben wollte. Die Aussage „Dann hat das wohl keinen Sinn so“ ist dafür sozusagen noch die Bestätigung. In dem Moment, wo er die Hoffnung auf Sex aufgibt, wird er höchstwahrscheinlich nicht weiter mit Dir Kontakt haben wollen, weil das halt zu schmerzhaft ist, wie der Esel, dem die Karotte an der Angel vor der Nase herumbaumelt, die er aber nie erreichen kann, weil sie jemand auf des Esels Rücken hält, und sie sich immer mitbewegt.
Ich kenne das von mir, dass man im incel-Zustand Dinge tut und mit Frauen unter den beliebigsten „sinnhaften“ Vorwänden Kontakt hat, obwohl man eigentlich nur mit ihr ins Bett will… Ich vermute, ich bin nicht der einzige incel-Mann, dem es da so geht!
Als Incioten würde ich mich (und auch Philipp) dennoch nicht bezeichnen, denn das sind ja doch eher diejenigen, denen ihr Zustand so sehr zugesetzt hat, dass sie die Hoffnung überhaupt und komplett aufgegeben haben und somit dann zum Frauenhass übergegangen sind. Das meinte ich jedoch nicht mit meiner Analyse seines Verhaltens, ist ja auch offensichtlich unzutreffend.
Diese – durchaus unbeholfene und dementsprechend wenig erfolgreiche – Vorgehensweise bei incel-Männern (gerade solchen, die gerne alles durchdenken und dann im Kopf Karussell fahren) scheint Dir nicht geläufig zu sein. Das sind meist die besonders anständigen Kerle, die sich nicht trauen, unangemessen zu agieren.
So geht es Männern, die unsicher sind, wie sie sich Frauen gegenüber verhalten sollen, wenn sie ein über „belanglose“ Themen hinausgehendes Interesse an ihnen haben. Man fixiert sich auf die jeweiligen belanglosen Themen (z.B. eben Arbeit, gemeinsame Interessen usw – halt alles, was irgendwie als Gemeinsamkeit herhalten kann), und hofft, dass das weibliche Gegenüber irgendwie merkt, was man eigentlich über sie denkt bzw. für sie empfindet, traut sich aber nicht, das anzusprechen, weil man entweder Angst vor Zurückweisung hat, oder es einem peinlich ist oder man denkt, man würde sich damit lächerlich machen… Dann landet man in der Friend Zone und ist damit so richtig gef****…
Hier passt dieses Lied wieder sehr schön, vor allem der Text:
Ich habe sogar in meinem Kopf auch schon solche Situationen durchgespielt, in denen ich eine ähnliche Frage gestellt hätte, wie sie Philipp Dir gestellt hat, aber dann natürlich – zum Glück, bevor es tatsächlich zu der Situation kam – auch gemerkt, wie idiotisch so eine Frage eigentlich in Wirklichkeit ist. Das hat er nicht, weil die Frage bei ihm im Affekt kam, bevor er darüber hätte nachdenken können, und er sie einfach ausgesprochen hat.
Nur, dass es dann auch nicht weiter hilft, sie nicht zu stellen, denn letzten Endes befindet man sich in Bezug auf das jeweilige Gegenüber in einer absoluten Sackgasse, wenn man geneigt ist, so eine Frage zu stellen. Da führt dann kein Weg mehr hinaus, außer eben den Kontakt abzubrechen, weil man eingesehen hat, dass man sein Ziel nie erreichen wird.
Kontakt zu Dir wird ihm erst dann wieder möglich sein, wenn sein incel-Status beendet ist, und er sein Bedürfnis (bzw. die Hoffnung auf dessen Befriedigung) nicht mehr auf Dich projizieren muss.
Glaub mir, ich verstehe den Mann besser, als Du Dir vorstellen kannst, bzw. mir unterstellst. Und Deine Antwort fand ich übrigens auch ziemlich unangemessen und verletzend, weshalb ich hier mal eben ’nen halben Seelenstriptease hingelegt habe, um klarzumachen, wie gut ich mich in ihn hineinversetzen kann, und dass wir Männer, die aus Unfähigkeit/Hilflosigkeit derartig handeln, deshalb doch längst keine Idioten sind!
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Da gab es anscheinend ein Missverständnis.
Wir hatten doch erst kürzlich über Incels diskutiert.
Du warst es, der anführte, dass einige davon ein völlig verqueres Weltbild entwickeln und unangemessene Forderungen und Ansprüche stellen.
Nur diese einzelnen meinte ich – in Abgrenzung zu den normalen Incels (die sich durch unfreiwillige Sexlosigkeit definieren) – mit Incioten.
Ich hoffe, dies damit klargestellt zu haben.
Wenn es bei Philipp nur um sexuelle Wünsche ginge, wäre es noch relativ einfach. Aber ich fürchte, ihm liegt in erster Linie an einer romantischen Beziehung. Ihm ist, glaube ich, erst jetzt bewusst geworden, dass es daraus nichts wird.
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Ob Du es glaubst oder nicht, es gibt Männer, die das nicht trennen können. Beim Sex ist ja auch Zärtlichkeit involviert, die eigentlich nicht zum Sexakt als solches gehört – Zärtlichkeit setzt aber auch gewisse romantische Gefühle voraus. Den rein mechanischen Sexakt kann man hingegen auch mit einem Fleshlight simulieren, dazu braucht es keine „ganze“ Frau, nur genügt das manchen eben nicht…
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Ansonsten hatte ich wohl vergessen zu erwähnen, dass ich sehr schnell Deine Definition von incel = nicht automatisch Idiot übernommen habe, wodurch es zum Missverständnis kam.
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Also noch mal ganz prägnant und eindeutig:
Incioten sind die Schnittmenge von Incels und Idioten.
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Ja, aber trotzdem wirken bei incel Männern – denen, die nicht Idioten sind – grundlegend dieselben Mechanismen. Das heißt, das wichtigste für ihn am Kontakt mit Dir war die Hoffnung, irgendwann mal mit Dir ins Bett zu gehen, und der Rest war Vorwand, um diese Hoffnung zu füttern. Darum ging es oben, und dass Du dies als haltlose Unterstellung meinerseits bezeichnet hast. Dem ist nicht so, und um so zu handeln muss man nicht „inciot“ sein, da reicht incel vollkommen aus.
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Da war die Erwartung wohl groß und die Enttäuschung noch größer.
Bin gespannt, ob er sich nun wirklich aus deinem Leben hält oder dir irgendwie noch einen beipuhlt.
Ein gutes Gefühl hab ich grad nicht.
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Dieses Jahr ist eh gelaufen, und über nächstes mache ich mir erst mal noch keine Gedanken.
„beipuhlen“ ❓ Häh?
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„beipuhlen“ ist ein norddeutscher Begriff, der in dieser Situation beschreibt, dass er dir ohne dein Wissen im Bekannten-/Freundeskreis oder sogar geschäftlich einen Schaden beibringt oder dich in Verruf bringt.
Ich könnte mir vorstellen, dass er die Prof Geschichte dazu benutzen / abwandeln wird.
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Das glaube ich nicht. Ich traue ihm keine Bösartigkeit oder Racheaktion zu.
Offenbar sind diese Gerüchte schon bis zur Uni vorgedrungen. Da ich aber inzwischen nichts mehr mit der Uni zu tun habe, werden die auch schon bald wieder in Vergessenheit geraten.
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immerhin gab es jetzt klare und klarstellende worte……und aktionen.
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Die klarstellenden Worte hatte es eigentlich schon bei seiner Geburtstagsfeier gegeben. Jetzt bleibt mir nur noch, persönliche Begegnungen völlig einzustellen.
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Denk ich auch.
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Hm. Er scheint einer der Vertreter der Maxime „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ zu sein? Oder … Verletzte Eitelkeit.
Ich gestehe: Ich als Mann erfreu(t)e mich immer an Freundschaft Plus, doch dräng(t)e ich nie auf „mehr“. Ein gegebenes Geschenk allerdings (das meist auf Gegenseitigkeit beruhte, bis auf eine sehr wunderbare und besondere Ausnahme) pfleg(t)e ich sehr sorgsam.
Dennoch (oder deshalb?) ist mein Freundeskreis rein weiblich. Und ich habe viel Übung darin, meine weitergehenden Gelüste zu beherrschen.
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Freundschaften+ habe ich früher sehr geschätzt.
Es ist doch toll wenn man ein freundschaftlich-kumpelhaftes Verhältnis hat, und das durch Sex noch weiter aufwertet.
Leider gab es auch einige Männer, die damit nicht klar kamen, Gefühle entwickelten oder Alleinansprüche stellten.
Naja, inzwischen bin ich exklusiv gebunden, so dass das Plus keine Option mehr für mich ist.
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Seine Agenda war also keine Wissenschaftliche. Schade um die Paper die nie erscheinen, aber besser für dich.
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Für zukünftige Papers gab es noch keine konkreten Pläne.
Vielleicht hätten wir noch ein oder zwei zusammen geschrieben, vielleicht aber auch nicht.
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Deiner Beschreibung nach von ihm würde ich sagen, er ist unglücklich verliebt. Das wird mit seinem Abgang nicht zu ende sein.
Vermutlich wird einige Zeit drüber nachdenken und abwägen. Und vermutlich wieder Kontakt mit dir aufnehmen und dann das Ganze auf anderer Ebene händeln. Ist halt nur eine Frage der Zeit.
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W8 & C
Ich selbst werde keinen Kontakt mehr initiieren. Wenn er das macht, kommt es auf Form und Unstände an, ob ich noch mal darauf eingehe.
Und falls er sich gar nicht mehr meldet, so ist mir das nur recht.
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