Letztes Jahr war Frau Altsang bei unseren Kaufleuten befristet eingestellt gewesen. Inzwischen ist sie in der Firma ihres Vaters eingestiegen, die sie irgendwann übernehmen soll.
Ihren Vater hatte ich ja bei den gelegentlichen Geschäftsführertreffen kennengelernt. Diese Treffen gibt es immer noch, wenn sie tendenziell auch anders ablaufen. Früher war es meistens so, dass nach einem gemeinsamen Essen sich Herren und Begleiterinnen in zwei getrennte Gruppen aufteilten. Nachdem dies nicht mehr praktikabel war, gibt es inzwischen keine Geschlechtertrennung mehr, sondern jeder geht zu einer Gruppe seiner Wahl. Die Tendenz geht jedoch von Treffen mit Begleitung immer mehr weg, so dass sich nur noch die Geschäftsführer alleine treffen.
Dabei habe ich Frau Altsang ein- oder zweimal wiedergetroffen, sonst aber zusammen mit ihrem Vater.
Zuletzt jedoch war sie alleine dort. Blöderweise war ich diesmal ohne Carsten, der einen wichtigeren Termin hatte, da.
Bei Frau Altsang war mir gleich am Anfang eine große Verunsicherung aufgefallen, insbesondere wenn sie mit Männern zusammen war. In ihrer Zeit bei uns hat sich das deutlich gebessert, aber nicht völlig gegeben.
Nun ja, es ist nicht so, dass mir Frau Altsang unsympatisch wäre, aber es nervte mich, wie sie bei diesem Treffen praktisch an mir klebte. Wenn ich mich woanders hinsetzte, war sie zwei Minuten später wieder neben mir. Egal mit wem ich mich unterhalten wollte, sie war dabei. Auf diese Weise verhinderte sie, dass ich mit einem sehr prominenten und einflussreichen Ehrengast ein paar Worte wechseln konnte.
Solche Treffen besuche ich ja nur, um netzzuwerken, nicht weil es mir ein Bedürfnis wäre, mich mit anderen Leuten zu unterhalten. Aber in meiner aktuellen Stellung ist es mir quasi eine Verpflichtung, hin und wieder daran teilzunehmen.
Jedesmal gibt es auch ein gemeinsames Essen, das meistens recht gut ist. Früher kam es manchmal vor, dass es in den privaten Räumlichkeiten eines der teilnehmenden Geschäftsführers abgehalten wurde, aber mittlerweile finden fast alle Treffen in einem Hotel, Restaurant, oder anderen geeigneten Lokalitäten statt (was mir ganz recht ist).
Als ich eingetroffen war, wollte ich eigentlich meine Jacke an der Garderobe abgeben. Aber da dies kostenpflichtig war, ließ ich es. Das war gut so, denn zumindest am Anfang war es in dem kleinen Saal unangenehm kalt. Frau Altsang bestätigte, dass sie ebenfalls fror. Ich war froh, meine Jacke wieder anziehen zu können. Dabei trug ich ein hochgeschlossenes, langärmeliges, Knie bedeckendes, eng anliegendes Kleid aus relativ warmem Stoff. Aber im Vergleich zu den Jacketts der Männer wärmte das dann halt doch nur unzureichend.
Eigentlich esse ich am liebsten alleine. Essen mit Carsten oder einigen anderen mir nahestehenden Personen sind Ausnahmen. Aber schon bei meinen Verwandten empfinde ich einen Zwiespalt, denn die Tischgespräche mit ihnen sind manchmal nur schwer erträglich. Ein gemeinsames Essen mit mehreren Leuten, die ich nicht (näher) kenne, ist sicherlich nicht das, was ich gerne mache. Aber ab und zu muss es halt sein.
Einige der Geschäftsführer kenne ich inzwischen wenigstens so weit, dass diese Essen für mich keine Qual mehr sind. Und wie gesagt – das Essen selbst ist meistens schmackhaft.
Diesmal konnte ich jedoch nicht verhindern, dass Frau Altsang sich neben mich setzte. Mir war längst nicht mehr nach Konversation mit ihr. Wenn überhaupt, hätte ich lieber ein paar Worte mit meinem anderen Sitznachbarn gewechselt.
Irgendwann war es nötig, die Toilette aufzusuchen. Ich stand also auf, entschuldigte mich kurz, und wollte dorthin gehen. Frau Altsang sprang ebenfalls auf: „Warten Sie, ich komme mit!“
Wenn ich etwas ganz bestimmt nicht leiden kann, dann auf der Toilette nicht ungestört zu sein. Wie kommt man nur auf die Idee, jemanden dorthin zu begleiten? Ich möchte da Ruhe haben, keine Ablenkung, und niemanden, der mir zuhört – sprich einfach alleine sein.
Da es mir nicht gelang, sie dauerhaft abzuhängen, verließ ich das Geschäftstreffen schon unmittelbar nach dem Essen. Das war früher, als ich ursprünglich vorgehabt hatte, aber außerdem war ich auch müde, und wäre ohnehin eher eine gähnende denn geistreiche Gesprächspartnerin gewesen.
Ich kenne es aus den USA und Großbritannien, dass Frauen gemeinsam die Toilette aufsuchen, allerdings nicht bei geschäftlichen Anlässen, sondern meist um sich ungestört über dies und das unterhalten zu können.
Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen ich ähnlich wie Frau A., eine Tendenz zur Klette hatte, Letztendlich aber wirklich schädlich für beide Seiten, weil der eine sich selbst blockiert und der andere blockiert wird.
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Meines Wissens sind in den USA die Toiletten auch anders aufgebaut als hierzulande. Da ist ein größerer, meist sogar gemütlich wirkender Vorraum, um sich ggf. umzuziehen oder zu schminken. Das lädt eher zu Gesprächen ein, als die üblicherweise doch recht spartanischen Toiletten hier, die man wirklich nur zur Erleichterung aufsucht.
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Dann musst du für Frau Altsang aberwitzigerweise wohl doch etwas an dir haben, was sie veranlasst, dir zu vertrauen oder zumindest an dir zu kleben.
Apropos gemeinsamer Toilettengang bei Frauen: Frauen gehen nicht gemeinsam auf Toilette, um sich beim Pinkeln zuzuhören, sondern um ungestört beim Frischmachen vor dem Spiegel zu schnattern. 😀
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Uh. So Anhängsel mag ich auch nicht.
Wie man sich da wohl diplomatisch geschickt raus windet?
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Als einfachste Möglichkeit erschien es mir, früher zu gehen.
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Schon klar. Nur bist Du so nicht zu Deiner gewünschten Unterhaltung gekommen und wird es beim nächsten Mal nicht einfacher, sie abzuschütteln.
Ist sie dann eigentlich auch gegangen?
Aufs Klo geh ich auch gern allein – ausser man ist wirklich gut befreundet und vor der Tür ist eine lange Schlange. Wobei .. ich geh dann ja eher aufs Männerklo als mich ewig anzustellen… 😉
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Du gehst dann auf die Herrentoilette? An den Pissoirs vorbei, vor denen die Herren aufgereiht stehen und sich erleichtern? Ernsthaft?
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Weshalb so schockiert? Unisex-Toiletten sind auf dem Vormarsch.
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Wie kommst du auf Unisex-Toiletten? Sie schrieb „… ich geh dann ja eher aufs Männerklo …“.
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Unisex-Toiletten werden auch von Männern benutzt.
Sorry, wenn der Gedankengang zu kompliziert war.
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Ist schon recht.
Trotzdem kein Grund, überheblich zu tun.
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Jo.
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Beim nächsten Zusammentreffen ist dann vielleicht wieder Carsten oder ihr Vater dabei. Das geht dann schon.
Ich habe ja gar nichts dagegen, mich (kurz) mit ihr zu unterhalten. Bloß als Klette ist sie äußerst lästig.
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Das hat du beim Toilettengang eher männliches denken wir sowas ablaufen soll 😁
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Kann schon sein.
Soweit ich mich an die alte Heimat, wo ich aufgewachsen bin, erinnere, war es da aber auch nicht üblich, gemeinsam auf die Toilette zu gehen.
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Wie alt ist das Mädel?
Du meine Güte, gib ihr eine Chance.
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(Nicht ganz) Mitte Zwanzig.
Ich habe sie bereits viel unterstützt, u.a. indem ich ihre Anstellung bei uns veranlasst hatte.
Aber ich will auch nicht die einzige Person sein, mit der sie sich bei diesen Treffen unterhält. Ich habe selbst genug Schwierigkeiten, Anschluss zu finden und zu halten. Mit solch einem Klotz am Bein, wird das noch sehr viel schwerer.
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Nicht mein Kommentar.
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Was? Wie? Wo?
Welcher Kommentar?
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Fad wäre mir ja auf dem Senkel gegangen…
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So früh am Morgen versteh‘ ich das noch nicht.
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Das – habe ich wohl nicht eindeutig genug auf der Tastatur gewischt…
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