Frauen und Technik //2216

Es ergab sich, dass ich eine längere Unterhaltung mit Leonie führte, die zur Zeit bei uns als Werkstudentin arbeitet.

Leonie meinte, dass es ihr bei unserer Geräte-Vorführung letzte Woche sehr viel Freude gemacht hätte, beim Zusammenstecken und Löten zu helfen. Sie überlegt, ob sie nicht doch lieber Elektrotechnik studieren soll, obwohl sie bereits für Produktdesign immatrikuliert ist. Ein Wechsel wäre jetzt wohl noch am unkompliziertesten, solange sie noch gar nicht tatsächlich mit dem Studium begonnen hat. Dann könnte sie auch daheim bleiben, und müsste nicht in eine fremde Stadt ziehen (ich glaube, das ist auch der eigentliche Knackpunkt: kurz vor Semesterbeginn bekommt sie Bammel davor, in einer unbekannten Umgebung allein ganz auf sich selbst gestellt zu sein).
Elektrotechnik gilt als eines der schwersten Studienfächer, aber sie muss selbst wissen, ob sie sich das zutraut. Außerdem schreiben die E-Techies j statt i für sqrt(-1). Solche kulturellen Unterschiede muss man tolerieren können.
Es geht dabei ja nicht nur darum, ein paar elektrische Schaltungen aufzubauen, sondern man braucht auch relativ viel Mathematik – Laplacetransformationen und dergleichen. Ihre Abinoten waren zwar ganz gut, aber in Mathe reicht es dafür vielleicht doch nicht.
Tja, sie hätte sich da viel früher erst mal informieren müssen. Sie begründete, dass sie vorher noch nie Gelegenheit gehabt hatte, mit Lötkolben umzugehen, und deshalb diese Alternative überhaupt nicht im Visier gehabt.
Ich fragte sie (wie ich das sowieso vorgehabt hatte, aber zwischenzeitlich vergessen), ob sie jemals an einem Girls‘ Day teilgenommen hätte. Sie bejahte, vor Jahren wäre sie einmal im Institut ihres Vaters gewesen. Dort hätten sie aber ganz andere Dinge angesehen, die sie nicht wirklich interessiert hätten.

Wir sprachen auch noch über Produktdesign, und dass für mich persönlich immer Funktionalität und Ergonomie vor Design kommt. Wie ein Produkt aussieht, ist zunächst völlig nebensächlich. Erstmal muss es funktionieren, stabil sein und einigermaßen bequem zu handhaben. Solche pragmatischen Gesichtspunkte rangieren weit vor den ästhetischen Eigenschaften. Wenn dann alles klappt, wie es soll, dann kann man beim Finetuning noch ein wenig Aufwand hineinstecken, indem man es aufhübscht (wäre meines Erachtens zwar unnötig, aber wenn es die Kunden so wollen, überschreibt das den Pragmatismus).

Dann erzählte Leonie von ihrem Urlaub, den sie vor ein paar Wochen mit ein paar Freundinnen in Frankreich verbracht hatte. Das erinnerte mich daran, dass ich bisher noch gar nicht über meinen ersten Urlaub gebloggt habe – demnächst auf diesem Blog!

Schließlich erwähnte Leonie, dass ihr Bruder bald heiratet und es eine große Feier geben soll. Ich wunderte mich ein wenig, dass ich davon noch nichts gehört hatte, denn normalerweise informiert Thomas Carsten über solche Belange, und Carsten erzählt es dann meistens mir weiter.
Da erklärte Leonie traurig, dass ihr Vater nicht eingeladen sei. Ihr Bruder will ihn nicht dabei haben. Leonie sitzt zwischen allen Stühlen. Einerseits will sie ein gutes Verhältnis zu ihren Geschwistern haben, andererseits aber auch den Kontakt zu ihrem Vater behalten.
Ich hatte den Eindruck, dass ihr diese Spaltung ihrer Familie ziemlich zusetzt. Aber ich bin so ziemlich die letzte, die daran etwas ändern könnte.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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7 Antworten zu Frauen und Technik //2216

  1. elmardiederichs schreibt:

    „ich glaube, das ist auch der eigentliche Knackpunkt: kurz vor Semesterbeginn bekommt sie Bammel davor, in einer unbekannten Umgebung allein ganz auf sich selbst gestellt zu sein.“

    Tja, wie die Zukunft dann wohl aussehen wird, wenn sie noch weiblicher wird?

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Immer lassen. Jede muss ihrer eigenen Erfahrungen erleben.

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