Schon ziemlich lange wollte ich einmal etwas über die diskrete Mathematik der Strickmaschen schreiben.
Strickmaschen haben es an sich, dass sie ganzzahlig sind. Es ist also unsinnig, mit Bruchzahlen oder irrationalen Wurzeln zu rechnen.
Dennoch ist es möglich, (näherungsweise) eine beliebig geformte Fläche mit ihnen zu bedecken.
Im folgenden werde ich immer davon ausgehen (obwohl dies strenggenommen nicht zutrifft, würde aber die Sache nur unnötig verkomplizieren, was es nicht wert ist, da der Fehler nur relativ gering ist, und durch geeignete Methoden ausgeglichen werden kann), dass das Seitenlängenverhältnis einer einzelnen Masche gleich eins ist. Zudem ist eine Masche etwas elastisch, so dass sie sich grundsätzlich in die passende Richtung zieht.
Auch auf Feinheiten wie das Verhalten von Rechten und Linken, Aufschlägen, etc. werde ich nicht eingehen, es sei denn, es ist im jeweiligen Kontext relevant.
Keine große Kunst ist es, eine rechteckige Fläche so stricken, bei der man einfach eine konstante Anzahl Maschen immer hin und her strickt. Ebenso ist ein zylindrischer Schlauch, bei dem Anfang und Ende des Anschlags verbunden sind, und man immer außen herum strickt, nicht sehr schwierig.
Etwas interessanter ist es, eine etwa kreisförmige Decke zu stricken. Man beginnt in der Mitte mit möglichst wenigen Maschen, die man zum Kreis schließt. Angenommen, man hat für eine bestimmte Umrundung beim Radius R (in Maschenhöhen) eine Anzahl von M(R) Maschen, dann braucht man für die nächste Umrundung M + 2*pi Maschen mehr, wie jeder leicht selbst nachrechnen kann. Da 2*pi transzendent ist, nutzt man in der Praxis 6 Maschen pro Runde, bzw. 12 in jeder zweiten Runde, und kann evtll. ab und zu doppelt so viel aufnehmen, um den Bruchteil auszugleichen. Die Maschenaufnahme sollte bei jeder entsprechenden Runde gut über den Azimutwinkel verteilt werden, sonst wird das Kunstwerk eher sechseckig, wenn sie immer an der gleichen Stelle erfolgt.
Eine konische Oberfläche (beispielsweise für den Hüftteil eines Strickrocks oder eine Zipfelmütze) erreicht man, indem man pro Runde nur weniger als im Schnitt sechs Maschen aufnimmt.
Durch gezielte Auf- oder Abnahme kann man die Metrik so ziemlich jeder Oberfläche nachbilden. Beispielsweise ließe sich eine Kugel stricken, indem man – von nur wenigen Maschen ausgehend, anfangs sechs Maschen pro Runde aufnimmt, dann immer weniger, bis beim Äquator der maximale Umfang erreicht ist, und danach wieder entsprechend Maschen abnimmt, bis schließlich am Pol sämtliche Maschen verschwunden sind. Die Maschenanzahl in Abhängigkeit von der Rundenzahl ist proportional zum Sinus, die Änderung der Maschenanzahl folglich zum Cosinus.
Bleiben wir in der Ebene. Die Aufgabe ist nun, eine rechteckige Decke zu stricken, mit den Seitenlängen (in Strickmascheneinheiten) A und B, o.B.d.A sei A größer B. Wir schlagen A – B Maschen an, und stricken immer wieder außenrum (d.h. auch an der Unterkante und den sich entwickelnden Seitenkanten). Wir finden, dass der Umfang in jeder Runde um 8 Maschen zunehmen muss, damit das Strickstück flach bleibt, was jeweils 2 Aufschläge an jeder Ecke erfordert. (Wobei mir wieder mein Strickzeug einfällt, das leider ziemlich verwaist ist, und nur selten Fortschritte macht).
Oder wie strickt man eine Umhüllung für einen Würfel?
Natürlich kann man sechs Quadrate stricken, und die dann passend zusammennähen. Aber das ist langweilig. Oder man strickt ein Würfelnetz. Auch öde. Stattdessen kann man an einer Kante oder Ecke des Würfels beginnen (oder auch in der Mitte einer Seitenfläche – der Möglichkeiten sind viele), und – ohne jetzt in Einzelheiten zu gehen – immer außenrum stricken, und dabei passend auf- , und später abnehmen.
Beispielsweise ließe sich ein Tetraeder stricken, indem man mit einer Kante beginnt, an ihr entlang, und an der Unterseite zurückstrickt, die Runde schließt, und dann immer weiter – bei konstanter Maschenanzahl außenherum strickt. Bei der richtigen Höhe (die jeder selbst ausrechnen darf – remember: only integer values allowed), werden die Maschen um 90° gegenüber der ursprünglichen Kante verdreht wieder zusammen zu einer neuen Kante gestrickt oder genäht.
Auch mit Legosteinen kann man Diskrete Mathematik betreiben. In der Tat ist es so, dass dies als Kind so ziemlich mein erster aktiver Bezug zur Mathematik war. Es machte mir Spaß, auszurechnen, wieviele Legosteine z.B. ein Puppenhaus benötigt.
Im Gegensatz zu Strickmaschen sind Legosteine allerdings nicht flexibel und elastisch, dafür eignen sie sich auch zum Bauen für massiver und solider Körper (mit geraden Kanten), während sich das Stricken für ebene und gekrümmte Flächen eignet (die man selbstverständlich schließen und mit einem passenden Material füllen kann).
Ahhhh ja.
Ich errechne gerne statistike Werte und Verhältnisse zwischen meinen Sporteinheiten und der Gewichtsdifferenz zwischen einzenen Tagen, Einheiten und Wochen und lasse mir den Verlauf graphisch darstellen.
Weitere Mathematik wende ich im Alltag höchstens im Supermarkt an (Dreisatz), vor der Apotheke oder natürlich beim kochen, 😀
-> Da fällt mir ein, die Aufgabe ist bis heute nicht wirklich gelöst, oder? 😀
Warum ich das alles schreibe, obwohl Du das schon weißt?
Leser abgreifen, ich will einfach nur Leser abgreifen.
😛
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Hast du wenigstens deine Kinder in Strampelanzüge eingestrickt? Die sind ja auch interessant aufgrund ihrer Topologie.
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Ähhhh .. nein. Definitiv nein! es gab mal den Plan, ein Kuschelschnuffeltier zu nähen, aber … ich bin da eher auf grobem Sockenstopfniveau, wenn überhaupt. Hab`s halt nie richtig gelernt. Und Babysachen gab`s gratis von der Verwandtschaft.
Sollte ich allerdings doch noch mal schwanger werden, darfst Du mir gern annenühm einen Strampler srticken, 😀
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Naja, Babyzeug stricke ich eigentlich nicht.
Aber ich könnte mich dann vielleicht hinreißen lassen, einen kleinen Teddy (gestrickt an einem Stück nach von mir entwickelter Methode) für deinen Nachwuchs zu stricken.
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Wie wäre es mit superdicken Flauschesocken für mich? Die find ich prima! 🙂
Oder Legwarmer für Dich, passend zum Minirock!
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Socken strick‘ ich nicht, weil meine Oma das Geheimnis der haltbaren Fersen mit ins Grab genommen hat.
Legwarmers .. hm. Da muss ich mir erst noch einen nachvollziehbaren Grund überlegen, warum ich die nicht mag. (Nee, ich glaube, für solch ein langweiliges und wenig anspruchsvolles Projekt bin ich einfach zu faul.)
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Du könntest ja SEXY Legwarmers entwickeln, ist sicherlich ne Marktlücke! 😀
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Ach, Molly, die Zeit! Die fehlende Zeit!
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Interessant, über was sich so ein naturwissenschaftlichorientiertes Gehirn wie deins Gedanken macht. Solche Überlegungen liegen mir sowas von fern, das kannst du dir gar nicht vorstellen. 😉
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So sind Nerds halt. 🙄
Ständig Assoziationen und Verknüpfungen zwischen Alltag und Mathematik/Natur/Technik herstellen – insbesondere dann, wenn das sonst niemanden interessiert. 😈
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DAS hast du jetzt geschrieben. So meinte ich das gar nicht. 😉
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Das ist nerdy. Eindeutig.
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Ja, so bin ich halt. :-8
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*hihihi* Gut so !
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Mir ist neben der überall vorhandenen Mathematik aufgefallen, dass in allem genauso eine Melodie liegt. Was aber für mich nicht besonders verwunderlich ist, da auch Musik auf mathematische Regeln aufgebaut. 🙂
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Das stimmt. Die Frequenzverhältnisse harmonischer Töne, oder die streng algorithmischen Melodiefolgen von J.S. Bach sind Beispiele.
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Stricken für
Dummiesäh Nerds …Immerhin habe ich es jetzt verstanden. Obwohl ich noch nie gestrickt habe. Klingt einfach.
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Ist einfach.
While (!Strickstueck.EOR)
{
Masche = Strickstueck.CurrentRow.NextMasche;
Durchstechen(Masche);
Faden = Masche.Holen();
Faden.Durchziehen();
};
Ob sich Idgie hier noch mal sehen lässt?
Aber nach Abgabe ihrer Diss ist sie jetzt offenbar voll mit Plätzchenbacken beschäftigt.
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Soll sie mal ruhig backen …
*nach-Spedition-such*
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Vielleicht wäre es einfacher, dich in die Schweiz zu beamen, als Unmengen Weihnachtsgebäck durch die ganze Gegend zu karren.
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im Prinzip ist häkeln wie stricken, jedenfalls wenn man sich auf die einfachen Maschen (rechte bzw. feste Maschen) beschränkt:
durch Masche der vorigen Reihe stechen, Faden holen, durchziehen, nochmal Faden holen und durchziehen
Häkeln hat dann noch den Vorteil, dass die Maschen nicht (so schnell) von selber aufgehen, wenn die Nadel rausrutscht und man braucht nur eine Nadel für ein beliebig langes Stück, kein Nadelspiel oder sowas.
Wobei ich auch lieber stricke – aber beides mit möglichst dicken Nadeln 🙂
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Ja, Häkeln ist etwas einfacher. Man muss sich dabei auch nur um eine einzelne Nadel kümmern, nicht um bis zu fünf beim Stricken.
Das sich ergebende Häkelstück ist aber meist fester und starrer, was Vorteil oder auch Nachteil sein kann.
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ich hab ja mal irgendwann versucht, für ein Stoff-Vieh (eine Art Humpty Dumpty, nur ganz anders) eine eiförmige Grundfigur zu nähen. Das Original hatte ich vor mir, aber halt keine Schnittmuster. Statt nun auszurechnen, wie die vier Stoffstücke pro „Halbkugel“ geformt sein müssen (Eiform! – bei Kugel wäre sowas einfach) habe ich am Original abgemessen und dann großzügig zwischen den Messpunkten interpoliert. Das Ergebnis hat was eindeutig parabelförmiges – und das zusammengenähte dadurch eine dezidiert viereckige Komponente etwa auf halbem Weg zwischen „Äquator“ und „Pol“ 🙂
Nuja, hat bisher noch kein Kind gestört… und am Unterleib, von dem Hände und Füße abgehen, kann man das gut kaschieren 🙂
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Beim Nähen hast du einen ebenen, flachen Stoff. Um da irgendwelche Krümmungen und Rundungen reinzukriegen, musst du Abhäher machen.
Damit sollte sich Idgie auskennen, ich hab‘ mich damit nie näher beschäftigt.
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