SM And Beyond //1934

Wie der Titel schon verrät, geht es heute um ein besonders komplexes und faszinierendes Thema. Dennoch habe ich es lange vor mir hergeschoben, wollte eigentlich vorher zur Einstimmung erst noch über Symmetrie breakplainen.

Also gleich in Medias res:
Das Standardmodell gilt als anerkannt (im gleichen Sinne wie die Newtonmechanik), nämlich insofern, dass es zutreffende Vorhersagen in seinem Gültigkeitsbereich macht.
Das SM umfasst die Elektroschwache und die Starke Wechselwirkung, die durch Quantenflavordynamik (QFD) bzw. Quantenchromodynamik (QCD) beschrieben werden. Zu unterscheiden ist es von Grand Unified Theories (GUTs), die QFD und QCD weiter zu einer Theorie vereinheitlichen sollen, aber bislang noch nicht experimentell bestätigt werden konnten.

Das SM enthält eine Reihe von Elementarteilchen:
Zunächst gibt es drei Generationen von Fermionen. Fermionen sind Teilchen mit halbzahligem Spin, die sich in ihrem statistischen Verhalten von Bosonen (Teilchen mit ganzzahligen Spin) unterscheiden.
Die Fermionen des SM teilen sich auf in Leptonen (Elektronen und Elektron-Neutrinos in der ersten Generation, Myon bzw. Tauon und entsprechende Neutrinos in der zweiten und dritten Generation) und die 6 Quarks Up – Down, Charm – Strange, Top – Bottom (dazu hatte ich bereits einmal eine Hexalogie auf dem Nühmphenblog geschrieben, die allerdings recht soft ausfiel, aber so war damals die Konzeption der Reihe – keine Ahnung, wann ich wieder einmal etwas dort schreibe, dazu müsste mich erst mal wieder der Muserich nicht nur küssen).
Für unser normales Leben sind nur die Teilchen der ersten Generation von Bedeutung. Die der zweiten und dritten Generation sind schwerer, und können über elektroschwache Prozesse zerfallen und sich in die leichteren umwandeln.
Aus Up- und Down-Quarks setzen sich die Nukleonen (Protonen und Neutronen) zusammen, und bilden so Atomkerne („Nukular – das Wort heißt nukular!“) , die von einer Hülle aus Elektronen umgeben sein können.
Zwischen den Fermionen des SM herrschen verschiedene Wechselwirkungen, die durch Vektorbosonen vermittelt werden. Für die elektromagnetische Kraft reicht das Photon. Für die schwache Kraft kommen das Z-Boson und die W-Bosonen hinzu. Die starke WW wird durch Gluonen übertragen. Dann gibt es noch das skalare Higgs-Boson (in der populärwissenschaftlichen Literatur törichterweise auch „Gottesteilchen“ genannt), das notwendig ist, um den Teilchen durch Symmetriebrechung Masse zu verleihen.

Ich habe hier etliche Einzelheiten weggelassen. Profis wissen das ohnehin, interessierte Laien finden im Internet genügend weitergehende Quellen, und uninteressierten Laien ist es sowieso egal.

Die Lagrangedichte des Standardmodells ist zwar recht länglich (so dass sie den neuerdings in WordPress integrierten LaTeX-Parser bei weitem überfordert), aber für Kundige durchaus noch überschaubar, und sie genügt, um drei der vier (bekannten) Grundkräfte im uns zugänglichen Universum zu beschreiben. Feynmandiagramme liefern dazu einen handlichen und bequemen Formalismus. der die einzelnen Wechselwirkungen in konkrete, mathematische Terme umsetzt.

Wie aber geht es nach dem Standardmodell weiter? Wenn die Distanzen noch geringer, oder die Energien der beteiligten Teilchen noch höher werden?
Grand Unified Theories hatte ich schon erwähnt. Aber die wahre Königsdisziplin wäre die Vereinigung mit der vierten Grundkraft der Natur: der Gravitation.
Für die Phänomene unseres Alltagslebens genügt nach wie vor zur Beschreibung das Newton’sche Gravitationsgesetz. Für größere Massen erweist sich die Allgemeine Relativitätstheorie als umfassender, die die Massenanziehung über die Krümmung des Raumes beschreibt.
An der Herausforderung, Standardmodell und Allgemeine Relativitätstheorie zu einer einzigen Theory Of Everything (TOE) zusammenzufassen, beißen sich bereits mehrere Generationen Theoretischer Physiker die Zähne aus.

Größere Beschleuniger (wie der Large Hardon Collider) für ausgeklügelte Experimente und leistungsfähigere Teleskope für astronomische und kosmologische Beobachtungen werden uns weitere Daten liefern, die weiterführende Theorien entweder bestätigen oder widerlegen.
Ich bin neugierig, wie es weitergeht, fürchte aber, dass die Natur sich nicht so wirklich in die Karten schauen lassen wird.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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27 Antworten zu SM And Beyond //1934

  1. Talianna schreibt:

    Der Begriff „Quantenflavordynamik“ war mir nicht geläufig für die Elektroschwache Theorie. Ich kannte das nur als elektroschwache Wechselwirkung, die ja neben Flavors auch Ladungen handelt.

    Aber: es bleibt spannend, und wie!

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    • Der Begriff ist nicht sehr verbreitet. Er ist halt ein Analogon zu Quantenelektrodynamik, nur dass er auch noch die Schwache WW enthält.
      Und statt um Farben (wie bei der QCD) geht’s eben um Geschmäcker. 🙂

      Die Faszination dieses Themas hat mich damals bewogen, Physik zu studieren.

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      • Talianna schreibt:

        Bei mir war’s die Kosmologie und die Astrophysik, die mich zur Physik zogen.

        Ich habe QFD nachgelesen, hatte dann schon gesehen, dass der Begriff die Beschreibung der elektroschwachen Wechselwirkung bezeichnet. Nur der Begriff selbst war mir vor Erwähnung hier und anschließendem Nachsuchen nicht vertraut. Flavors gibt’s ja auch bei den Quarks – und Neutrino-Mischung sind ja Flavor-Fluktuationen, weil die Massen- und die Flavor-Eigenzustände nicht gleich sind.

        Richtig viel TTP (theoretische Teilchenphysik) habe ich aber nicht behalten. Ein bisschen was zum Thema brauchte ich natürlich für die Promotion, da mein Doktorvater auf dem Neutrino-Bereich seine Sporen verdient hat, wir KATRIN im Institut hatten und der Spokesman des Experiments, in dem ich promoviert habe, seinen Nobelpreis für Arbeiten mit neutralen K-Mesonen bekommen hat. Da kommt man um elektroschwache Symmetriebrechung nicht herum, selbst wenn man gewollt hätte. 😀

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  2. Leser schreibt:

    Wie meinst Du das – „dass sich die Natur nicht so wirklich in die Karten schauen lassen wird“?
    Ich meine, die Natur ist ja nicht ein Wesen (sonst könnte man es als den „imaginären Freund“ nutzen/bezeichnen), was uns sagt „Hier gibts nix zu sehen!“ oder so. Warum schließt Du also mit großer Wahrscheinlichkeit aus, dass wir nicht irgendwann zu einer „TOE“ kommen? Vielleicht hat auch nur noch niemand den richtigen Einfall gehabt? Ich bin kompletter Laie, deshalb stelle ich diese Frage.

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    • Das mit den Karten war rein metaphorisch gemeint.

      Dass wir irgendwann eine TOE finden, kann ich nicht völlig ausschließen. Derzeit allerdings tappen wir noch ziemlich im Dunkeln.
      Der Aufwand für weitere Forschung und Experimente steigt leider ins Unermessliche, so dass ich bezweifle, dass zu unseren Lebzeiten eine eventuelle TOE wirklich bestätigt werden könnte.

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  3. mindph schreibt:

    Ich finde erstaunlich, dass man für das komplette Universum, also alles was wir so sehen können, in dem SM nur die Hälfte der Elementarteilchen überhaupt braucht*. Die andere Hälfte ist „einfach nur da“ und zwar auch nur für Sekundenbruchteile, dann zerfallen sie in die erste Hälfte, wobei ein Teil der Energie als Neutrino für immer „verschwindet“, da Neutrinos mit so gut wie nix wechselwirken.

    * Eigentlich sogar noch weniger, ein Viertel, denn im SM hat ja jedes Teilchen hat ja auch ein Antiteilchen, die aber in der Natur ebenfalls so gut wie keine Verwendung finden, außer selten mal (wie das Positron) bei bestimmten Zerfallsarten.

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    • Die Natur ist, wie sie eben ist.
      Wir verstehen immer noch nur einen Bruchteil ihrer Geheimnisse. Es gibt mehr offene Fragen und Rätsel als Antworten.

      Die Forschung daran ist spannend. Man muss sich nur bewusst bleiben, dass viele Konzepte (z.B. „Dunkle Energie“) reine Spekulation sind, weil man eben gerade nicht weiß, wie es tatsächlich „ist“.

      Tja .. und auch die beste mathematische Beschreibung wäre noch keine Erklärung, warum die Natur gerade so ist, wie sie eben ist.

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    • Talianna schreibt:

      Ich würde nicht sagen, dass man diese ganzen Teilchen „nicht braucht“. Nur, weil sie nicht stabil sind, heißt das nicht, dass sie nicht „gebraucht“ werden. Antiquarks spielen in Mesonen eine wichtige Rolle, die bei vielen Interaktionen auftreten. Die Welt wäre nicht so, wie sie ist, wenn nicht Zerfallskanäle der scheinbar „ungenutzten“ Teilchen bei Zerfällen aufträten.

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  4. Plietsche Jung schreibt:

    Ach, wie schön ist Panama ….

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  5. Engywuck schreibt:

    jaja, der berühmte Large Hardon Collider der Sexindustrie…

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