Zweihundertvierundfünfzig

Gerade war Wuthering Heights (ich mag die Romane der Brontë-Schwestern und von Jane Austen) im Radio verklungen, und wurde von Supertramp’s Logical Song abgelöst.

Wir entspannten uns abends postorgasmisch noch etwas auf dem Sofa. Carsten hatte den Arm um mich gelegt. Unsere Beine waren auf nicht näher definierbare Weise verschlungen. Carsten kam auf das Thema der Arbeitszeitreduktion zurück:
„Warum willst du denn, dass ich soviel weniger arbeite?“
„Nur zu deinem eigenen Besten. Es würde deiner Gesundheit sicherlich guttun.“
„Du bist aber sehr besorgt um mich.“
„Natürlich bin ich das. Schließlich habe ich noch Allerlei mit dir vor. Und dazu musst du gesund und bei Kräften bleiben.“
„Soso. Und ich will auch dein Bestes. Das weißt du.“
„Und das bekommst du ja auch reichlich.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach mit der zusätzlichen Freizeit anfangen?“
„Auf mich verwenden“, meinte ich kokett, „mir fällt da schon einiges ein, was dir sicherlich auch gefällt.“
Carsten stöhnte auf: „Du weißt schon, dass ich keine zwanzig mehr bin!“
„Das musst gerade du sagen. Wer reißt mich denn nachts immer wieder aus dem Schlaf?“ (nicht dass es mich stören würde.)
„Du wachst ja gar nicht jedes mal auf. Oft schläfst du trotzdem weiter.“
„Aha, das erklärt, woher die ganzen anregenden Träume kommen.“
„Wenn du auch so verführerisch und lasziv neben mir liegst ..“

„Hast du das bei Ingrid auch so gemacht?“
Wir hatten bisher nur selten über Ingrid gesprochen, aber da ich jetzt schon einer Ehe mit Carsten zugestimmt hatte, meine ich auch ein Recht zu haben, etwas mehr zu wissen.
„Nein“, er war plötzlich ernst, „sie war anders als du. Kleiner. Fast zierlich. Ich hatte immer Angst, sie zu verletzen. Und ich hatte auch nie den Eindruck, dass es ihr Spaß macht. Irgendwie haben wir dann doch die zwei Kinder zustandegebracht. Aber danach wollte sie erst recht nicht mehr.“

„Worüber du dich natürlich hinweggesetzt hast.“
„Nein, habe ich nicht. Ich sagte doch, dass sie nicht war wie du. Wenn du Nein sagst, willst du mich in Wirklichkeit nur noch mehr anheizen.“
Verdammt! Er hat mich mal wieder durchschaut. Ich sah mich gezwungen zu widersprechen: „Manchmal bedeutet Nein aber auch bei mir tatsächlich Nein.“
„Unsinn, das hast du nach spätestens drei Stößen vergessen.“
Mich ärgerte es, dass er mich so gut kannte. Ich wäre lieber etwas rätselhafter geblieben.
Als hätte Carsten meine Gedanken gelesen, fuhr er fort: „Dein Körper verrät dich. Ich habe dich noch nie trocken erlebt.“
Bin ich wirklich so berechenbar?

„Bevor wir dieses Thema weiter vertiefen“, lenkte ich schnell ab, „wüsste ich noch gern, warum du sie überhaupt geheiratet hast, wenn ihr doch so wenig zusammengepasst habt.“
Carsten seuftze: „Ich glaube nicht, dass du das wirklich wissen willst.“
„Nun, sag schon!“ Allmählich wurde ich ungeduldig.
„Es wird dir nicht gefallen“, meinte Carsten und atmete nochmals tief durch. „Es war damals einfacher für ein Ehepaar, Kredite zu bekommen. Ich habe das Geld für den Aufbau des Unternehmens gebraucht.“
Ein klein wenig war ich im ersten Moment überrascht, aber nach kurzer Überlegung konnte ich es akzeptieren. Ich bin sicher, dass er bei mir keine derartigen Motive hat. Aber welche dann? Darüber bin ich mir immer noch nicht im Klaren.

„Ich bin froh, das ich du mir das jetzt gesagt hast. Aber warum hat sich Ingrid auf dieses Arrangement eingelassen?“
„Sie war damals noch ehrgeizig.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Bis die Kinder kamen.“

Er hatte die ganze Zeit sehr ruhig gesprochen, jetzt fuhr er heftiger fort: „Hast du jetzt genug erfahren? Ich weiß, dass ich vieles falsch gemacht habe. Und ich beabsichtige nicht, meine Fehler zu wiederholen.“
„Wenn du der Meinung bist, ich dürfte etwas aus deinem früheren Leben nicht erfahren“, erwiderte ich recht kühl, „dann sollten wir die Heirat vielleicht ganz lassen.“
„Ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Ich bin nur nicht auf alles in meiner Vergangenheit stolz. Und du wirst keinen Rückzieher machen.“
„OK. Aber eines möchte ich doch noch gerne wissen.“
„Was?“
„Wusste sie von deinen diversen .. Gespielinnen?“
„Ich glaube nicht. Ich bin immer sehr diskret vorgegangen. Aber so richtig sicher bin ich mir nicht.“

„Und wirst du in Zukunft auch diskret vorgehen?“
„Samtpfötchen!“ rief er entgeistert, „wenn du mich weiterhin so sehr beanspruchst, habe ich doch dafür keinerlei Kapazitäten mehr. Andererseits, wenn ich in Zukunft dreißig Stunden mehr Zeit in der Woche habe, wer weiß, ..“
Ich knuffte ihn mit dem Ellbogen in die Rippen. „Ich habe dir doch vor wenigen Minuten erst erklärt, dass ich deine Zeit bereits verplant habe. Hast du das schon wieder vergessen?“

„Ich sehe schon, du wirst mich ganz schön unter dem Pantoffel halten!“
„Noch kannst du das ganze abblasen.“
Er schüttelte den Kopf: „Keine Chance. Dafür habe ich zu lange auf dein ‚Yes!‘ warten müssen“
„Es war äußerst unfair von dir, mich mit Magic Numbers zu ködern.“
„Ich wusste doch, dass nur Zahlen dich in diesen Modus triggern können. Ich musste nur die richtigen Zahlen finden. Und jetzt bestehe ich auch darauf, dass du dich an unser Abkommen hältst.“

„Wie du willst, Liebster“, bestätigte ich und kam dann auf unser ursprüngliches Thema zurück:
„Aber wenn dir die Heirat so wichtig ist, musst du weniger arbeiten“, erklärte ich streng, „ich würde mich ja auch weiterhin als Maîtresse-en-titre wohlfühlen.“
„Hey, ich bin kein französischer König.“
„Der Kunde ist König“, meinte ich leichthin, „et j’utilize mes compétences en français souvent.“
Carsten ging nicht darauf ein, sondern meinte stattdessen: „Ich bin auch weder Heinrich VIII, noch Blaubart. So dass du nichts von mir zu befürchten hast.“
„Das habe ich dir auch nie unterstellt!“
„Und es ist eben nicht mein Stil, meine Konkubine zur First Lady zu machen.“
„Ich bin sicher, selbst der Bundespräsident hat mehr Freizeit als du.“

„Ich habe seit fast einem viertel Jahrhundert immer so viel gearbeitet. Das lässt sich nicht innerhalb einiger Wochen oder Monate halbieren.“
„Aber so kommst du gar nicht dazu, die Früchte deiner Arbeit zu genießen.“
„Ich habe ja zugestimmt, deutlich weniger zu arbeiten. Gib mir halt noch etwas Zeit, das vorzubereiten und zu organisieren. Ich brauche dafür noch ein tragfähiges Konzept.“

Es war mittlerweile schon ziemlich spät geworden, so dass wir beschlossen, zu Bett zu gehen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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4 Antworten zu Zweihundertvierundfünfzig

  1. DieTraumfaengerin schreibt:

    „Manchmal bedeutet Nein aber auch bei mir tatsächlich Nein.“
    „Unsinn, das hast du nach spätestens drei Stößen vergessen.“

    :)) Frauen… 😉

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  2. Moody schreibt:

    Aha, das ist wohl der jugendfreie Part 😀

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  3. Pingback: breakpoint’s Wayback Archive #13 //1682 | breakpoint

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