Zweihundertvierundsiebzig

Als ich Carsten’s Arbeitszimmer betrat, hatte ich eine Schüssel mit Pfirsichkeilen in der Hand.
Er sah nicht auf, sondern war in Dokumente auf seinem Monitor vertieft. Ich stellte die Schüssel auf dem Schreibtisch ab. Auf dem anderen Stuhl lagen ein paar große Ordner. Natürlich hätte ich diese irgendwo anders hinlegen können, um mich auf den Stuhl zu setzen, aber ich zog es vor, mich auf Carsten’s Schoß niederzulassen.

Er war nicht gerade erfreut: „Wir hatten doch ausgemacht, dass du mich nicht störst und ablenkst, wenn ich arbeite.“
„Wir hatten auch vereinbart, dass du weniger arbeitest,“ entgegnete ich unbeeindruckt, „aber ich bringe dir ja nur einen kleinen Imbiss. Du kannst die Hose ruhig zulassen.“
„Das sagst du so leicht!“, murmelte er.
Ich lachte. Tatsächlich spannte die Hose über seinem Schritt schon verdächtig. Aber ich hatte vorläufig nicht die Absicht, ihm Erleichterung zu verschaffen.

„Ich werde dich füttern. Dabei kannst du ja weiterarbeiten. – Oops, jetzt habe ich den Löffel vergessen.“
„Dann hol schnell einen. Und dann setzt du dich aber auf den anderen Stuhl.“
„Ach, das geht auch ohne Löffel.“ Ich tauchte meine Finger in die Schüssel, wo die Pfirsichstücke im Saft schwammen. Als ich einen Schnitz herauszog, trieften meine Finger natürlich von Saft. Ich hob den Schnitz vor Carsten’s Mund, doch bevor er das Pfirsichstück essen konnte, schob ich es mir schnell selbst in den Mund. Dann leckte ich mir genüsslich die Finger ab.
Das nächste Stück überließ ich dann großzügigerweise Carsten, der inzwischen wohl eingesehen hatte, dass es mit seiner Konzentration auf die Arbeit vorbei war, seine Bildschirmbrille abnahm und seinen Computer erstmal einschlafen ließ.
Dann fütterten wir uns gegenseitig mit den Pfirsichen, bis nur noch Saft übrig war.

Ich hüpfte auf. „OK, bis später. Du darfst jetzt weiterarbeiten.“
„Halt, so leicht kommst du mir nicht davon.“
„Ach?“
Carsten tauchte seine Finger in den Saft und bot sie mir dann zum Ablutschen der Safttropfen an. „So, jetzt sagst du mir, was du mit der ganzen Aktion bezweckt hast.“
„Welche Aktion?“, schmatzte ich unschuldig.
„Nun, du gehst meistens viel direkter vor.“
„Das kommt dir nur so vor“, orakelte ich. Denn oft kriegt er meine verschlungenen Pfade gar nicht mit.

Er stand auf. „Hier, knie dich auf den Stuhl.“
Das tat ich und stützte mich am Schreibtisch ab. Er schob meinen Rock hoch und ..
Den Rest könnt ihr euch selbst vorstellen. Schaltet euer Kopfkino ein. Dies hier ist kein Pornoblog.

„Darf ich dich was fragen?“
„Nachher!“
„OK.“

Als wir anschließend unsere Kleider wieder zurecht rückten, fragte ich so beiläufig wie möglich: „Warum bist du eigentlich mit mir zusammen?“
Carsten seufzte: „Weil du mich sonst nicht mit derartigen Fragen nervst. Und normalerweise nicht über Sentimentalitäten reden willst. So. Und wie hältst du es mit mir aus?“
„Ach, dich zu ertragen, ist jeden Tag wieder eine neue Herausforderung.“
„Die du aber zumeist mit Bravour meisterst.“
„Ich mag diese Art von Herausforderungen. Und ein paar gute Eigenschaften hast du ja auch.“
„Tatsächlich?“, fragte er in gespieltem Erstaunen, „kannst du mir vielleicht Beispiele dafür nennen?“
„Nun, du bringst mir mehrmals in der Woche Kuchen oder Pralinen mit. Das gefällt mir sehr. Ich schätze auch deinen Humor, der sich aber meist nur zeigt, wenn du Zeit hast und wir allein sind. Oder deine Art, dich durchzusetzen – allerdings nur, solange es meinen Interessen nicht zuwider läuft.“
Carsten lachte: „Aha. Und ich dachte, es wären vor allem meine Qualitäten als Liebhaber.“
„Die sind natürlich das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Ein riesiger Sahneberg, um im Bild zu bleiben.“
„Hm. Naja, ohne Sex wären wir wohl nicht zusammen.“
„Wie meinst du das?“, fragte ich abwartend.
„Versteh‘ mich nicht falsch, Samtpfötchen, ich schätze deine Gesellschaft sehr. Aber wenn du mich nicht von Anfang an körperlich gereizt hättest, hätte ich wohl kaum ein Interesse gehabt, dich näher kennenzulernen. Den Beratervertrag damals hättest du vermutlich nicht bekommen. Und selbst wenn, hätte ich mich mit Sicherheit nicht so involviert, sondern die Besprechungen mit dir meinen Führungskräften überlassen.“
„Und wenn schon,“ ich zuckte die Achseln, „wärest du nicht ein so erfolgreicher Unternehmer, hätten wir uns gar nicht erst getroffen. Insofern, Liebster, bin ich nur deines Geldes wegen mit dir zusammen.“

„Ich habe von vornherein gewusst, wie berechnend du bist. Denn das ist ja dein Job. Aber jetzt wissen wir beide, woran wir sind. Und ich habe noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen, weil du mich vorhin aus der Arbeit gerissen hast.“
„Oh je! Was gedenkst du zu tun?“
„Was ich gerne mit dir tun würde, würde mich nur noch weiter in der Zeit zurückwerfen. Deshalb wirst du jetzt brav verschwinden und mich die nächsten zwei Stunden wirklich in Ruhe lassen.“
„Aber einen Quaffee darf ich dir doch bringen?“
„Nein!“, er schüttelte den Kopf, „ich kenne doch deine Kaffeepausen. Ich hole mir lieber selbst noch einen Kaffee. Zwei Stunden, ja! Danach habe ich dann wieder Zeit, dich richtig zu genießen.“

Es blieb mir nichts anderes übrig, als mit der inzwischen leeren Schüssel von dannen zu ziehen.
Das ist jetzt fast eine Stunde her. Ich muss mal schauen, ob im Kühlschrank noch Sprühsahne ist.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Zweihundertvierundsiebzig

  1. ednong schreibt:

    Sprühsahne – so ungesund. Und macht dick. 😉

    Like

  2. Pingback: breakpoint’s Wayback Archive #15 //1696 | breakpoint

Hinterlasse einen Kommentar