breakplaining: Platonische Körper //2851

Platonische Körper sind dreidimensionale Körper, die nur von kongruenten, regelmäßigen Polygonen begrenzt werden. Ihre zweidimensionale Entsprechung sind regelmäßige Polygone wie gleichseitiges Dreieck, Quadrat, .., und auch nur diese sind als Seitenflächen zugelassen.
Durch eine einfache Überlegung (auf die ich irgendwann mal als Kind selbst gekommen war, noch bevor ich wusste, dass bereits Euklid genauso argumentiert hatte) kann man zeigen, dass nur fünf verschiedene dieser Körper möglich sind. [Man möge im Hinterkopf behalten, dass es damals noch kein Internet gab. Ich hatte nur ein zehnbändiges Lexikon zur Verfügung. IIRC bin ich auf Platonische Körper gestoßen, als ich darin stöberte. Viel mehr als ein paar Skizzen standen nicht darin.]
Die erste Bedingung hatte ich bereits genannt. Die Seitenflächen dürfen nur aus regelmäßigen Polygonen bestehen. Das heißt, für die Innenwinkel der Flächen kommen nur 60° (Dreieck), 90° (Quadrat), 108° (Fünfeck) und vielleicht noch 120° (Sechseck) in Frage – wir werden sehen.
Die zweite Bedingung ergibt sich daraus, dass an einer Ecke mindestens drei Flächen aufeinanderstoßen müssen (sonst wäre es ja keine Ecke). Außerdem muss die Summe der Innenwinkel – also das Produkt des Innenwinkels mit der Flächenzahl – an dieser Ecke kleiner als 360° sein. Bei 360° wäre das geometrische Objekt flach, bei über 360° bliebe zu viel Fläche für den Raum. Das könnt ihr euch bestimmt selbst vorstellen.

Beginnen wir, die Überlegung jetzt mit den Dreiecken durchzuspielen.
Drei Dreiecke pro Ecke bedeutet 3*60° = 180°, geht also. Wir finden den Tetraeder {3, 3}, also eine dreiseitige Pyramide, mit 4 Dreiecken als Flächen, 4 Ecken und 6 Kanten.
Bei vier Dreiecken pro Ecke ist 4*60° = 240°. Das wäre der Oktaeder {3, 4}, den man sich vorstellen kann wie zwei aufeinandergeklebte vierseitige Pyramiden. Er hat insgesamt 8 Flächen, 6 Ecken und 12 Kanten.
Fünf Dreiecke liefern für die Eckwinkel:innensumme 5*60° = 300°. Das ist ein Ikosaeder {3, 5}, also ein Körper mit 20 Flächen. Er hat 12 Ecken und 30 Kanten.
Wenn wir sechs Dreiecke an einem Eck zusammenbringen wollten, kämen wir auf 6*60° = 360°. Damit kann man also keinen Körper mehr bilden, weil es in der Ebene bleibt.
Weiter geht es mit den Quadraten.
Bei drei Flächen am Eck finden wir 3*90° = 270°. Das ergibt einen Hexaeder {4, 3}, also den klassischen Würfel oder Kubus mit 6 Flächen, 8 Ecken und 12 Kanten.
Vier Flächen ergäben wieder 4*90° = 360°, was keine Ecke mehr bilden kann und wir uns in der flachen Ebene befinden.
Ein regelmäßiges Fünfeck hat Innenwinkel von 108°. Wenn drei davon an einer Ecke zusammenstoßen, ist ihre Summe 3*108° = 324°. Das ist auch noch kleiner als 360°. Der entsprechende Platonische Körper {5, 3} heißt Dodekaeder, und hat 12 Flächen, 20 Ecken und 30 Kanten.
Bei vier Fünfecken kämen wir auf 4*108° = 432°, was eindeutig zu viel ist.
Drei gleichseitige Sechsecke 3*120° = 360° bilden die klassische Bienenwabenstruktur. Damit, und auch für sämtliche weitere regelmäßige Polygone, sind keine Platonischen Körper mehr möglich.
Es bleibt also bei einem platonischen Bodycount von 5.

Was an den Platonischen Körpern so beeindruckend ist, sind einerseits ihre Symmetrieeigenschaften. Sie haben so viele Spiegelebenen und Drehachsen, die sie wieder auf sich selbst abbilden.
Mich hat aber immer noch mehr fasziniert und erstaunt, wie man in Platonischen Körpern Winkel findet, die man dort eigentlich gar nicht intuitiv erwartet.
Ohne Vollständigkeit implizieren zu wollen, beginnen wir doch mit dem Tetraeder. Wenn man parallel zu einer Kante ebene Schnitte hindurchführt, so findet man zuerst Rechtecke, dann in der Mitte sogar ein Quadrat.
Wenn man – wie erkläre ich das jetzt am einfachsten und dennoch eindeutig? – am Würfel eine Ecke auswählt, und diese nur mit den ihr diagonal gegenüberliegenden Ecken verbindet, sowie diese miteinander, erhalten wir wieder einen Tetraeder. Die Flächenmittelpunkte des Würfel entsprechen den Eckpunkten eines Oktaeders, und umgekehrt.
Parallele Schnitte senkrecht zur Raumdiagonale eines Würfels liefern als Schnittfiguren zunächst gleichseitige Dreiecke, dann Sechsecke, die irgendwann sogar gleichseitig werden. Schon verrückt irgendwie!
So wie Oktaeder und Hexaeder dual zueinander sind, so sind es auch Dodekaeder und Ikosaeder. Die Flächenmittelpunkte des einen bilden die Eckpunkte des anderen.
Jeweils vier Eckpunkte eines Ikosaeders liegen auf einem Rechteck mit dem Seitenverhältnis des Goldenen Schnitts.
Einen Dodekaeder kann man sich vorstellen wie einen Würfel, auf dessen Seitenflächen jeweils ein kleines Walmdach geklebt ist, so dass die Dachflächen benachbarter Seiten ineinander übergehen.

Findet doch selbst noch so ein paar Zusammenhänge. Ich schaue mir gerne Platonische Körper an, wenn ich entspannen und abschalten will.
Vor vielen Jahren, als ich studiert habe, habe ich mir mal Papiermodelle der Platonischen Körper gebastelt und damit ein Mobile gebaut. Leider war das irgendwann nicht mehr ansehnlich oder ist bei einem Umzug verschollen.
Ich glaube, dass Johannes damit auch Freude hätte. Ein derartiges analoges Bastelprojekt sollte ich unbedingt auf meine To-do-Liste schreiben.

Dagegen bin ich wohl zu faul (bzw. mir fehlt schlicht die Zeit), einen anderen Plan, den ich schon seit längerem hege, umzusetzen. Ich wollte mal ein Programm schreiben, das auf Tastendruck Platonische Körper um kleine Winkel um die drei Hauptraumachsen dreht und das am Bildschirm anzeigt.
So ein ähnliches Programm hatte ich sogar einmal, wenn auch nur für Würfel. Ich hatte begonnen, das Programm auf vier Dimensionen zu erweitern, als meine Festplatte crashte. Zu der Zeit hatte ich noch keine Versionsverwaltung noch eine ausreichende Backup-Strategie, so dass die Sourcen verloren waren.
Ich habe daraus gelernt und sichere seither meine Daten regelmäßig auf verschiedene andere Medien, so dass ich seitdem keinen wirklich schlimmen Datenverlust erlitten habe.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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8 Antworten zu breakplaining: Platonische Körper //2851

  1. pirx1 schreibt:

    Konvexität?

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  2. apokolokynthose schreibt:

    Wenn man bei Hexaedern alle Kanten um 90° um die Achse dreht, die durch den Mittelpunkt der Kante und den Mittelpunkt des Körpers geht, bilden die Kanten (bei anderen Schnittpunkten) einen Oktaeder. Und umgekehrt. Dasselbe passiert mit Dodekaedern und Ikosaedern. Bei Tetraedern erhält man so einen Tetraeder.
    Tetraeder und Oktaeder kann man bei gleicher Kantenlänge stapeln ohne Hohlräume.

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  3. Plietsche Jung schreibt:

    Programmiere dir doch mal einen Bildschirmschoner mit diesen schönen Körpern.
    Und das Mobile ist aufgeschoben, nicht aufgehoben. Mach doch mal.

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  4. blindfoldedwoman schreibt:

    Wenn ich mich recht erinnere, war das eine der angebotenen AGs in der Schule meiner Tochter. Ich weiß aber nicht, ob das zustande gekommen ist.

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