Im Gründerinnenseminar //2877

Irgendwann muss ich die Gründerinnenseminare schon mal erwähnt haben, aber – soweit ich mich erinnere – in einem ganz anderen Kontext. Ich verzichte also darauf, den passenden Eintrag zu suchen und zu verlinken.
Als ich mich vor etlichen Jahren selbständig gemacht habe, fand ich es wunderbar praktisch, dass zu etwa dieser Zeit in meiner Stadt Seminare für Gründerinnen angeboten wurden. Die Kosten hielten sich in sehr niedrigem Bereich (da öffentlich bezuschusst). Dass Männer dabei ausgeschlossen waren, fand ich schon ein wenig seltsam, aber ehrlich gesagt, dachte ich mir nicht viel mehr dabei. Ich war dagegen froh, solch eine Gelegenheit wahrnehmen zu können, denn schließlich stellen sich in der Gründungsphase eines Unternehmens viele Fragen, deren Klärung und Beantwortung ich durch die Teilnahme an diesen Seminaren erhoffte.
Es ging dabei um rechtliche und steuerliche Themen, Vermarktung, Fördermöglichkeiten, Businesspläne, und sonstige mehr oder wenige relevante Punkte.
Falls mich mein Gedächtnis nicht trügt, fanden diese Seminare (es müssen wohl so zwischen 6 und 10 gewesen sein) immer ganztags am Samstag statt. Zu jedem Thema ein anderer Referent.

Es waren immer wieder die gleichen Teilnehmerinnen. In der Vorstellungsrunde erzählten sie, mit welchen Produkten oder Dienstleistungen sie sich eventuell selbständig machen wollten. Das waren wohl meist irgendwelche kreativ-künstlerischen oder spirituell-esoterischen Vorhaben, mit denen ich nichts anfangen könnte. Lifestyle, Bachblüten oder ähnlicher Schwachsinn. Ich erinnere mich nicht mehr genauer, weil es für mich uninteressant war.
Außer mir war noch eine einzige andere Frau dabei, die einen technischen Geschäftszweck anstrebte. Und zwar gab sie an, als Webdesignerin arbeiten zu wollen.
Diese Seminare sollten auch zur Vernetzung untereinander beitragen. In den Pausen war also vorgesehen, dass sich die Frauen miteinander bekanntmachen. Während sich die anderen also in Kleingrüppchen lachend unterhielten, saß ich daneben. Schließlich überwand ich mich doch und fragte die Webdesignerin in spe, ob sie auch Javascript einsetze.
Sie verstand die Frage nicht. Also versuchte ich stattdessen zu erfahren, welchen Editor sie nutzte. „Ach, einen ganz einfachen.“
Für so etwas nutze ich Notepad. Noch einfacher kann kein Editor sein. Das sagte ich ihr auch, den kannte sie aber nicht. Nach noch ein paar Rückfragen stellte sich wohl heraus, dass sie Dreamweaver (oder etwas ähnliches – bin mir nicht ganz sicher) verwendete.

Web-Entwicklung lief bei mir immer so nebenbei. Ich hatte damals schon eine Website für die geschäftliche Nutzung aufgesetzt. Außerdem brauchte ich dynamisches HTML noch für andere Zwecke (was aber hier zu weit ginge). Mir waren also Webtechniken wie Javascript, CSS, SSI, Perl und ASP vertraut. Aber – wie gesagt – das war nicht als Kerngeschäft gedacht, sondern die Notwendigkeit ergab sich einfach zusätzlich nebenbei, ohne dass ich dafür allzuviel Aufwand investierte.
Umso mehr war ich befremdet, dass eine Person, die mit solchen Dienstleistungen Geld verdienen wollte, so überhaupt keine Ahnung von den dahinterstehenden Konzepten hatte. Ich hätte ja noch nicht einmal erwartet, dass sie sich mit digitalen Kommunikationsprotokollen wie HTTP oder gar TCP/IP auskennt. Mit denen hatte ich mich damals auch noch nicht näher beschäftigt. Aber die üblichen Methoden wie Javascript sollten einem doch zumindest dem Namen nach geläufig sein, wenn man die Absicht hat, auf dieser Grundlage eine berufliche Selbständigkeit anzustreben.

Als ich diese Teilnehmerin später nach ihrer eigenen Website fragte, antwortete sie, dass sie selbst noch gar keine hätte.
Ich verzichtete darauf, sie nach relevanten Kompetenzen und fachlichen Erfahrungen zu fragen. Die Pause war mittlerweile ohnehin zu Ende.

Ja, seltsam, wie das menschliche Gehirn arbeitet. Diese Geschichte hatte ich seit Jahren vergessen, aber als ich neulich irgendwo las, dass eine Frau gegen Entgelt Hilfestellung bei der Webseiten-Erstellung geben würde, fiel es mir wieder ein.
Dabei war der eigentlich Clou dabei wieder einmal, dass das Erlebnis eigentlich symptomatisch dafür war, dass ich überhaupt nicht zu Frauen passe, sondern ein Außenseiter, fast ein Fremdkörper bin, und ganz anders denke. Inzwischen ist mir diese Erkenntnis nicht mehr neu, aber damals war mir das noch längst nicht bewusst. Irgendwie spürte ich schon, dass ich anders war, konnte aber den Finger nicht darauf legen, was mich konkret so von den anderen unterschied.
Im männlich geprägten Umfeld hatte ich niemals den Eindruck, ich würde nicht dazugehören. Ob im Hörsaal oder auf beruflichen Veranstaltungen, da befand ich mich viel eher unter Gleichgesinnten auf Augenhöhe, und meine Anwesenheit war stets willkommen. In meinem Studium blühte ich in der Gesellschaft von Männern dadurch erst richtig auf.

Break. Im Entwurf dieses Textes ging es dann noch weiter mit anderen Schwerpunkten, fast ein anderes Thema, das nur teilweise mit dem obigen Inhalt in Zusammenhang steht. Da der folgende Teil vom Umfang her ebenfalls für einen eigenständigen Post ausreicht, habe ich ihn aufgesplittet. Dieser Rest folgt ohne Eile irgendwann demnächst.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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11 Antworten zu Im Gründerinnenseminar //2877

  1. keloph schreibt:

    mir gehts grad umgekehrt.

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  2. blindfoldedwoman schreibt:

    Warum sollte das typisch für Frauen sein? Da stehen sich wohl beide Geschlechter in nichts nach.

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  3. pirx1 schreibt:

    Männliche Referenten in einem Seminar für Existenzgründerinnen (und – weil es den Initiateusen des Seminars gerade so gefiel – dieses Mal Gründerinnen ganz ohne BinnenI! Ist das überhaupt rechtmäßig? ich dachte wir wollten alle „Geschlechtergerechtigkeit“ – was auch immer das sein mag, jedenfalls aber doch wohl nicht, was ein Lobbyist für Existenzgründer mit zufällig weiblichen Geschlechtsmerkmalen darunter versteht?!)?

    Mein Gott, ich bin entsetzt.

    Und noch entsetzter bin ich, dass eine sog. KI mir mittlerweile per Smiley eine Beurteilung zu von mir editierten Texten aufdrängen will, ebenso wie (heute morgen erst entdeckt), dass Mac OS den Benutzerordner im Filesystem meiner Rechner mittlerweile tatsächlich „Benutzer:innen“ nennt.

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  4. Plietsche Jung schreibt:

    „Hauptsache, irgendwas mit Medien.“
    So ähnlich denkt diese „Webdesignerin“ wohl auch. Vielleicht holt sie sich erstmal besser ein Buch mit Übungen dazu.

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