Ein zerrissener Lebensfaden //2872

Natascha ist tot.
Fragt mich nicht nach den Umständen. Ich weiß auch nicht viel mehr, und das bisschen, was ich erfahren habe, werde ich nicht öffentlich ausplaudern.
Welche Auswirkungen das für Elias hat, ist – zumindest nach meinem aktuellen Kenntnisstand – ebenfalls noch völlig offen.

Der Tod eines Menschen ist für Angehörige und nahestehende Menschen immer ein Verlust.
Ich kannte Natascha kaum, habe sie nur wenige Male getroffen und mochte sie, ehrlich gesagt, eigentlich nicht.
Nach meiner Einschätzung war ihr Tod für sie selbst eine Erlösung, und für ihre Eltern, die sie in den vergangenen zwei Jahren pflegen mussten, sicherlich auch eine Erleichterung, selbst wenn sie sich dessen vielleicht noch gar nicht bewusst sind.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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14 Antworten zu Ein zerrissener Lebensfaden //2872

  1. Plietsche Jung schreibt:

    Eine Erlösung. Die Trauer und der Verlust sind groß, aber ein teilnahmsloses Leben im Rollstuhl wäre für mich nicht lebenswert.

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  2. pirx1 schreibt:

    Über den „Wert von Leben“ kann (und darf) immer nur einer entscheiden: Der Betroffene.

    Allein er darf seine Entscheidung und sein Empfinden (zum Beispiel unter dem Eindruck einer neuen Lebenssituation) jederzeit ändern.

    Sicherzustellen, dass er von jedem Druck und Repressalien frei bleibt (und sei es nur ein hinter vorgehaltener Hand getuscheltes: „Das ist doch kein Leben mehr …“) ist oberste gesellschaftliche Aufgabe.

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    • Plietsche Jung schreibt:

      Ich denke, Anne und ich haben uns nur in ihre Situation versetzt und für uns entschieden, dass das Leben in diesem Zustand für uns nicht lebenswert wäre/ist/war.
      Die verstorbene Person ist und war nie betroffen. Niemand hat ihre persönliche Position diskreditiert oder eine Entscheidung getroffen.

      Für mich ist das übrigens ein Stück freie Meinungsäußerung, zu sagen, was man zu sagen hat.

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      • pirx1 schreibt:

        Ich unterstelle keine bösen Absichten, ich will nur einen Denkanstoß geben und stimme insoweit zu: Freie Meinungsäußerung ist Grundrecht, genauso wie es wünschenswert ist, dass man sich über mögliche Konsequenzen der eigenen freien Meinungsäußerung im Klaren ist.

        Aber es ist doch so: Jede Meinungsäußerung ist auch ein kleines Stückchen gesellschaftliche Wirklichkeit. „Ich möchte kein Kind mit Trisomie betreuen müssen.“, „Ich möchte nicht an Schläuchen sein.“, „Ein Leben mit ständigem Betreuungsbedarf ist für mich nicht lebenswert.“ … . Gesamtgsellschaftliche Meinungsrealitäten entstehen aus Einzelstatements.

        Ich finde es persönlich gerade aus meiner professionellen Warte heraus immer wieder sehr schwierig, mich aus einer sicheren Position in mögliche Extremsituationen hineinzuversetzen, beträfen sie nun andere oder mich selbst. Das halte ich auch für ein wohl nicht zu leugnendes Manko von Patientenverfügungen. Sage ich heute mit hypothetischer Bestimmtheit, dass ich „so nicht leben will“, kann ich dann damit wirklich sicher sagen, wie ich in jeder tatsächlichen Situation fühle?

        Was mag ein 80jähriger, ein Rollstuhlfahrer, ein tatsächlich Betroffener, tatsächlich fühlen, wenn er das liest?

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        • Plietsche Jung schreibt:

          Nun, jedem steht es frei, sich darüber das Hirn zu martern.

          Patientenverfügungen werden üblicherweise dann unterschrieben, wenn man noch klar im Kopf ist und somit ist es zu respektieren, was dort steht.

          Ich habe meine Mutter 2,5 Jahre im Pflegeheim begleitet und ich kann dir nur bestätigen, dass die meisten dort sehr genau wissen, dass es der Endspurt ihres Lebens ist. Dass Hirn und Körper zusammen noch gut funktionieren, ist eine deutliche Ausnahme. Entweder wird jede Geschichte fünfmal erzählt oder der Körper schmerzt an jeder Ecke, weil er einfach nach 80 Jahren kaputt ist. Die meisten Heimbewohner geben sich irgendwann auf und wollen auch nicht mehr kämpfen. Wofür auch?

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          • pirx1 schreibt:

            Ich glaube, jeder MUSS sich irgendwann ganz zwangsläufig darüber das Hirn zermatern, weil wir alle sterblich sind. Man kann die Antwort zwar lange mit einem pauschalen „Dat wollt´ und tät´ isch ewer nit!“ (wobei „Dat“ möglichst unbestimmt bleibt) vor sich herschieben, aber ausweichen kann man ihr letztlich nicht.

            Ich wollte auch nicht ausdrücken, dass Patientenverfügungen nicht zu respektieren sind, im Gegenteil: Der eigene Wille zählt und das ist Ausdruck davon. Nur kann dieser Wille in unterschiedlichen Situation auch ganz unterschiedlich sein.

            Aus meiner Beobachtung wird der Moment des Aufgebens zu sehr individuell unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht, manchmal im schweren Kampf, manchmal sehr friedlich und im Reinen mit sich selbst. Erstaunlicherweise signalisieren die Betroffenen das immer sehr genau. Es sind eher die Anghörigen und Dritte mit ihren (oft unerwünschten und unpassenden) Meinungsbeiträgen, die für Probleme sorgen.

            „Wofür auch?“ höre ich öfter, wenn jemand 80 ist (und selbst da nicht immer, mag daran liegen, dass ich nicht eine selektierte Auswahl von Pflegeheimbewohnern erlebe, so schön ist es da nicht), junge Menschen stellen sich diese Frage sehr viel seltener.

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            • Plietsche Jung schreibt:

              Natürlich ist jeder für seine eigene Patientenverfügung verantwortlich. Ihn jedem Alter sogar.

              Als Handlungsbevollmächtigter und mit einer Patientenverfügung ausgestattet, war ich mit meinen Geschwistern daran gebunden als meine Mutter im Sterben lag. Diskussionen gab es nicht, nur gemeinsames Verständnis und Entscheidungen. Aber selbst ohne diese Regeln wäre es ebenso gelaufen.

              Ich sehe ein, dass es bei jungen Menschen andere Sichtweisen gibt und bin froh, nicht entscheiden zu müssen.

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      • Marmor schreibt:

        Pirx muß doch immer wieder betonen, daß er moralisch weit über uns anderen steht.
        Dafür baut er Strohmänner mit Begriffen, von denen nie die Rede war. Das ist nicht neu.

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    • blindfoldedwoman schreibt:

      Ich beschäftige mich zwangsläufig häufiger mit dem Thema.
      Besonders verwundert bin ich immer über die Aussagen, ich sei so tapfer, stark, bewundernswert, positiv…
      Damit kann ich nur nichts anfangen, weil vieles einfach selbstverständlich ist.
      Natürlich gibt es so richtig schlimme Tage. („So wollte ich nicht leben.“) Aber eben auch schöne Stunden, Minuten, Augenblicke.
      Was wohl viele abschreckt, dazu gehöre ich auch, ist die Abhängigkeit von anderen. Zu geben ist eine Sache, annehmen etwas ganz anderes.
      Was aber überhaupt nicht sein darf, da gebe ich Dir recht, ist es, den Wert eines Lebens beurteilen zu wollen. Auch nicht mit dem rhetorischen Kniff, anzunehmen, man selbst wäre betroffen.

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      • pirx1 schreibt:

        Das ist ein wichtiger Punkt: Warum fürchten wir alle Abhängigkeit so sehr und können die Hilfe anderer schwer annehmen?

        Zunächst natürlich, weil wir damit in unserer Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Einiges davon ist sicher Ergebnis unserer ach so beliebten Kommunikationshürden. Der bereitwilligst und gerne Helfende tut nicht genau das, was man selbst täte, aber man will ihn auch nicht vor den Kopf stoßen, womöglich verstünde er ja Änderungswünsche als Beleidigung oder sogar als Kritik? Also schweigt der „Abhängige“ lieber, während der Helfende womöglich nur seine Unsicherheit und Hilflosigkeit beim tatsächlichen Eingehen auf den Hilfbedürftigen krampfhaft zu verbergen sucht.

        Dann aber auch, weil Hilfe anzunehmen und zu geben offenbar sehr weit von unserem normalen Alltagsleben entfernt ist. Hilfe ist unfassbar ritualisiert. Das beginnt schon mit dem süßlichen Säuselton, mit dem so manche Krankenschwester ein Krankenzimmer betritt. Oft unerträglich, weil er doch selten meine eigene Laune oder die von Patienten trifft.

        Momente, in denen ich mit Patienten wirklich rede, lebe, tatsächlich Kontakt habe sind ganz andere. Das sind keine Kontakte, in denen es um Krankheit geht, sondern in denen mein Gegenüber von sich erzählt, mich anfrotzelt (und mich zurückfrotzeln lässt), mir Lehren erteilt, mich staunen macht, mir auf gleicher Ebene begegnet oder emotional oder kognitiv weit über mir steht, mich mit seinen Launen überfällt, mich ehrfürchtig macht, in denen ich ihn bewundern oder umarmen kann, mir sagt, was er gerade lernt und fühlt und mich daran teilhaben lässt und mich mit ihm lernen lässt. Diese Momente sind selten genug. Aber sie sind schön und würdevoll für beide von uns. Für den Patienten, weil er als Person wahrgenommen wird, für mich, weil ich ihn wahrnehmen darf.

        Wenn wir glauben, wir müssten Kranken oder vermeintlich Schwachen einen Wert zuweisen, ihnen – und sei es verklausuliert – bevormundend erklären, was „man macht“ und „wie und wann man leben / nicht leben sollte“, weil man das selbst gerade so meint, dann stülpt man anderen Menschen die eigene Meinung über und spricht ihnen ihre Würde ab. Und das ist frech und falsch.

        Ich verliere meine Würde nicht, weil ich im Rollstuhl sitze, weil mich ein anderer Mensch anzieht, bettet, trockenlegt oder mir den Speichel aus dem Mundwinkel abwischt. Ich verliere meine Würde auch nicht, weil ein anderer Mensch sich ein anmaßendes Urteil über mich erlaubt. Ich verliere meine Würde, wenn ich diesem Menschen zugestünde, dass er das tun dürfte.

        So lange ich lebe darf das niemand!

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