breakplaining zum Äquinoktium: Kepler //2867

Am Perihel im Januar habe ich es verpasst, und bis zum nächsten Aphel Anfang Juli will ich nicht warten. Also nutze ich den Frühlingsbeginn (heute um 22:24 UTC+1 ist Tag-und-Nacht-Gleiche), um ein wenig über die Kepler’schen Gesetze zu breakplainen, obwohl Tag-und-Nacht-Gleiche als Folge der Rotation unabhängig von der irdischen Revolution ist. Aber immerhin ist es ein astronomisch bemerkenswerter Zeitpunkt.
Die klassische Herleitung (bei der einige Näherungen benutzt und Vereinfachungen angenommen werden) beruht auf der Erhaltung von Energie und Drehimpuls. Ich werde das gar nicht alles im Einzelnen vorrechnen, sondern will versuchen, die Idee zu vermitteln, wie der Rechenweg funktioniert.

Ich werde u.a. die folgenden Abkürzungen benutzen: M für die Masse des Zentralkörpers, m für die Masse des umlaufenden Körpers (wobei M >> m angenommen wird, wodurch das heliozentrische Bezugssystem näherungsweise dem CMS entspricht), r für ihren Abstand voneinander, v für die Bahngeschwindigkeit des umlaufenden Körpers, phi für den Winkel in Polarkoordinaten, G für die Gravitationskonstante.
Um die Darstellung auf ASCII-Zeichen beschränken zu können, breche ich mal wieder mit Konventionen und benutze gestrichene Größen ' als Ableitung nach der Zeit d/dt. [Normalerweise steht ' für d/dx, also die Ableitung nach dem Ort, während d/dt durch einen übergestellten Punkt abgekürzt wird. Letzteres geht aber nicht mit ASCII.]

Energieerhaltung bedeutet, dass die Summe aus kinetischer Energie Ekin = m*v^2/2 und potentieller Energie Epot = -G*M*m/r konstant bleibt. Wir schreiben nun die kinetische Energie in Abhängigkeit von den Polarkoordianten um: Ekin = m*(r’^2+r^2*phi’^2)/2.
Die Erhaltung des Drehimpulses sorgt dafür, dass die Bewegung in einer Ebene stattfindet. Der Drehimpuls L ist mit der Winkelgeschwindigkeit omega L = m*r^2*omega = m*r^2*phi‘.
Mit Hilfe von r‘ = dr/dt = (dr/dphi)(dphi/dt) = dr/dphi * phi‘ lässt sich die Zeitabhängigkeit in der Energiegleichung E = Ekin+Epot eliminieren. Man erhält durch Einsetzen von phi‘ = L/m/r^2 und kurzem Umformen die Differenzialgleichung (dr/dphi)^2 = 2*m*r^4/L^2*(E – L^2/m/r^2/2 + G*M*m/r) (sofern ich mich nicht vertippt habe).
Zur Lösung machen wir den Ansatz r(phi) = p/(1 + epsilon*cos(phi)). Dabei sind p und epsilon passend zu wählende Konstanten. Wenn man den Ansatz ableitet und passend in die Differentialgleichung einsetzt, kann man p und epsilon durch Koeffizientenvergleich erhalten. Das erspare ich uns hier. r(phi) stellt eine Ellipse dar (auch diesen Beweis erspare ich uns, kann jeder selbst nachrechnen) mit dem schweren Körper in einem Brennpunkt. Für die Exzentrizität epsilon = 0 erhielten wir einen perfekten Kreis mit Radius p.
Damit wäre das 1. Kepler’sche Gesetz (innerhalb seines Gültigkeitsbereiches) bewiesen.

Für das 2. Kepler’sche betrachtet man den Drehimpuls. Der Fahrstrahl (also die Verbindungslinie zwischen dem umlaufenden Körper und dem Zentralkörper) überstreicht in einer infinitesimalen Zeit dt die Fläche dF = 0.5 * r * v dt = 0.5 * L/m dt. Da L konstant ist, sind auch die vom Fahrstrahl überstrichenen Flächen gleich (was aufgrund der Exzentrizität dann die Folge hat, dass auf der terranischen Nordhalbkugel das Sommerhalbjahr etwas länger ist als das Winterhalbjahr).

Das 3. Kepler’sche Gesetz bezieht sich auf mehrere Körper, die sich um den gleichen Zentralkörper bewegen. Es besagt, dass in solchen Systemen T^2/a^3 für jeden der Körper gleich ist. Dabei ist T seine Umlaufzeit und a seine große Bahnachse (a = r(180°) = p/(1-epsilon)). Wie man durch Nachrechnen finden kann, hängt der Proportionalitätsfaktor zwischen T^2 und a^3 nur noch von der Zentralmasse ab.
Der Zusammenhang ist plausibel (und gilt im Prinzip auch für die Coulombkraft), wenn man sich den Newton’sche Kraftansatz m*r“ = G*m*M/r^2 vergegenwärtigt. Hier kommt der Abstand in dritter Potenz und die Zeit in zweiter Potenz vor.

Wie gesagt, all diese Betrachtungen gelten nur für den klassischen Fall und ohne Störung durch andere Kräfte. Es wurde angenommen, dass die zentrale Masse sehr viel größer ist als die Masse des umlaufenden Körpers. Relativistische Effekte sind nicht berücksichtigt. Dabei sind diese in unserem Sonnensystem beim Merkur durchaus bemerkbar. Dieser befindet sich so nah an der Sonne, dass seine Bahnbewegung von der Ellipse abweicht.
Erwähnen möchte ich außerdem noch, dass eine entsprechende analytische Rechnung für die Dynamik von drei oder gar mehr Körpern nicht exakt lösbar ist. Dafür gibt es höchstens Näherungen für einige Spezialfälle, sonst kann es im Allgemeinen zu chaotischem Verhalten kommen.

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Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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8 Antworten zu breakplaining zum Äquinoktium: Kepler //2867

  1. Plietsche Jung schreibt:

    wzbw 🙂

    Wie sieht es nun aus, wenn der innere flüssige Kern der Erde langsamer wird ?
    The Core beschäftigt sich aus effekthascheristischen Ansätzen als Unterhaltungsfilm mit dieser Annahme.

    Gefällt 1 Person

  2. Pingback: Berührungsloser Abschied //2871 | breakpoint

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