Leider ist abzusehen, dass Herr Kleiter doch noch länger ausfällt. Seine Aufgaben können aber nicht noch länger nur mit den vorhandenen Resourcen erledigt werden. Uns blieb nichts anderes übrig, als bei einer Zeitarbeitsagentur nach einer Vertretung anzufragen. Zwar sollte die Vertretung keine vertraulichen, firmen-internen Angelegenheiten erfahren und auch keine wichtigen Entscheidungen treffen, noch mit Geschäftspartner verhandeln. Aber es gibt noch genug zu tun, was sich nach und nach angehäuft hat: irgendwelche formalen Dokumente ausfüllen und anderer geeigneter Schreibkram. Da ist insbesondere bei den fachlichen Vertretern von Herrn Kleiter einiges liegengeblieben, was nicht ganz so hohe Priorität hatte, aber inzwischen muss es halt doch endlich erledigt werden.
Wenn man sich an einen Personaldienstleister zwecks vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung wendet, hat man keine große Auswahl. Man muss nehmen, was da ist.
Uns so stand eines Morgens Frau Pratze unten beim Pförtner, ziemlich aufgetakelt, leutselig und mit schriller Stimme. Der Pförtner gab der Geschäftsleitung Bescheid.
Da die Chefin bereits einen anderen Termin hatte, fand sich Frau Pratze nicht viel später im Chefzimmer dem Geschäftsführer, seinem Assistenten und einer Person aus der Buchhaltung gegenüber (drei Personen zur Begrüßung und Einweisung einer temporären Arbeitskraft ist ohnehin reichlich – da wäre die Chefin erst recht überflüssig gewesen, zumal sie praktisch kaum etwas mit den kaufmännischen Tätigkeiten zu tun hat).
Man kam überein, dass Werner (in Absprache mit den nicht-technischen Abteilungen) ihr ihre Aufgaben zuweisen wird. Bis auf Weiteres ist sie ihm direkt unterstellt.
Der Chef erzählte mir später, dass Frau Pratze am Anfang, als er wenige Minuten allein mit ihr gewesen war, bevor die anderen kamen, versucht hätte, mit ihm anzubandeln. Er wird sich in Zukunft keinesfalls allein mit ihr in einem Raum aufhalten. Ich soll mich bereithalten, ggf. kurzfristig dazuzutreffen.
Da sie nur wenige Wochen hier tätig sein wird, werden wir die Zeit schon noch herumkriegen, zumal es überhaupt keine Veranlassung gibt, dass sie noch einmal mit dem Geschäftsführer persönlich spricht.
Als ich den Text soweit geschrieben hatte, sah ich keine Notwendigkeit, ihn zeitnah zu veröffentlichen. Sonst hätte ich den folgenden in einen zusätzlichen Eintrag auslagern, und nur auf den ursprünglichen Teil verlinkt.
Ich habe erwogen, den Text trotzdem aufzusplitten, mich aber dagegen entschieden.
Nach einer guten Woche (in der ihre Arbeitsergebnisse in Ordnung, aber auch nicht überragend waren) verlangte sie einen Gesprächstermin beim Geschäftsführer, um die „Arbeitsorganisation“ zu besprechen. Dieser verwies sie zuerst auf Werner, der ihr direkt vorgesetzt ist. Aber das genügte Madame nicht. Sie beharrte darauf, mit der Geschäftsleitung persönlich sprechen zu müssen.
Also bekam sie einen Termin zwei Tage später.
Als Frau Pratze das Chefzimmer betrat, war sie sichtlich irritiert.
„Wo ist Herr Klugsch? Ich habe einen Termin bei ihm“, rief sie ziemlich schroff, wobei ich ungewollt Einblick in den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse nehmen musste.
„Guten Morgen erst mal, Frau Pratze“, erwiderte ich sanft, „Sie haben einen Termin bei der Geschäftsleitung. Da Herr Klugsch gerade anderweitig beschäftigt ist, und Herr Kleiter noch krankgeschrieben, müssen Sie sich schon mit mir – ich bin Frau Dr. Nühm – zufriedengeben. Um was geht es denn genau? Sie nannten die Arbeitsorganisation?“
Es hätte mich wirklich überrascht, wenn jetzt etwas Substanzielles gekommen wäre. Entsprechend dauerte das Gespräch auch nur kurz, in dem sie halt etwas vor sich hinfaselte. Da waren ja die Vorschläge von Frau Hilflo-Seerbin noch konkreter. Ein Schelm, wer auf die Idee käme, die Arbeitsorganisation wäre nur ein Vorwand gewesen.
Gut, dass Herr Kleiter bald wieder da ist, wenn auch vorläufig lediglich Teilzeit. Frau Pratze wird noch ein paar Abschlussarbeiten ausführen, und dann tschüss!
Vorschlag fürs Arbeitszeugnis:
Frau Pratze ist stets zu allen Anlässen korrekt gekleidet und besticht durch ihr zielstrebiges Auftreten.
Aber Profis aus dem Personalwesen kriegen das vermutlich noch besser hin.
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Da sie Leiharbeiterin ist, brauchen wir ihr kein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen. Sonst würden wir wohl ihr bemerkenswert initiatives Verhalten gegenüber Vorgesetzten hervorheben.
Der Agentur werden wir aber adäquate Rückmeldung geben.
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ich verstehe solche mensche nicht.
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Verstehen kann ich das durchaus, gutheißen oder dulden dagegen nicht.
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Der Grat zwischen „Metze“ und „attraktiv, weiblich“ scheint ziemlich schmal zu sein, zumal im Urteil von Geschlechtsgenossinen.
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Jede für sich eine kleine Bienenkönigin.
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Man kann es ja mal versuchen. Vielleicht war es ja Liebe auf den ersten Blick! 🥰
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„Er wird sich in Zukunft keinesfalls allein mit ihr in einem Raum aufhalten.“ Ist das wirklich in Deutschland schon notwendig?
Man kennt es ja aus den USA, nur geht es dort um hohe Summen, während sich das bei uns nicht lohnt.
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Besser auf Nummer sicher gehen. So etwas kann enormen Ärger bringen. Im Zweifel ist also Vorsicht angeraten.
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„Frau Pratze“ – herrlich.
An den Pseudo-Namen, die du vergibst, kann man gleich den Sympathie-Grad erkennen. 😂
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https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pratze
So ganz nachvollziehen kann ich den Namen eher nicht.
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Pratze = Schlagpolster – das passt doch. 👊
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Bratze ist wohl gemeint.
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Nee, als „Bratzen“ bezeichnet man liebevoll die Sprösslinge von anderen Leuten. 😉
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Bratze: 1] veraltet oder noch landschaftlich: Vorderpfote eines Tieres oder unförmige Hand eines Menschen. [2] umgangssprachlich, abwertend, Schimpfwort: eine unattraktive Person, meist eine Frau. Sinnverwandte Wörter: [1] Tatze.
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Interpretiert da nicht zu viel rein.
Ich glaube, die genaue Bedeutung variiert auch regional. Meine Assoziation (wenn auch nur sehr vage) war eine unsympathische Person mit unangenehmem Verhalten.
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Ich hab in meinem Umfeld noch ganz andere Vögel erleben dürfen. Das hier ist noch harmlos.
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Solche aufdringlichen „Damen“ können Männern das Leben ganz schön schwer machen.
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Und es gibt Männer, die fallen auf die Venusfalle herein. Das kann bitter enden.
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Grauenhaft! Der weiblichen Willkür schutzlos ausgelieferte Hormonwesen! Zombie statt Individuum! Manche Männer heiraten sogar und kaufen Blumenläden leer – nur weil das Blut im Gemächt, statt im Gehirn (so denn bei einer Drohne überhaupt nötig) zirkuliert.
War denn der Chef auch so schwer psychisch angeschlagen ob dieses Überfalls – oder nur köstlich amüsiert?
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Der Chef will einfach seine Ruhe haben und nicht mit solchen unerwünschten Avancen belästigt werden.
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Das geht wohl der Mehrheit der Menschen (Frauen eingeschlossen) so.
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Ja, und viele Jahre später kann es der Frau, die ihre Vorteile daraus gezogen hat, noch einfallen, #metoo zu aufzukreischen.
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Was ist eigentlich aus Frau Hilflo-Seerbin geworden?
Kommt sie noch ins Büro?
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Die kriegt jeden Monat eine Zahlung, aber hält sich seither von der Firma fern. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, weiß auch nichts Neues.
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