Randomisierte Bezierlinien //2858

Leider ist abzusehen, dass Herr Kleiter doch noch länger ausfällt. Seine Aufgaben können aber nicht noch länger nur mit den vorhandenen Resourcen erledigt werden. Uns blieb nichts anderes übrig, als bei einer Zeitarbeitsagentur nach einer Vertretung anzufragen. Zwar sollte die Vertretung keine vertraulichen, firmen-internen Angelegenheiten erfahren und auch keine wichtigen Entscheidungen treffen, noch mit Geschäftspartner verhandeln. Aber es gibt noch genug zu tun, was sich nach und nach angehäuft hat: irgendwelche formalen Dokumente ausfüllen und anderer geeigneter Schreibkram. Da ist insbesondere bei den fachlichen Vertretern von Herrn Kleiter einiges liegengeblieben, was nicht ganz so hohe Priorität hatte, aber inzwischen muss es halt doch endlich erledigt werden.
Wenn man sich an einen Personaldienstleister zwecks vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung wendet, hat man keine große Auswahl. Man muss nehmen, was da ist.

Uns so stand eines Morgens Frau Pratze unten beim Pförtner, ziemlich aufgetakelt, leutselig und mit schriller Stimme. Der Pförtner gab der Geschäftsleitung Bescheid.
Da die Chefin bereits einen anderen Termin hatte, fand sich Frau Pratze nicht viel später im Chefzimmer dem Geschäftsführer, seinem Assistenten und einer Person aus der Buchhaltung gegenüber (drei Personen zur Begrüßung und Einweisung einer temporären Arbeitskraft ist ohnehin reichlich – da wäre die Chefin erst recht überflüssig gewesen, zumal sie praktisch kaum etwas mit den kaufmännischen Tätigkeiten zu tun hat).
Man kam überein, dass Werner (in Absprache mit den nicht-technischen Abteilungen) ihr ihre Aufgaben zuweisen wird. Bis auf Weiteres ist sie ihm direkt unterstellt.

Der Chef erzählte mir später, dass Frau Pratze am Anfang, als er wenige Minuten allein mit ihr gewesen war, bevor die anderen kamen, versucht hätte, mit ihm anzubandeln. Er wird sich in Zukunft keinesfalls allein mit ihr in einem Raum aufhalten. Ich soll mich bereithalten, ggf. kurzfristig dazuzutreffen.
Da sie nur wenige Wochen hier tätig sein wird, werden wir die Zeit schon noch herumkriegen, zumal es überhaupt keine Veranlassung gibt, dass sie noch einmal mit dem Geschäftsführer persönlich spricht.

Als ich den Text soweit geschrieben hatte, sah ich keine Notwendigkeit, ihn zeitnah zu veröffentlichen. Sonst hätte ich den folgenden in einen zusätzlichen Eintrag auslagern, und nur auf den ursprünglichen Teil verlinkt.
Ich habe erwogen, den Text trotzdem aufzusplitten, mich aber dagegen entschieden.

Nach einer guten Woche (in der ihre Arbeitsergebnisse in Ordnung, aber auch nicht überragend waren) verlangte sie einen Gesprächstermin beim Geschäftsführer, um die „Arbeitsorganisation“ zu besprechen. Dieser verwies sie zuerst auf Werner, der ihr direkt vorgesetzt ist. Aber das genügte Madame nicht. Sie beharrte darauf, mit der Geschäftsleitung persönlich sprechen zu müssen.
Also bekam sie einen Termin zwei Tage später.

Als Frau Pratze das Chefzimmer betrat, war sie sichtlich irritiert.
„Wo ist Herr Klugsch? Ich habe einen Termin bei ihm“, rief sie ziemlich schroff, wobei ich ungewollt Einblick in den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse nehmen musste.
„Guten Morgen erst mal, Frau Pratze“, erwiderte ich sanft, „Sie haben einen Termin bei der Geschäftsleitung. Da Herr Klugsch gerade anderweitig beschäftigt ist, und Herr Kleiter noch krankgeschrieben, müssen Sie sich schon mit mir – ich bin Frau Dr. Nühm – zufriedengeben. Um was geht es denn genau? Sie nannten die Arbeitsorganisation?“
Es hätte mich wirklich überrascht, wenn jetzt etwas Substanzielles gekommen wäre. Entsprechend dauerte das Gespräch auch nur kurz, in dem sie halt etwas vor sich hinfaselte. Da waren ja die Vorschläge von Frau Hilflo-Seerbin noch konkreter. Ein Schelm, wer auf die Idee käme, die Arbeitsorganisation wäre nur ein Vorwand gewesen.

Gut, dass Herr Kleiter bald wieder da ist, wenn auch vorläufig lediglich Teilzeit. Frau Pratze wird noch ein paar Abschlussarbeiten ausführen, und dann tschüss!

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Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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25 Antworten zu Randomisierte Bezierlinien //2858

  1. Ochmonek schreibt:

    Vorschlag fürs Arbeitszeugnis:

    Frau Pratze ist stets zu allen Anlässen korrekt gekleidet und besticht durch ihr zielstrebiges Auftreten.

    Aber Profis aus dem Personalwesen kriegen das vermutlich noch besser hin.

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  2. keloph schreibt:

    ich verstehe solche mensche nicht.

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  3. pirx1 schreibt:

    Der Grat zwischen „Metze“ und „attraktiv, weiblich“ scheint ziemlich schmal zu sein, zumal im Urteil von Geschlechtsgenossinen.

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  4. blindfoldedwoman schreibt:

    Man kann es ja mal versuchen. Vielleicht war es ja Liebe auf den ersten Blick! 🥰

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  5. blindfoldedwoman schreibt:

    „Er wird sich in Zukunft keinesfalls allein mit ihr in einem Raum aufhalten.“ Ist das wirklich in Deutschland schon notwendig?
    Man kennt es ja aus den USA, nur geht es dort um hohe Summen, während sich das bei uns nicht lohnt.

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  6. Mia schreibt:

    „Frau Pratze“ – herrlich.
    An den Pseudo-Namen, die du vergibst, kann man gleich den Sympathie-Grad erkennen. 😂

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  7. Plietsche Jung schreibt:

    Ich hab in meinem Umfeld noch ganz andere Vögel erleben dürfen. Das hier ist noch harmlos.

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  8. blindfoldedwoman schreibt:

    Was ist eigentlich aus Frau Hilflo-Seerbin geworden?
    Kommt sie noch ins Büro?

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