Beratung vom Fach //2685

Die Behandlung, die Johannes neulich von der Vertreterin des Kinderarztes bekommen hatte, fand ich unangemessen und das Verhalten dieser Kinderärztin unprofessionell.
Ich habe ja selbst lange (auch) als Beraterin gearbeitet. Zwar kann man das inhaltlich nur bedingt vergleichen, was den Umgang mit Kunden (bzw. Patienten, Mandanten, Klienten, ..) angeht, allerdings schon.

Arbeit „mit Menschen“ ist nicht so mein Fall. Deshalb habe ich die Beratungstätigkeit auch nur so nebenbei ausgeübt. Ich hätte das deutlich ausweiten können, wenn ich gewollt hätte. Die Nachfrage war da. Und mit Beratung kann man richtig dicke Geld machen.
Aber so beschränkte ich meinen Tätigkeitsradius für persönliche Vor-Ort-Beratung auf die hiesige Region, so dass ich deshalb nicht auswärts übernachten musste.
Gute Berater in dieser Spezialthematik sind rar. Die Kunden wollten etwas von mir, und waren froh, wenn ich mich bereit erklärte, sie ausführlich gegen ein üppiges Honorar zu beraten.
Freilich gab es da auch mal hin und wieder dumme Fragen. Aber da muss man einfach souverän und freundlich bleiben. Die meisten Fragen waren durchaus sinnvoll und zielführend (liegt vermutlich auch daran, dass die Beratungskunden fast alle einen technischen Background hatten). Vieles konnte ich aus dem Stegreif beantworten, einiges aber auch nicht sofort (schließlich kann ich bei einer mehrere tausend Seiten umfassenden Dokumentation, die sich überdies auch immer wieder ändert) nicht alle Feinheiten und Details im Kopf haben). In letzterem Fall notierte ich mir die Frage, versprach, die Angelegenheit später zu recherchieren (Teil meiner Expertise ist es, zu wissen, wo genau ich nachschauen muss), und mich dann wieder deswegen zu melden (was ich selbstverständlich auch eingehalten habe).

Normalerweise nimmt man eine Beratung in Anspruch, wenn einem selbst das Spezialwissen fehlt. Niemand kennt sich in jedem Bereich mit allen Einzelheiten aus. Also sucht man professionelle Unterstützung. Außer Ärzten und IT-Beratern sind Rechts- oder Anlageberater weitere Beispiele.
Ein Berater ist auf dem neuesten Stand (oder sollte es zumindest sein) in seinem Fachgebiet, egal ob es um wissenschaftliche, technische, rechtliche oder was auch immer Belange geht.
Einer fundierten Beratung geht ein i.A. Vorgespräch voraus, in dem geklärt wird, was der aktuelle Status quo, und was das zu erreichende Ziel ist. Dabei erfährt der Berater relevante persönliche und vertrauliche Informationen. Auf dieser Grundlage empfiehlt der Berater die Wege, die zum Ziel führen können, und erläutert welche Vor- und Nachteile sie jeweils haben. Die Entscheidung liegt dann beim Kunden (auch wenn so manches Mal ein einziger Weg unausweichlich ist).
Leider sind manche Berater nicht neutral, sondern versuchen, dem Kunden eine Lösung aufzuschwatzen, von der jene selbst zwar Vorteile (z.B. Provisionen) haben, die für den Kunden aber nicht optimal ist, bzw. gar nicht dessen eigener Zielsetzung entspricht. Oder – auch das gibt es – der Berater verfolgt eine eigene (Weltverbesserungs-)Agenda, von der er selbst sogar aufrichtig überzeugt sein kann, die dennoch bei weitem nicht das ist, was der Kunde will oder braucht (dies stimmt ohnehin oft genug nicht überein).

Kompetente Berater erkennt man daran, wie sie mit Rückfragen umgehen, die die eigenen Aussagen in Frage stellen. Insbesondere bei Ärzten habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele damit nicht umgehen können, und dies nicht nur als nachvollziehbare Kritik sondern als persönlichen Angriff werten. Sie sehen sich selbst als praktisch unfehlbar. Jede andere Einschätzung muss folglich falsch sein, und im besten Fall nur ahnungslos, aber möglicherweise auch bösartig gemeint. Während mir Kunden, die bereits ein gewisses Grundwissen hatten, stets willkommen waren, weil man mit diesen auf einem ganz anderen Niveau konstruktiv argumentieren und diskutieren kann, nimmt jener Typus es übel, wenn Kunden sich selbst informiert haben, so dass sie nicht völlig unkundig der Willkür des Beraters ausgesetzt sind, und ihm alles blind glauben müssen.
Ein guter Berater, der auch ein weites Hintergrundwissen und ein tiefgehendes Verständnis für die Thematik hat, kann gelassen genug bleiben, solche Fragen ausführlich zu klären. Seine fundierten Kenntnisse werden den aufgeschlossenen Laien überzeugen. Wer allerdings nur das auswendig wiederkäuen kann, was er irgendwann einmal gelernt hat, sieht sich in der Defensive. Oberflächliche Informationen kann inzwischen jeder googeln.

Berater ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jeder darf sich so nennen. Als Kunde tut man deshalb gut daran, darauf zu achten, welche tatsächliche Qualifikation der in Frage kommende Berater hat, bevor man ihm sein Vertrauen schenkt. Auch Referenzen helfen weiter, oder eine kurze Online-Suche, welchen Ruf der Berater in Fachkreisen hat. Keinesfalls sollte man sich nur auf die Selbstdarstellung verlassen. Viel zu viele Blender sind unterwegs, denen es am theoretischen Fundament oder der praktischen Erfahrung fehlt. Ein unfähiger Berater kann viel Schaden anrichten.

Inzwischen führe ich keine Beratungen mehr durch. Ich habe das Angebot längst von meiner Website genommen. Wenn frühere Kunden sich wieder bei mir melden, habe ich mich in Ausnahmefällen schon selbst darum gekümmert. Normalerweise vermittle ich die Anfrage aber an Sebastian weiter.

Soweit hatte ich den Text bereits letzte Woche fertiggestellt. Dann habe ich wieder einmal – nach langer Zeit – eine Blogparade entdeckt, die zufällig in die gleiche Richtung geht. Da ich mich immer gerne an Blogparaden beteiligt habe, gebe ich hier halt auch noch meine paar Cents dazu.
Das Thema ist die Frage, was einen Coach von einem Mentor unterscheidet. Offenbar gibt es darüber geteilte Meinungen und keine allgemein anerkannte Definition. So werden die Teilnehmer nach ihrer persönlichen, also subjektiven Antwort gefragt. Also mache ich das auch, und antworte so, wie es meinem Sprachgebrauch entspricht.
Und da besteht ein wesentlich größerer Unterschied zwischen Coach und Mentor als zwischen Coach und Berater. Ein Coach ist eine Art Berater, sozusagen eine Untergruppe davon. Der lediglich graduelle Unterschied liegt darin, dass ein Coach sich vor allem auf nur eine Person als Kunden konzentriert (tendenziell eine One-to-One-Beziehung), während ein Berater auch einer Gruppe von Menschen Rede und Antwort stehen können muss. Oder die Gesprächspartner können im Verlauf der Beraterbeziehung wechseln.
Ein Mentor dagegen ist meines Erachtens etwas völlig anderes. Während der Berater (oder meinetwegen Coach) seine Leistungen gegen Entgelt anbietet und ein Honorar dafür erhält, besteht zwischen Mentor und seiner betreuten Person kein kommerzielles Verhältnis per se. Ein Mentor kann beispielsweise ein erfahrener Kollege sein, der einen Berufsanfänger oder Neuling unterstützt und weiterhilft – als eine Art Tutor. Auch eine einflussreiche Person (vielleicht ein Verwandter, oder ein Freund der Eltern), die ihr Protegé (beruflich) fördert, sehe ich als dessen Mentor. Zwar hat ein Mentor gewöhnlich einen Wissensvorsprung, aber den teilt er, um seinen Schützling zu befähigen, selbst aktiv dieses Wissen anzuwenden (und vielleicht irgendwann weiterzugeben) – nicht nur passiv zu konsumieren, sich fachfremd beraten zu lassen, und im Grunde ein Laie zu bleiben. Das Verhältnis zwischen Mentor und Mentee entspricht eher dem zwischen Meister und Lehrling, oder „Sensei“ und Schüler.
Die Tätigkeit des Mentors wird nicht bezahlt, die des Beraters (sofern nicht ehrenamtlich) hingegen schon. Ein Mentor ist nicht käuflich. Er hat andere Motivationen und Beweggründe – häufig sogar uneigennützig – seinen Schützling voran zu bringen. Beim Berater oder Coach geht es einfach um’s Geschäft, bei dem beide Vertragspartner grundsätzlich ebenbürtig agieren – der Berater hat das Fachwissen, der Ratsuchende ist bereit, dafür zu zahlen. Coaching kann aus einer nur einmaligen Sitzung bestehen, bei der die Vertragsparteien im wechselseitigen Gespräch nach Lösungen suchen. Ein Mentorat ist längerfristig angelegt. Besprechungen finden regelmäßig oder bei Bedarf statt, auch spontan ohne festen Termin. [Ich betrachte(te) mich als Mentor von Lukas, Severin, Leonie, Frau Altsang, und noch ein paar anderen, die ich hier im Blog nicht erwähnt oder ihnen keinen Namen gegeben habe.]
Die Grenzen sind schon etwas fließend, und nicht immer eindeutig. Insgesamt sehe ich beim Mentor kein (direktes) kommerzielles Interesse, während der Berater oder Coach mit seiner Tätigkeit in erster Linie Geld verdienen will, weil das nun mal sein Job ist.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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18 Antworten zu Beratung vom Fach //2685

  1. Mia schreibt:

    Schuster, bleib bei deinen Leisten!
    So wie bspw. ein Landwirt sich nur ungern seine Arbeit von einem Hobby-Gärtner mit Gemüseanbau-Fimmel erklären lässt, so hält ein Arzt nichts von besserwisserisch tuenden Nicht-Medizinern, die ihre eigene Diagnose und Behandlung quasi schon mit in die Sprechstunde bringen und dann ganz entrüstet tun, wenn der Arzt anderer Meinung ist.

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    • idgie13 schreibt:

      Als Bauernhofkind kann ich mit Hobby-Gemüsegärtnern, die wissen, was an Arbeit drin steckt, besser als mit Schlaumeiern aus der Stadt.

      Meine Onkologin fand es gut, dass ich mich vorab über verschiedene Herangehensweisen informiert hatte.
      Ohne meinen eigenen Wunsch, mit der Chemo statt der OP zu beginnen, hätte sie das vermutlich nicht gemacht. Das war zu der Zeit keine gängige Vorgehensweise.

      Es kommt halt immer drauf an, wie man in den Wald rein ruft.

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    • Wenn der Acker dem Hobby-Gärtner gehört, wird dem Landwirt nichts anderes übrigbleiben, als sich dessen Erklärungen zumindest anzuhören. Nur auf seinem eigenen Grund braucht er das nicht. Ob er sich gegen Entgelt vom Hobby-Gärtner beraten lässt, ist seine eigene Entscheidung.

      Genauso darf ein Arzt mit seinem eigenen Körper machen, was er mag. Seine Patienten dagegen haben bei ihrer Behandlung schon noch selbst mitzureden – nennt man informierte Einwilligung. Es ist schon ziemlich naiv, in einem Arzt einen „Halbgott in weiß“ zu sehen, der alles weiß und immer recht hat. Freilich hätten geltungssüchtige Ärzte dieses Image gerne. Es ist aber weit von der Realität entfernt.
      Selbstverständlich bleibt es dir selbst überlassen, ob du völlig vertrauensselig und kritiklos jede noch so wirkungslose oder potentiell schädliche Therapie mitmachst, nur weil es dir dein Arzt so rät.

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    • pirx1 schreibt:

      Das Spektrum der Jecken in der Welt reicht von Professor Brinkmann bis Julius Hackethal und von Menschen, die alles machen, was der Heilpraktiker sagt bis zu Leuten, die sich trotz / ohne Arzt selbst heilen.

      Was selten passt sind Klischees.

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  2. pirx1 schreibt:

    Ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen Coach und Mentor ist vielleicht auch die Ausbildung.

    Von einem Coach erwartet man neben fundiertem Fachwissen auf dem zu coachenden Gebiet (klassisches Beispiel: „Fuppes“) auch eine didaktische Ausbildung und Fachwissen (ob beides dann tatsächlich noch vorhanden ist oder bei der Berufsausübung spürbar wird, steht ja auf einem ganz anderen Blatt).

    Ein klassisches Merkmal eines Mentors ist dagegen der Laiencharakter, dass gerade dieser professionelle didaktische Anspruch fehlt (was die Leistung von Mentoring im Vergleich zu Coaching keinesfalls schmälern muss).

    Insofern ist ein beratender Rechtsanwalt oder ein Steuerberater allein schon von seiner Ausbildung auch kein Coach (selbst wenn Empathie und andernorts erworbene pädagogische und psychologische Fähigkeiten bei der Ausübung seines Berufes durchaus nützlich sein können), was aber viele Menschen nicht davon abhält, die eigene Verantwortung gerne an ihre Berater übertragen zu wollen.

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  3. Plietsche Jung schreibt:

    In der Bank und Sparkasse sind die „Berater“ in Wirklichkeit „Verkäufer“ mit konkreten Verkaufsaufgaben. Mit Beratung hat das nur wenig zu tun. Schon, weil eine Unabhängigkeit fehlt.

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    • Ja, so ist es. Ich hatte oben ja auch geschrieben, dass manche Berater den Kunden etwas aufschwatzen wollen, wovon vor allem der Berater selbst profitiert.
      Nicht nur, aber besonders Versicherungen hatte ich da im Hinterkopf.
      Und dann gibt es natürlich noch das ganze esoterisch-spirituelle Beratungsangebot, das außer den „Beratern“ selbst eigentlich niemand braucht.

      Gefällt 2 Personen

  4. pirx1 schreibt:

    Quizfrage:

    Ein guter Kinderarzt (hier jeweils die gewünschte, zu diffamierende Fachdisziplin einsetzen), ein schlechter Kinderarzt, ein Chirurg und ein Radiologe stehen an den Eckfahnen eines Fußballfeldes. Der Schiedsrichter legt einen 500 EUR Schein (echtes Bargeld, gab es vor der angeblich notwendigen Geldwäscheprophylaxe noch) auf den Anstoßpunkt in der Mitte des Feldes. Auf Pfiff rennen alle los.

    Wer bekommt den Schein?

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