Out of Home Office //2569

Es hatte sich ergeben, dass ich dringend zu Standort 6 musste, und zwar so kurzfristig, dass es am einfachsten war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Carsten war mit dem Auto unterwegs bei einem Geschäftspartner. Eigentlich hatte ich mir gerade diesen Tag freihalten wollen, um ein Online-Event zu besuchen, aber Firmenbelange haben Vorrang.
Die Hinfahrt verlief glatt, so dass es darüber nichts zu erzählen gibt.
Jason ist aktuell in Urlaub, sonst hätte er sich um die Angelegenheit gekümmert. Frau Tussozic sah ich nur kurz. Sie wandte sich aber sofort Johannes zu, versuchte ihn mit irgendwelchen Babywörtern auf sich aufmerksam zu machen. Da er inzwischen fremdelt, kamen ihre Anbiederungsversuche bei ihm gar nicht gut an, und er begann zu weinen. Ungeachtet seiner xenophoben Phase meinte sie daraufhin zu mir, dass er ja so ein niedliches Baby sei.

Ich konnte zügig die offene Angelegenheit klären. Jason hat eine neue Chefsekretärin, die kompetent und sympathisch wirkt.
Wäre das Wetter besser gewesen, hätte ich mich noch ein wenig mit Johannes stillenderweise in die kleine Parkanlage gesetzt. Aber so machte ich mich lieber gleich zusammen mit ihm wieder auf den Rückweg.
Diesmal hatte ich weniger Glück mit der Bahn. Sie war ziemlich voll, so dass es schwierig war, den Buggy durch die Gänge zu schieben, um einen freien Sitzplatz zu finden.

Ich hatte wirklich nichts gesehen. Der Buggy nimmt mir teilweise die Sicht auf das, was vor ihm auf dem Boden liegt. So war ich selbst überrascht, als ich mit dem Buggy über ein kleines Hindernis fuhr, woraufhin ein lautes Jaulen ertönte.
Ein Hund war unter einem Sitz gelegen, hatte seinen Schwanz aber auf den Gang gestreckt.
Ich war selbst bestürzt, der Hund tat mir leid, und normalerweise hätte ich mein Bedauern ausgedrückt und um Entschuldigung gebeten.
Wäre diese Frau (geschätzt um die 30, Schlabbershirt, Jogginghose, aber trotzdem auffällig geschminkt) nicht wie eine Furie aufgesprungen und hätte herumgezetert und gekeift. Der Hund hatte sich mittlerweile schon wieder beruhigt. Es kann also nicht gar so schlimm gewesen sein.
Warum achtet sie nicht darauf, dass ihr Hund nicht den Gang versperrt? Als ob es nicht so schon schwierig genug wäre, mit Buggy und Gepäck durchzugehen.

Ich beschloss, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, und ignorierte sie. Ein Stück weiter setzte ich mich auf einen freien Platz, und musste erst einmal Johannes beruhigen, den die Geschehnisse erschreckt hatten. Er ist soviel Action in seinem normalen Umfeld nicht gewohnt. Wenn der Buggy dabei den Weg teilweise blockierte – ja, sorry, ich kann nichts dafür, wenn die Bahn innen nicht für Kinderwägen ausgelegt ist.
[BTW ist es schon irgendwie absurd, dass die Menschen mit Masken rumlaufen müssen, Hunde aber ohne Maulkorb.]

Ein paar Stationen weiter wollte diese Frau mit Hund aussteigen, und kam auf dem Weg zur Tür an meinem Sitzplatz vorbei. Sie zischte ein unflätiges Schimpfwort, mit dem sie nur ihre eigene Vulgarität demonstrierte, in meine Richtung, zog dann vehement an der Leine, und war endlich verschwunden. Ich stehe da ja drüber, bin allerdings froh, dass Johannes das noch nicht versteht.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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30 Antworten zu Out of Home Office //2569

  1. Sabrina Seerose schreibt:

    Solche unnötig belastenden Vorkommnisse sind leider immer häufiger in unserem sozialen Alltag zu verzeichnen.
    Fehlende Perspektiven-Übernahme und Rücksicht auf andere Menschen haben zu „Corona-Zeiten“ mit uniform verstellten Gesichtszügen erheblich zu einem Rückfall auf egoistische Sichtweisen beigetragen.
    Es ist zu vermuten, daß so mancher Zeitgenosse auch seine dadurch, und durch die Gesamtumstände eingeschränkte Lebenslage mit entsprechender Übellaunigkeit, andere Menschen durch unangemessenes „Ausbellen“ spüren läßt.
    In den von Dir skizzierten flüchtigen Alltagssituationen ist „Ignorieren“ und zur eigenen Emotions-Abfuhr „innere Monologe führen“ derzeit wahrscheinlich die einzig sinnvolle Art, damit eskalationsvermeidend umzugehen…

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    • Ach, ich habe ja ein dickes Fell. So etwas tangiert mich nicht gleich.

      Ich glaube aber, dass dieses Vorkommnis genauso auch ohne Corona hätte geschehen können. Ob Corona solche Aggressivität verstärkt, oder katalytisch wirkt, will ich gar nicht beurteilen.

      Aber natürlich ist das Tragen der Masken eine zusätzliche Erschwernis für alle Personen, die auch so schon Schwierigkeiten haben, Gesichter zu erkennen oder die Mimik zu deuten.

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    • Leser schreibt:

      Je mehr Leidensdruck wir erleben, desto größer ist die Motivation dazu, aus unserem eigenen Film aufzuwachen und bewusster zu werden, um dem Leidensdruck zu entgehen (das setzt die Erkenntnis voraus, dass weit über 90% davon, wahrscheinlich eher 99% oder mehr, in und durch unseren eigenen Gedankenfilm entsteht, dem man aber nicht bedingungslos glauben muss, wenn er in Situationen wie diesen nicht dienlich ist ;-))

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  2. Leser schreibt:

    Absurd finde ich vor allem, dass ich mich beim Lesen des Satzes „wenn die Bahn innen nicht für Kinderwägen ausgelegt ist“ glatt einen Sekundenbruchteil lang gefragt habe, ob Du jetzt gender-language benutzt.
    Diese Hundehalterin war eine schlechte Hundehalterin, ohne Liebe für ihr Tier (wahrscheinlich komplett ohne die Fähigkeit zu lieben, wie Du sie beschrieben hast). Ich bin, als mein Hund noch bei mir war, mit dem auch manchmal mit dem Zug gefahren, aber ich habe immer darauf geachtet, dass sein Schwanz nicht in den Gang hinaus ragt – nicht mal wegen der Menschen, die waren mir egal, sondern einfach, weil ich als Halter auch eine Verantwortung für das Wohl meines Tieres habe, d.h. es sich nicht unnötigen Gefahren aussetzen lasse (wie z.B. dass jemand ihm auf den Schwanz tritt oder mit einem Kindewagen darüber fährt) – also sozusagen aus einer vollständig eigennützigen Motivation heraus.

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  3. Mia schreibt:

    Die Reaktion der Hundebesitzerin war natürlich übertrieben und unangemessen. Aber spielt es eine Rolle, wie alt, wie sie gekleidet und wie oder ob sie überhaupt geschminkt war?

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  4. Sempersolus schreibt:

    Ist dieser Blog in Wahrheit ein psychologisches Experiment z. B. zur Beurteilung selektiver Wahrnehmung durch Außenstehende?

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  5. Plietsche Jung schreibt:

    Das ist simple Corona Genervtheit. Die Haut ist dünn und Ventile fehlen.

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  6. Pingback: Junitweets //2683 | breakpoint

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