Der zweite Teil meines Berichts endete, als ich nach mehreren Stunden in der Klinik endlich in den Kreißsaal durfte.
Ich hatte nicht mehr daran gedacht, Carsten anzurufen, und mein Handy (das ich normalerweise ja gar nicht nutze) in meinem Zimmer zurückgelassen. Also bat ich die Hebamme, ihn doch anzurufen. Aber irgendwie klappte das nicht, und ich hatte auch nicht den Nerv, der Sache nachzugehen. Außerdem war ich mir ohnehin gar nicht sicher gewesen, ob ich ihn überhaupt dabei haben wollte, und auch er schien nicht übermäßig erpicht darauf gewesen zu sein.
Die Hebamme empfahl, einen Einlauf zu machen. Ich erklärte mich einverstanden, verzichte aber auf die Schilderung von Einzelheiten.
Nach mehreren Toilettenbesuchen lag ich dann wieder auf einer Liege, und beobachtete die Anzeige des CTGs. Ich stellte fest, dass ich die Wehen bis zu einer Stärke von 60 oder 65 Skaleneinheiten (ich nehme an, das waren mmHg, sah aber keine Anzeige der Einheit, vielleicht waren es auch kPa oder etwas ganz anderes – Mediziner haben es ja nicht nötig, Einheiten anzugeben) noch ganz gut aushalten konnte, mit zunehmender Intensität wurde es aber schlimmer. Bei dem Wehensturm muss der Wert weit über dem doppelten davon gewesen sein. Das hatte ich aber leider in diesem anderen Raum gar nicht beobachten können.
Es tat mir gut, die Veränderung auf dem CTG abzulesen. Der Wert stieg immer schon, bevor ich es richtig spürte. So konnte ich mich besser darauf einstellen. Die Konzentration darauf lenkte mich wohltuend ab. Es gab mir Sicherheit und Halt, das mit meinen Empfindungen abzugleichen – dass es da tatsächlich messbare Effekte gibt, und es nicht nur rein subjektiv ist, ich also nicht umsonst leide.
Unerwartet überkam mich ein Brechreiz. Da ich keine Nierenschale oder ähnliches sah, schnappte ich mir den Papierkorb, der als einziges in Reichweite war, und übergab mich hinein. Vor dem Uterus müssen wohl erst Darm und Magen entleert werden. Ich hätte auf mein Gefühl vertrauen, und das Mittagessen komplett ausfallen lassen sollen. Die paar Bissen rächten sich jetzt.
Etwas später war es dann soweit, dass der Muttermund fast vollständig geöffnet war, und ich auf ein Entbindungsbett (ich hätte stattdessen auch ein Geburtsrad nutzen können, aber beim Ausprobieren war mir das zu unbequem, weil es zu klein für meine langen Beine war) wechselte, wo ich mich halbsitzend niederließ. Ich hatte mir in weiser Voraussicht ein Flügelhemd geben lassen, weil ich meine eigenen Nachthemden nicht vollsauen wollte.
Die nächste Zeit verschwimmt irgendwie in meiner Erinnerung. Da wechselten Wehen und Pausen ab. Ich erinnere mich aber noch, dass ich immer wieder starken, quälenden Stuhldrang hatte. Dabei war mein Darm durch den Einlauf doch eigentlich völlig entleert worden. Und ich hatte beidseitig Schmerzen am Trochanter – den Vorsprüngen oben am Oberschenkel, von denen ich bisher noch niemals etwas gespürt hatte.
An die Entbindungsklinik ist eine Hebammenschule angeschlossen. Ich muss sage, dass die Hebammen(schülerinnen) einen tollen Job machen. Sie unterstützen, wo’s nötig ist, und halten sich ansonsten zurück.
Eine Hebammenschülerin atmete mit mir und munterte mich zwischendurch auf.
Ich war längst in einem Stadium, dass ich das Baby nur noch draußen haben wollte, als ich endlich aufgefordert wurde, meine Beine anzuziehen und mit den Händen festzuhalten. Da lag ich hier in Wehen und sollte auch noch selbst meine Beine halten! Das erschien mir als ziemliche Zumutung, so dass ich fragte, ob es denn keine Vorrichtungen gäbe, wie bei einem gynäkologischen Stuhl, wo man die Beine ablegen kann, damit ich sie nicht selbst halten müsse. Tatsächlich gab es so etwas, und nachdem sie ausgeklappt worden waren, legte ich meine Beine einfach dort ab.
Es war dann Schluss mit dem Hecheln, und ich wurde während der Wehen angefeuert zu pressen. Zwischendurch immer wieder Pause, in der ich mich kurz entspannen und neue Kräfte für die enorme Anstrengung sammeln konnte.
Endlich war das Köpfchen sichtbar. Meine Ausgaberegion stand unter höchster Spannung. Kurz danach hörte ich mein Baby bereits schreien.
Das war der Augenblick, in dem ich dachte, ich hätte das Schlimmste hinter mir, und es könne jetzt eigentlich nichts mehr schief gehen.
Nein, das ist kein Cliffhänger (eher ein Scheidenhänger). Fortsetzung folgt.
Scheidenhänger können kritisch werden.
Aber du hast es ja geschafft !
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Überlebt haben wir’s!
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Das ist einfach wunderbar und schön !
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Halleluja!
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Verdammt und zugenäht aber auch…
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Ob das das erste Mal war, dass jemand das Wort „Scheidenhänger“ in entschieden nicht-militärischem/nicht-militaristischem Kontext verwendet hat?
Ist mir jedenfalls bisher noch nicht anders untergekommen 😉
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Der Begriff hat auch eine militärische Bedeutung? Ist mir nicht geläufig.
Jetzt habe ich schnell mal danach gegooglet, aber vor allem Treffer in der Bedeutung Intimschmuck gefunden.
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Seltsam, aber Suchmaschinen sollen ja z.T. personalisierte Ergebnisse bringen, wenn man dem nicht aktiv entgegenwirkt 😉
Ich habe zwar fast nichts mit dem Militär am Hut (zumindest noch weniger als mit Intimschmuck), aber bei mir kamen da – bei exakter Schreibweise – z.B. Ergbenisse die sich auf prunkvolle Möglichkeiten, z.B. einen Säbel zu verstauen, bezogen.
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Die Google-Algorithmen sind auch nicht unfehlbar. Mit Säbelkram kann ich erst recht nichts anfangen, weshalb ich wohl auch die ersten zwei Treffer mit Schwertscheiden überlesen habe.
Zum Glück hat Google wenigstens darauf verzichtet, Fotos anzuzeigen.
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Vermutlich ist es gar nicht so verkehrt, dass man nicht so genau weiß, was auf einen zukommt bei einer Geburt. Und danach wohl schnell wieder vergißt bzw. verdrängt.
Und dass damit das Gröbste überstanden ist, glaube ich wirklich nicht. Da gäbe es noch reichlich zu beschreiben. Ich bin gespannt auf die Fortstetzungen …
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Die Natur hat es schon gut eingerichtet, dass sich niemand an seine Geburt erinnern kann.
Es heißt ja immer, dass es für das Kind schlimmer wäre, als für die Mutter.
Aber da muss es durch!
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Hausaufgabe:
Schreiben Sie ein mögliche Fortsetzung der Geschichte und verwenden Sie dabei die Worte „Blut“, „Dammriss“, „Nahtmaterial“, „Assistenzarzt“ und „fehlende Lokalanästhesie“.
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Oder „Nachgeburt“…
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Sehr subtil…
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Da hätte ich auch noch ein paar Vorschläge: „APGAR-Test“, „Aphyxie“, „Episiotomie“, „Babyblues“, „Bilirubin“, „gelbes Untersuchungsheft“, „Infusion“, „Hüft-Luxation“, „Katheter“, „Kindsbettfieber“, „Kopfumfang“, „Milcheinschuss“, „Mutterpass“, „Nabelbinde“, „Nabelschnur“, „Nachwehen“, „Neugeborenen-Akne“, „Plazenta“, „Post-partale Depression“, „Quarkkompressen“, „Rückbildung“, „U2“, „Wochenfluss“, ..
So. Damit kann sich jetzt jeder Mitleser ein Bingo-Feld machen, und tatsächlich vorkommende Begriffe ausstreichen.
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Und nicht zu vergessen: die „Stilldemenz“.
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Oops .. war mir doch tatsächlich entfallen, so wie „Babypuder“, „Eisenmangel“, „Fundusstand“, „Kaiserschnittnarbe“, „Milchpumpe“, „Saugglocke“, „Silbernitrat“, „Spreizhose“, „Storchenbiss“, „Traubenzuckerlösung“, „Vitamin K“, „Wundsalbe“, .. und sicher noch einen ganzen Schwung weiterer Begriffe.
(Jetzt hat Google wieder was zum Indizieren.)
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Uuuuh, soviele Begriffe. Ich glaube, ich will gar nicht alles wissen. Also davon …
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Das sagt der, der in seinem Twitter-Profil stehen hat „interessiert an allem“.
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Das ist so wiederlich wie Du Dein Baby mit Deinem Magen und Darminhalt vergleichst.
Einfach nur wiederlich!
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