Uni- vs. bidirektionale Intra-Layer-8-Kommunikation //2388

Da hab‘ ich neulich mal einen kurzen Text gelesen, in dem jemand froh war seine Schüchternheit überwunden zu haben, indem er vor kleinem Publikum aus einem Buch vorgelesen hat. (Aus dem übrigen Kontext geht hervor, dass diese Person sonst keine Scheu hat, mit anderen Menschen zu reden.)
Und ich dachte mir: Was hat das mit Schüchternheit zu tun? Aus einem (bekannten) Buch zu lesen, ist doch überhaupt kein Problem. Damit hätte ich nie Schwierigkeiten gehabt, denn es gibt ja genaue Vorgaben, an die man sich lediglich halten muss. [Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Roman oder ähnliche Belletristik handelte. Ein Fachbuch mit Formeln und Diagrammen würde deutlich höhere Anforderungen stellen, bzw. ist ohne zusätzliche visuelle Unterstützung (z.B. Beamer) nicht zum Vorlesen geeignet.]

Ich habe Vorträge gehalten, teils vor mehreren hundert Menschen. Ein bisschen aufgeregt vorher, ob alles klappt, war ich schon. Aber ein klein wenig Lampenfieber gehört dazu. Das ist nichts, wovor man sich ängstigen müsste.
Auf die Vorträge hatte ich mich vorbereitet, und wusste genau, was ich sagen musste. Auch Fragen dazu konnte ich sicher beantworten, weil ich mich fachlich auskenne.
Freilich kann auch mal was daneben gehen. Vielleicht verhaspelt man sich, vielleicht muss man nießen, husten oder bekommt Schluckauf. Aber das ist alles völlig menschlich, das nimmt einem niemand übel. Solche kleinen Imperfections lassen einen authentisch wirken.

Etwas ganz anderes ist der Umgang mit einzelnen, eher unbekannten Menschen, mit denen man sich im (nicht vorhersehbaren) Gespräch persönlich auseinandersetzen muss – insbesondere Smalltalk. Da weiß ich einfach nicht, was ich sagen soll, und sage im Zweifel lieber gar nichts. Denn alles was man sagt, könnte schließlich falsch aufgefasst werden.
Bei Menschen, die man besser kennt, lässt sich das besser abschätzen. Da kann man auch mal einen Scherz machen, oder mit Ironie oder Sarkasmus spielen. Aber bei Leuten, die man gerade erst kennengelernt hat, und sich mit ihnen unterhalten soll – nee, das geht irgendwie nicht. Ich hülle mich erst mal in Schweigen, und höre nur zu. Es fällt mir schwer, da zu improvisieren, und selbst ein Thema anzuschneiden.
Ich habe halt schon sehr früh in meiner Kindheit die (lange Zeit unbewusste) Erfahrung gemacht, dass ich völlig andere Interessen habe, als die Leute in meiner Umgebung.

Berufliche Belange, bei denen es um fachliche Angelegenheit geht, sind unproblematisch, weil ich ja genau weiß, um was es geht und mir thematisch sicher bin. Aber sobald es um persönliche oder auch nur allgemeine Themen geht, wird es kritisch.
Ich habe ja schon Hemmungen, in einem Laden eine Verkäuferin anzusprechen, oder im Restaurant mit der Bedienung zu kommunizieren. Natürlich schaffe ich das schon, ohne dass man mir mein Zögern anmerkt, aber es kostet mich jedesmal wieder Überwindung.

Es heißt ja, dass extravertierte Menschen Kraft aus dem Umgang mit anderen Menschen schöpfen. Wie kann das nur sein? Mich strengt das immer enorm an, und ich muss mich dann erst mal zurückziehen.
Das reine Vorlesen aus einem Buch jedoch erfordert keine persönliche Interaktion. Die Kommunikation ist einseitig. Der Server braucht nicht auf die Clients zu reagieren.

Mit manchen Leuten finde ich nach einiger Zeit gemeinsame Themen, mit anderen nie.
Das ist ja das Gute an Blogs oder Twitter: Nur die Menschen bleiben hängen, die zumindest ein grundsätzliches Interesse haben. Die anderen ziehen weiter.


Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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12 Antworten zu Uni- vs. bidirektionale Intra-Layer-8-Kommunikation //2388

  1. ednong schreibt:

    Das Video ist ja sooo schön – Krawehl!
    Ja doch, man kann durchaus aus dem Umgang mit anderen schöpfen. Mir macht das immer besonders viel Spass. Und natürlich kann der Umgang auch anstrengend sein.

    Da habe ich ja Glück, dass ich geblieben bin 😉

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Kommunikation kann und sollte man üben. Nicht an der Tastatur. So echt. Live. Mit echten Menschen und auch mit belanglosen Themen. Ist weder schlimm noch peinlich.

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  3. Engywuck schreibt:

    „ein klein wenig Lampenfieber gehört dazu. Das ist nichts, wovor man sich ängstigen müsste.“
    Das sehen andere Leute anders. Unter anderem solche, die mit Auftritten ihr Geld verdienen. Heinz Erhardt soll zeit seines Lebens vor Auftritten einen Doppelten „benötigt“ haben.

    Ich kann das mit dem Lampenfieber sogar „nur“ beim Vorlesen nachvollziehen: während man sonst Fehler nur vor ein, zwei Leuten macht sind in einem Saal auf einmal hunderte. Eventuell wird gar aufgezeichnet/übertragen, dann steigt die Zahl nochmals. Zudem hat man im direkten Gespräch im kleinen Kreis sofortige Rückmeldung über Mimik und Gestik, das fällt bei einem ganzen Saal weg – oder verändert sich jedenfalls drastisch.

    Ich habe das erst überwunden, als ich es beruflich bedingt über einige Jahre hinweg regelmäßig machen musste. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, das überkompensiert zu haben und nun auch in großen Gruppen mein Maul zu selten halten zu können… (gibt es „Groupsplaining“?)

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  4. Pingback: Tweets in einer Nussschale //2496 | breakpoint

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