Wenn alles anders kommt //2353

Es war seit langem geplant, dass einige meiner Mitarbeiter für ein paar Tage eine Art Entwickler-Event besuchen. Dies sollte eine branchenbezogene Zusammenkunft einiger Entwicklerteams verschiedener Firmen sein, um .. nein, das braucht ihr nicht so genau zu wissen.
Ursprünglich hatte ich überlegt mitzukommen, aber das wäre mir doch etwas zuviel geworden. Schließlich war ich im März bereits zweimal verreist. Nächste Woche hatte ich eigentlich vor (bevor die coronaischen Zeiten dazwischen kamen) zu einem Kunden (allerdings nur hier im Großraum) zu fahren. Für April war Standort 5 eingeplant, und für Mai die Standorte 2 und 3. Angesichts dieser Häufungen hatte ich mich bereits vor zwei oder drei Wochen entschlossen, dieses Event lieber ausfallen zu lassen. Das hatte nichts mit Corona zu tun. [Ich kann es übrigens nicht ausstehen, wenn ich immer wieder umdisponieren muss.]
Meine Mitarbeiter sind gut aufeinander eingespielt, und hätten die Sache auch ohne mich im Griff gehabt. Für alle Fälle wäre ich auch telefonisch erreichbar gewesen.

Obwohl dieses Event – wie so viele andere – abgesagt wurde, habe ich diese Woche etwas Leerlauf, da für meine Mitarbeiter nichts anderes geplant ist. Meetings und persönliche Besprechungen sind derzeit auf das nötigste Minimum reduziert. Diese Zeit werde ich benutzen, um eine ganz andere Idee abzuklären.
Als ich kürzlich auf dem Kongress war, kam mir bei einem Vortrag ein Geistesblitz für ein neues Feature unserer Geräte. Mit einigem Entwicklungsaufwand dürfte das realisierbar sein. Ich bin dabei, das grobe Konzept zu erstellen – oder die Idee wieder fallen zu lassen, falls meine Überlegungen und Recherchen doch größere Schwierigkeiten erwarten lassen.
Teils kann ich das im Home-Office machen, teils muss ich dafür ins Entwicklungslabor.

Wir bemühen uns ja wirklich, die derzeitige Situation mit freiwilligem Urlaub, Abbau von Gleitzeitkonten, Weiterbildungsmaßnahmen und großzügigeren Home-Office-Regelungen durchzustehen. In der Fertigung wird bereits eingeschränkt produziert. Die Büroräume sind geisterhaft leer. Aber wie es aussieht, wird sich Kurzarbeit nicht auf Dauer vermeiden lassen. Je nach dem, wie sich die nächsten Tage entwickeln, werden wir während der Osterferien vielleicht ganz zu machen.
In den anderen Standorten sieht es nicht besser aus. In einem Standort ist bereits Kurzarbeit, ein anderer schließt ab dem Wochenende. Es geht nicht anders. Es fällt mir so schwer, denn ich fühle mich für unsere Belegschaft samt ihren Familien verantwortlich.

BTW – irgendwo habe ich den Vorschlag gelesen, dass produzierende Unternehmen jetzt doch Beatmungsgeräte herstellen sollen.
Das ist – mit Verlaub – absoluter Blödsinn. Selbst wenn wir die personellen Kapazitäten dafür aufbringen würden, haben wir keine geeigneten Maschinen und Werkzeuge. Wir haben keine passenden Materialien, Bauteile, Rohstoffe und sonstige Betriebsmittel. Wir wissen nicht, wie’s geht. Also müssten wir – ohne Know-how darüber zu verfügen – diese Geräte erst von Grund auf neu entwickeln. So etwas dauert Jahre, und dann kommt noch die Zertifizierung und ein langwieriger Zulassungsprozess hinzu.
Wer auf so eine Schnapsidee kommt, hat nicht die blasseste Ahnung, wie es in der Industrie läuft.
Es verwundert mich immer wieder, wie man so doof sein kann, und keinerlei Scheu hat, seine Doofheit an die Öffentlichkeit zu tragen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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16 Antworten zu Wenn alles anders kommt //2353

  1. ednong schreibt:

    Schön, dass es jemanden gibt, der auch ungern umdisponiert.
    😉
    Ja, Kurzarbeit wird wohl so einige treffen. Aber vielleicht können ihr ja Mundschutze nähen…
    *nicht schlagen bitte *

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  2. keloph schreibt:

    alles entschleunigt gerade, ohne, dass man es bewusst tut, ausser der idiotie, welche sich in völlig absurden ideen niederschlägt.

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  3. claudius2016 schreibt:

    Bei uns in der Region baut eine kleine Firma jetzt statt Förderanlagen Tröpfchenschutz-Aufsteller aus Plexiglas. Eine Scheibe mit einem Durchlass unter in der Mitte, zwei Füße links und rechts. Zum Aufstellen auf Tresen bzw. vor Supermarktkassen. Ob sie die spenden oder handeln weiß ich aber nicht.

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  4. Macros schreibt:

    Ich finde ja die eine oder andere Idee, welche durch die Netze zieht gut … auch fand ich zum Beispiel die Brennerei Eversbusch gut, welche Ethanol an die Apotheken liefert um daraus Desinfektionsmittel zu mache toll
    Aber ich glaube, alles hat eine Grenze und in meinen Augen handeln Unternehmen, wenn diese sich nicht zumindest auf Kurzarbeit und Teilschließung vorbereiten, unverantwortlich… Dann sind im Schlimmsten Fall alle Arbeitsplätze weg.

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  5. Leser schreibt:

    Interessanterweise ist es bei Ethanol so, dass dieser inzwischen nicht mehr an Betriebe geliefert wird, die damit alkoholhaltige Getränke herstellen, sondern nur noch an Betriebe zur Herstellung von Desinfektionsmitteln abgegeben wird. Den Ethanol, den sie dem Biosprit zumischen, wollen sie dafür aus unerfindlichen Gründen nicht nutzen, obwohl der viel reiner sein soll (96% bei medizinischem vs. >99% bei Treibstoff-Ethanol).
    Was Beatmungsgeräte angeht, es gibt sogar schon Leute, die sich ihre freie Zeit damit vertreiben, herumzuprobieren, wie sie aus einfachen Industriekomponenten (Ventile, Schläuche, Kompressoren) einfache Selbstbau-Geräte zu basteln, die natürlich keinerlei medizinischen Standards genügen, und deshalb hoffentlich nie zum Einsatz kommen müssen (außer sozusagen als allerletzte Maßnahme, weil sämtliche Ressourcen und Infrastruktur weggebrochen wären). Aber das wird wohl hoffentlich nicht passieren…

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  6. Plietsche Jung schreibt:

    Deshalb lacht sich Dräger in Lübeck ja auch einen Ast.
    Es ist nur dummes Gequatsche der Politik und dient der Beruhigung.

    Wer sich über die krassen Folgen von Corona und den Möglichkeiten der Beatmung mal informieren möchte, kann gern mal die durchaus krassen Anmerkungen ab Minute 11:00 ansehen.

    https://www.ardmediathek.de/ndr/player/Y3JpZDovL25kci5kZS8yZTllNTM0Yi0zNTM2LTQzZmQtOGExYi01ODhmYTY5YjAxNTE/das-mit-dem-pneumologen-martin-ehlers

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  7. blindfoldedwoman schreibt:

    Es gibt Beispiele, wo das sehr gut klappt. Natürlich macht man so etwas nur, wenn die Vorraussetzungen gegeben sind. Hubert Aiwanger ist ja kein Spinner, sondern ein Macher.

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  8. Pingback: Zeitumtwitterung //2459 | breakpoint

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