Der Partialkongress (2. Teil) //2343

Auf dem Fachkongress hatte ich Sebastian wiedergetroffen, und mit ihm ausgemacht, dass er mich zum Flughafen fahren würde.

Es war nicht weit bis zu Sebastian’s Mietwagen. Ich sah keine Veranlassung, es zu unterbinden, dass er mir während der Fahrt hin und wieder die rechte Hand auf mein Knie legte.
Während wir auf dem Kongressgelände nur über berufliche und fachliche Angelegenheiten gesprochen hatten, fokussierten wir uns nun auf private Themen. Ich gab zu, dass ich mittlerweile verheiratet bin.
„Tatsächlich?“, erwiderte er erstaunt, „das passt gar nicht zu dir.“
„Tja, die Zeiten ändern sich, und letztendlich wurde meine innere Wildkatze doch gezähmt. [Ihre Krallen hat sie aber immer noch jederzeit einsatzbereit.] Was ist mit dir?“
Er schüttelte den Kopf: „Ich bin nicht der Typ für eine Beziehung.“
„Ich weiß. Deshalb haben wir uns damals auch so gut verstanden.“
„Sagt dir Migtau was?“, fragte er.
„Men going their own way? Habe ich schon gehört. Ich finde es grundsätzlich gut, seinen eigenen Weg zu gehen, und sich nicht von Konventionen oder der Meinung anderer beeinflussen zu lassen.“
MGTOW kümmern sich nur um ihren eigenen Kram, ohne anderen Leuten ihre Lehre und angebliche Weisheit aufzwingen zu wollen. Diese laissige Einstellung ist mir grundsätzlich sympathisch.
„Ich genieße mein Leben auf meine eigene Weise“, fuhr Sebastian fort,“ohne Ballast. Ohne Rücksicht auf Weib und Kind. Ohne fremde Erwartungen zu erfüllen. Unabhängig. Frei. So, wie ich es will.“
„Du bist mit deinem Leben zufrieden?“, stellte ich fragend fest.
Er bestätigte: „Kann man so sagen. Ja.“
„Dann ist das gut so, wie es ist.“

Durch einen kleinen Stau hatte unsere Fahrt etwas länger gedauert als vorgesehen, aber die Verzögerung ließ sich noch durch den Zeitpuffer abfangen. Wenigstens musste ich nicht zum Check-in-Schalter, sondern konnte direkt zum Sicherheitscheck. Mit diesem beruhigenden Wissen im Hinterkopf war ich langsamer als sonst, als Sebastian direkt vor dem Flughafeneingang anhielt. Die ungewohnten Öffnungsmechanismen zunächst des Sicherheitsgurts und dann der Autotür selbst bremsten mich, so dass Sebastian schneller war, und mir die Tür von außen öffnete.
Ich stieg aus. Sebastian umarmte mich, bevor ich reagieren konnte, und küsste mich auf die Wange. „Guten Flug, Anne! Lass bald mal wieder von dir hören“, verabschiedete er sich von mir, bevor er schnell wieder ins Auto einstieg, um wegzufahren.

Fragt mich nicht, was ich gemacht hätte, wäre mein Rückflug annulliert worden. Aber zum Glück verlief die Rückreise glatt. Einzig bemerkenswert war die Passagierin, die beim Security Check unbedingt ein Fläschchen Desinfektionsmittel mit ins Flugzeug nehmen wollte, und herumzeterte, als ihr das nicht gestattet wurde.
Eigentlich hätte Carsten mich vom Flughafen abholen wollen, aber er hatte selbst einen außerordentlich anstrengenden Tag hinter sich, so dass er es mir zutraute, auch alleine heim zu finden.

Er hatte den ganzen Tag mit Besprechungen und Verhandlungen verbracht. Größtenteils ging es um Lieferschwierigkeiten einiger unserer Supplier, und wie wir damit umgehen können. Mit dem Betriebsrat hat er jetzt vereinbart, dass wir versuchen werden, auf Kurzarbeit zu verzichten, wenn die Belegschaft (vor allem in der Fertigung) im Gegenzug möglichst viel Urlaub nimmt bzw. Gleitzeitkonten abbaut. Bis Ende März dürften wir so erst einmal zurechtkommen.
Carsten meint, dass dies sich zur größten Krise der Firma ausweiten könnte, sofern sich die Lage nicht bis Ostern wieder halbwegs normalisiert.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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16 Antworten zu Der Partialkongress (2. Teil) //2343

  1. Christian_who schreibt:

    Du bist und bleibst für mich einfach eine der tollsten Frauen. danke Anne das ich hier so zuverlässig aus deinem Leben lesen darf.

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  2. blindfoldedwoman schreibt:

    Hubsi stellt 100.000 Millionen zur Verfügung. Die dürften schnell verbraucht sein.

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  3. Leser schreibt:

    Interessant – über das Thema MGTOW habe ich auch öfters nachgedacht, und auch wenn ich das praktisch seit langem so mache, so lässt es doch irgendwie etwas zu wünschen übrig. Naja, mal schauen, was die Zukunft bringt.

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  4. Plietsche Jung schreibt:

    Ostern ? Das wird nix. Rechnet lieber bis Sept./Okt.
    Es gibt sogar Virengurus, die mit bis zu 2 Jahren orakeln, allerdings glaube ich dem nicht.
    Wir haben im MT alle interaktiven Events bis Sept. on hold gesetzt.

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    • Es bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.
      Einige Wochen können wir überbrücken. Dann irgendwann .. Kurzarbeit .. Entlassungen .. Insolvenz.
      Und wenn es uns trifft, trifft es acuh noch viele andere KMU.

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    • Engywuck schreibt:

      irgendwann hatten genügend Leute das Virus (und sind immun), die sich dann auch wieder wie vorher verhalten können. Zudem sind dann die Krankenhäuser etc. darauf eingestellt und es gibt (hoffentlich) Medikamente oder sogar Impfungen.
      Natürlich werden die Infektionsketten noch eine ganze Weile weitergehen, aber das wird immer langsamer. Wenn alle besonders gefährdeten Personen geschützt werden *können* (außer durch Kontaktvermeidung) und die „sonstigen“ mit atypisch starkem Verlauf behandelt werden geht alles normal weiter.
      Ja, Ostern ist evtl. optimistisch. Deutlich vor Pfingsten werden aber die aktuellen Maßnahmen ohnehin nicht mehr helfen…

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