Mein Zug hatte wenige Minuten Verspätung, als ich in der Zwiebeltreterstadt ankam. Ich ging zum vereinbarten Treffpunkt, wo Herr Sendel bereits wartete.
Wir begrüßten uns, wobei er wieder meine Hand mit beiden Händen ergriff, und mir dabei intensiv in die Augen blickte. Er erklärte, dass sein Auto in einer nahegelegenen Tiefgarage stünde, und wir machten uns auf den Weg dorthin. Dabei unterhielten wir uns darüber, wie unsere heutigen Tagesabläufe gewesen waren. Nichts von Bedeutung.
Die Tiefgarage war menschenleer. Gerade lachte ich über einen Scherz, den er gemacht hatte, als er mich gegen eine der Säulen schob und heftig küsste. Das kam unerwartet, und es gibt mir doch Hoffnung für die Gesellschaft, wenn es noch Männer gibt, die sich so etwas trauen, ohne erst langewig vorher deswegen herumzufragen.
Mein Herz pochte, mein Gehirn setzte aus. Einen Augenblick lang gab ich dem bedenkenlos nach. Er griff mit einer Hand zunächst nach meinen Brüsten, raffte dann meinen Rock nach oben, strich über meine Backen .. Ich trug eine Strumpfhose – hey, Leute, es ist Dezember und schon fast Winter! – und einen Slip, einschließlich ..
Tante Irma ist eine wirksame Anstandsdame und erbarmungslose Tugendwächterin, selbst wenn sie schon im Begriff ist, sich zu verabschieden. Mit Carsten wäre es (mit Einschränkungen) gegangen, mit einem fremden Mann dagegen nicht.
Er hielt inne. „Was ist los?“
Ich kam wieder zu Atem und zur Besinnung. Wortlos schüttelte ich zunächst den Kopf, während ich meinen Rock wieder zurechtzog. Dann sagte ich leise: „Es geht nicht, Gerard.“
Er schwieg, strich mir dann sanft über die Wange, und meinte schließlich: „Schade, Anne. Aber wir werden uns davon nicht den Abend verderben lassen.“
Er nahm mich an der Hand und führte mich zu seinem Auto. Wir stiegen ein und fuhren ein Stück bis zu dem Restaurant, wo er einen Tisch für uns beide reserviert hatte.
Wir unterhielten uns, als wenn nichts gewesen wäre. Es gibt ja nicht viele Menschen, mit denen ich gemeinsame Gesprächsthemen finde, zumindest wenn ich sie nicht schon lange kenne. Aber Gerard ist ein intelligenter, vielseitig interessierter, weltgewandter Mann mit nerdigen Zügen, so dass wir ganz zwanglos miteinander plaudern konnten.
Er erzählte noch einmal, dass die kürzliche Veranstaltung viele positive Reaktionen erhalten hätte, und er sich wirklich freuen würde, wenn ich bei der nächsten vorgesehenen Veranstaltung wieder mitmachen würde – vielleicht fände sich dann doch Gelegenheit, dass wir privat Zeit miteinander verbringen können. Er hatte eigentlich vorgehabt, im Frühjahr die Trichterstadt zu besuchen, aber es sei inzwischen nicht sicher, ob dies tatsächlich klappen würde. Er würde sich aber in jedem Fall bei mir melden, wenn er wieder in die EMN käme.
Zwischendurch legte er immer wieder seine Hand auf meine, oder nutzte auch sonst Gelegenheiten für dezenten Körperkontakt.
Eigentlich wollte ich mein Essen selbst bezahlen, aber er bestand darauf, meinen Teil der Rechnung mit zu übernehmen. Das sei auch sein Dank für meine Teilnahme am Diskussionspanel. Ich habe es mir längst abgewöhnt, in solchen Fällen herumzudiskutieren, also nahm ich dankend an.
Ich bat ihn dann noch, mich wieder zum Bahnhof zu fahren, damit ich mit dem nächsten Zug wieder heimfahren kann. Selbstverständlich, meinte er, wenn er mich schon nicht überreden kann, die Nacht in der Zwiebeltreterstadt zu verbringen. Er würde mich auch nach Hause fahren, wenn ich wolle. Ich lehnte ab.
Er ließ mich dann direkt am Bahnhof aussteigen, ohne selbst irgendwo eine Parkmöglichkeit suchen zu müssen. Als ich mich verabschieden wollte, gab er mir noch schnell einen Kuss auf die Wange. Ich sah zu, dass ich aus dem Auto herauskam, winkte ihm dann noch kurz hinterher, und machte mich auf den Weg zum betreffenden Geleis.
Carsten kam noch deutlich später heim, als ich angenommen hatte, so dass ich Zeit hatte, bereits mit diesem Blogeintrag zu beginnen.
Er war müde und abgespannt, weshalb er es nur unaufmerksam zur Kenntnis nahm, als ich das Abendessen in der Zwiebeltreterstadt erwähnte.
aha. 😉
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Den Tiefgaragenteil hast Du Dir ausgedacht, oder?
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Hier ist doch ausnahmslos alles erfunden und erlogen. 😎
Übrigens war es dort unten kalt und ungemütlich. Wäre vermutlich also eh nichts geworden.
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Bin kurz davor, mich zu wiederholen.
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Hm .. ich werd‘ ja auch nicht jünger. Die Versuchungen werden weniger werden, und vielleicht hab ich nach den Wechseljahren ja gar kein Interesse mehr, ihnen nachzugeben.
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Ich glaube nicht, dass sexuelles Interesse im Alter schwindet. Kann ich bei mir und im Bekanntenkreis nicht beobachten.
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Ach, nimm mir doch nicht die Hoffnung!
Nach dem, was ich so mitkriege, ist das unterschiedlich. Manche Leute behalten größtenteils das Interesse, bei anderen verschwindet es teilwese oder sogar völlig.
Ganz egal, wie es mir persönlich geht – wenn ich erst über 50 oder 60 bin, wird das sexuelle Interesse von Männern an mir erheblich nachgelassen haben. Das ist der Lauf der Welt. Damit muss ich klarkommen. Am einfachsten wäre es, wenn ich dann selbst auch keine größere Lust mehr hätte.
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Das Interesse der Männer hängt, glaube ich, von der Atraktivität in vieler Hinsicht ab, nicht nur der äußerlichen sondern, vor allem, der geistigen. Da sehe ich bei Dir kaum Probleme…
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Tante Irma sei Dank!
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So weit würde ich nicht gehen.
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Huch. Das hat mich jetzt überrascht. Das passt so gar nicht zu Deiner vorangegangenen Beschreibung.
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Meinst du?
Mir war es schon bewusst gewesen, dass zwischen uns eine sexuelle Spannung besteht.
Vor 20 Jahren hätte ich das allerdings nicht bemerkt.
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Ich hatte mir ein anderes Bild von dem Mann gemacht. Das war dann doch recht plump.
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Gar nicht plump. Das war leidenschaftliches Begehren.
Wenn das anders rübergekommen ist, so liegt das wohl an meinem Schreibstil.
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In einer kalten Tiefgarage? Nö. Das hat keinen Stil.
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Ggφ. hätten wir bestimmt die Location gewechselt.
Vorher waren wir noch nie alleine gewesen.
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Ich wusste es! Großartig Anne 🙂
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Ach, Christian, .. 😐
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Ich weiß jetzt nicht, wie ich darauf reagieren soll. Versetze ich mich in Carsten, gäbe es zwei Möglichkeiten: Verletzt sein, oder die Exklusivitätsvereinbarung beiderseitig aufkündigen, aber trotzdem zusammen bleiben. Keine Ahnung, ob das eine Option ist. Ob ich (an seiner Stelle) dazu in der Lage wäre (oder ob er es ist). Ist ja schon auch bezeichnend, Tante Irma dafür nicht dankbar zu sein…
Frage: Was machst Du, wenn er wieder in die Region kommt, Ihr Euch wieder trefft, und Tante Irma nicht als Hinderungsgrund zu Besuch ist? Und was macht Carsten, wenn er es erfährt?
Wenn ich sowas lese, bin ich dann doch wieder ganz froh, ungebunden zu sein, denn derartige Situationen würden für mich nur unnötigen Stress erzeugen…
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Schlimm genug, dass die Leute für sich eine sog. „Exklusivitätsvereinbarung“ brauchen, um sich davon abzuhalten, sich anderweitig sexuell auszutoben. ^^ Dann sollen sie doch eine offene Beziehung führen!
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Ich misch mich nicht in deinen Kram, und du dich nicht in meinen. OK?
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Ich hatte angesetzt, Carsten davon zu erzählen. Es ist nicht meine Schuld, wenn er keine Lust hat, mir zuzuhören. Ich nerve ihn dann halt nicht weiter.
Außer dieser kleinen Situation in der Tiefgarage ist auch wirklich nichts ungebührliches passiert. Ein NUL-Event.
Falls es überhaupt noch einmal zu einem Treffen kommt, tja – ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich habe das als prickelnden Flirt und (im Wesentlichen unschuldiges) Abenteuer genossen. Mir hatte das kleine Intermezzo abseits der alltäglichen Routine einfach gutgetan.
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Hast Du denn Gerard erzählt, dass Du verheiratet bist? Oder musste Tante Irma als Ausrede herhalten?
Den Partner zu verschweigen halte ich persönlich für illoyal. Ansonsten ist ja nichts passiert. Carsten wird auch sicher den ein oder anderen Flirt haben.
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Bei beruflichen Bekanntschaften halte ich mein Privatleben raus.
Ich erzähle weder von meinem Beziehungsstatus, noch frage ich nach ihrem.
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Ich bewerte das nicht, du bist alt und schlau genug.
Nur erzähle es Carsten nicht.
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Carsten weiß Bescheid über das Treffen.
Allerdings nicht in allen Details.
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Belasse es dabei. In jeder Hinsicht.
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Hab ich vor.
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Oha. Es wird spannend.
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