Wo waren wir sitzengeblieben? Ach, ja .. ich saß also im Vortragssaal auf dem Podium neben den anderen Diskussionsteilnehmern.
Der Moderator stellte dem Publikum zunächst alle Diskutierer vor. Diejenigen, die bereits einen Vortrag gehalten hatten, nannte er nur recht kurz. Aber einen anderen Teilnehmer und mich stellte er ausführlich vor – mit sämtlichen Titeln und Pöstchen.
Es sollte bei der Diskussion um eine zentrale Frage gehen. Der Moderator sprach ein paar einführende Worte, und wandte sich dann direkt an einen der Diskutierer mit einer konkreten Teilfrage. Dieser antwortete detailliert. Nun war der nächste dran. Es gab eine vollständige Runde, in der jeder Gelegenheit hatte, sein jeweiliges Statement abzugeben und zu begründen. So war auch ich bald an der Reihe.
Nachdem ich betont hatte, dass ich – im Gegensatz zu den anderen Diskussionsteilnehmern – erst kürzlich zu dieser Thematik gestoßen war, beantwortete ich die mir gestellte Frage – ich meine, ganz gut.
Nach dieser Runde verlief die Diskussion eher zwischen den Teilnehmern. Der Moderator griff nur gelegentlich ein. Ich äußerte mich dabei zweimal, und überließ ansonsten den anderen das Wort. Abschließend gab es noch eine Schlussrunde, die aber ziemlich knapp verlief.
Den unvermeidlichen Blumenstrauß schenkte ich etwas später einer der Damen vom Catering.
Danach wurden alle Anwesenden zu einem Stehempfang eingeladen. Ich wollte nur kurz hingehen, um etwas zu trinken und mich für die Heimfahrt zu stärken.
Herr Sendel kam mir entgegen: „Frau Dr. Nühm, das hat ja wunderbar geklappt! Herr $Moderator.Nachname hat mir auch bereits gesagt, welcher Gewinn Sie für unsere Herrenrunde waren.“
Geschmeichelt bedankte ich mich. Ja, es war besser gelaufen, als ich insgeheim befürchtet hatte. Ernsthaft sprach Herr Sendel weiter, dass alleine meine Anwesenheit die doch ansonsten recht verkrustete Diskussionsrunde aufgelockert, und frischen Wind hineingebracht hätte. Meine Gesprächsbeiträge seien zwar knapp, aber substanziell und zielgerichtet gewesen seien. Dieser neue Farbtupfer [das war eine Anspielung auf mein Dress of Color] hätte einfach bisher gefehlt.
Er würde sich freuen, wenn ich nächstes Jahr bei einer ähnlichen Veranstaltung wieder teilnehmen würde. Ich ließ mich nicht auf eine feste Zusage ein, gestattete ihm aber, mich wieder anzuschreiben, wenn es konkrete Termine und Informationen dazu gäbe.
Inzwischen war ich fertig mit meinem Imbiss, und wollte mich von Herrn Sendel verabschieden.
„Kommt überhaupt nicht in Frage Frau Dr. Nühm“, widersprach er mir, „hier in der Nähe ist ein ausgezeichnetes Restaurant. Schlagen Sie es mir nicht ab, Sie zum Abendessen einladen zu dürfen.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, erwiderte ich, „aber mein Zug fährt in einer halben Stunde. Den möchte ich nicht verpassen.“
„Fahren Sie doch mit einem späteren.“ Die Versuchung lockte.
„Dann wird es mir zu spät zum Heimkommen.“ Dass Carsten ein paar Tage verreist und auswärts übernachten würde, also niemand auf mich wartet, brachte ich nicht zur Sprache.
Er schaute mir tief in die Augen, so dass mir ganz schwummrig zu Mute wurde. Verdammte Exklusivitätsvereinbarung!
„Am einfachsten wäre es, wenn Sie hier übernachten, und dann morgen früh erst fahren. Ich organisiere gerne eine Übernachtungsmöglichkeit für Sie.“
So ein interessanter, sympathischer Mann! Und Carsten lässt mich viel zu oft allein. Es zog fast unerträglich in meinem Unterleib.
Es hätte nicht viel gefehlt, dass ich seinen Vorschlag angenommen hätte, blieb aber dann doch konsequent.
Herr Sendel ließ es sich nicht ausreden, mich zum Bahnhof zu bringen. Dabei erzählte er noch, dass er sich im Frühjahr ein paar Tage in der Trichterstadt aufhalten würde. „Wir müssen das gemeinsame Abendessen dann unbedingt nachholen, Frau Dr. Nühm!“
„Wenn Sie mir mitteilen, wann Sie dort sind, werden wir weiter sehen“, erklärte ich sibyllinisch.
„Das werde ich, sobald ich den genauen Termin kenne“, versprach er. Dann verabschiedeten wir uns, wobei er mir eine gute Heimreise wünschte, und ich ihm [trotzdem!] einen schönen Abend.
Während die Hinfahrt im Zug recht zügig gewesen war, war die Rückfahrt eher zugig – echt wahr! Können die ihre Bahnabteile nicht ordentlich heizen? Als ich endlich wieder daheim ankam, war ich völlig durchgefroren, und niemand da, um mich aufzuwärmen.
Was für ein netter und freundlicher Mann.
Ich finde es wohltuend, wenn Männer darauf verzichten, einen anzugraben.
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Er hat sehr deutlich mit mir geflirtet. Wäre dem nicht so gewesen, hätte mich sein Insistieren eher genervt.
Ist das im Text nicht so rübergekommen?
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Nein.
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War halt mehr mit Blicken oder Gesten als mit Worten.
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Das fehlt natürlich.
Wobei ich aber Männer kenne, wo man das durchaus falsch verstehen könnte, die aber immer so sind.
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Das kann natürlich sein, ist auch nicht so wichtig.
Bis ich ihm das nächste wieder begegne (wenn überhaupt), dauert es noch einige Zeit.
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Tja, und wenn Herr Sendel dann in Trichterstadt ist, könnt Ihr (Du und Carsten) ihn gemeinsam zum Abendessen einladen, hihi. Ist ja womöglich auch ein interessanter Geschäftskontakt für Herrn Klugsch? Der arme Herr Sendel wird das zwar nicht so gut finden, aber er wird dann verstehen, weshalb Du sein Angebot ausgeschlagen hast. Ist ja auch was.
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Ich bin mir sicher, Anne hätte auch nix dagegen den Abend zu dritt ausklingen zu lassen – falls Carsten und Hr. Sendel d’accord wären.
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😎
Da mache ich mir keine Illusionen.
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Ich kann auch aus eigener Erfahrung sagen, das ist meist nicht so schön, wie man sich das vorher immer vorgestellt hat. Man kann sich halt nicht auf ein Gegenüber konzentrieren, sondern muss seine Aufmerksamkeit regelrecht teilen…
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Bis zum Frühjahr ist es noch lang.
Ob Carsten dann gerade Zeit hat, ist fraglich.
Es bleibt erst einmal nur abzuwarten.
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Man kann sich auch Sachen einreden.
Womöglich hatte er gar keine niederen Beweggründe für sein Verhalten. Er war einfach nur aufmerksam und zuvorkommend – ganz ohne Hintergedanken. Solche Menschen soll es geben!
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Wer redet denn von „niederen Beweggründen“?
Ich zumindest unterstelle ihm nichts dergleichen.
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Haha, genau, wieso sollte der Wunsch, die Nacht mit einer attraktiven Dame zu verbringen, ein „niederer“ Beweggrund sein? WTF ist das für eine toxische Femi-Denke?
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Full ACK
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Also im Text steht, dass er ihr ein Hotelzimmer besorgen wollte. Das ist doch sehr fürsorglich?
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Da steht nichts von „Hotelzimmer“.
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„Am einfachsten wäre es, wenn Sie hier übernachten, und dann morgen früh erst fahren. Ich organisiere gerne eine Übernachtungsmöglichkeit für Sie.“
Kein Hotelzimmer? Dann hat er wohl eine Übernachtungsmöglichkeit bei sich zu Hause gemeint?!
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Die konkrete Art der Unterkunft wurde nicht spezifiziert.
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Ich muss doch sehr bitten!
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Worum?
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Man sieht sich im Leben immer zwei Mal und wer weiß, vielleicht nützt man die zweite Gelegenheit. 😉
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Vielleicht klappt’s dann im Frühjahr mit dem gemeinsamen Essen.
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Tja,
hättest wohl doch erst am nächsten Morgen fahren sollen. Wäre dann sicher wärmer gewesen. Also dir 😉
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Da ich am Abend außerdem noch etwas vorzubereiten hatte, war es trotzdem sinnvoller, noch am gleichen Tag heimzufahren.
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Wer nicht will, der hat schon. Passt schon. Kein Grund zur Sorge.
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