Die Zukunft ist halbabstinent //2210

Im Urlaub hatten wir zu den Mahlzeiten meistens Wein getrunken. Während ich noch beschäftigt war, meinen Teller am Buffet zu füllen, hatte Carsten bereits Wasser und Wein bestellt. Weiß, rot, rosé .. nach was ihm eben gerade war. Ich trank halt dann mit, da ich auf ein anderes Getränk auch nicht gerade Lust hatte. Es war mich eigentlich fast egal.
Zweimal jedoch hatte Carsten auch Sekt bestellt. Und in beiden Fällen war mir anschließend leicht schlecht. Das erinnerte mich daran, dass mir schon öfter übel wurde, nachdem ich Sekt getrunken hatte, insbesondere, wenn dieser besonders kalt war. Mein Magen ist nun mal auf heißen Kaffee konditioniert.
Ehrlich gesagt, mag ich Sekt eigentlich gar nicht besonders. Und aus Wein mache ich mir auch nichts (außer Glühwein im Winter).
Nun gibt es halt immer wieder Gelegenheiten, bei denen Geschäftspartner von mir erwarten, dass ich mit ihnen anstoße. Eigentlich habe ich dazu gar keine Lust. Manchmal trinke ich zwar gerne ein Bier, aber auch nicht auf Kommando, sondern nur, wenn mir selbst gerade danach ist. Aber bei manchen Geschäftstreffen kommt man einfach nicht drum herum.
Also habe ich mir überlegt, ob es nicht das einfachste wäre, dem Problem aus dem Weg zu gehen, indem ich offiziell keinen Alkohol mehr trinke.
Dass ich gerne hin und wieder einen Cocktail oder einen Likör trinke, muss ich ja nicht sagen, genauso wenig wie meine Vorliebe für alkoholhaltige Pralinen und Desserts offenbaren.
Wenn ich mich bei geschäftlichen Anlässen als Antialkoholiker erkläre, muss das meinen Konsum in der Freizeit nicht beeinflussen.

So ähnlich wie mit dem Alkohol ist es auch mit dem Fleisch.
Immer wieder kriege ich blutiges Rindfleisch oder fettes Schweinefleisch angeboten. Das finde ich widerlich. Von Ente oder Gans wird mir schlecht (zumindest heftiges Sodbrennen ist zu erwarten). Auch Pute oder Lamm in einer ekligen Sauce möchte ich nicht essen. Nicht alle Meeresfrüchte finde ich genießbar. Und ich will auch ganz bestimmt kein Sushi.
Überraschend viele Personen akzeptieren dann kein freundliches „nein, danke!“, sondern beharren darauf, dass das Essen doch so lecker sei.
Bevor ich jetzt lang und ewig begründen muss, warum ich ein bestimmtes Gericht ablehne, wäre es am einfachsten, zu behaupten, dass ich mich vegetarisch ernähre. (Wenn ich Pech habe, setzen sie mir dann einen Veggie-Burger und alkoholfreies Bier vor. )
Tatsächlich esse ich nur wenig Fleisch. Aber ein paar Wurstsorten, Schinken, ab und zu ein Schnitzel oder auch gebackenen Fisch möchte ich nicht missen. Rechtfertigt das den Druck, auch Fleischgerichte essen zu sollen, auf die ich nicht nur keinen Appetit habe, sondern die ich sogar als abscheuerregend empfinde?
Viele Leute haben nämlich gar kein Verständnis dafür, wenn jemand einen anderen Geschmack hat, als sie selbst, und nerven, dass man es doch zumindest versuchen solle. Nur weil sie selbst etwas toll finden, heißt das ja noch lange nicht, dass ich es auch mag. Lasst euch euren Fraß schmecken, aber nötigt andere nicht dazu!
Bevor ich mich dann rechtfertigen muss, ist es einfacher, auf manche Dinge ganz zu verzichten.
Ich gebe ja zu, dass ich bei Essen schon sehr eigen bin. Irgendso ein Schickimickimenü widerstrebt mir. Ich mag die bodenständige Küche, wie ich sie von meiner Kindheit kenne. Fleisch gab es nur einmal pro Woche, gelegentlich Wurst oder Fisch. Das reicht. Mehr brauche und will ich gar nicht, und könnte auch ganz darauf verzichten, solange ich genügend andere schmackhafte Optionen habe.

Also bin ich jetzt beruflich vegetarisch und antialkoholisch, und privat eben nicht.
Und wenn es mal etwas gibt, das ich gerne zu mir nehmen würde, kann ich immer noch eine Ausnahme machen. Dann bin ich halt mal inkonsequent.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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33 Antworten zu Die Zukunft ist halbabstinent //2210

  1. mijonisreise schreibt:

    Ich kann diese Entscheidung nachvollziehen, geht es mir doch ähnluch, das es mir zuwider ist, much stets und ständig erklären zu müssen, warum man dieses und jenes eben nicht trinkt oder ißt.
    Wie du so richtig schreibst, ist es nicht nachvollziebar, warum Menschen einen doch noch dazu nötigen wollen, etwas zu probieren, das man schon höflich abgelehnt hat.
    Das empfinde ich immer sehr übergriffig und ich frage mich, ob ich wie ein Kind aussehe, das man überreden oder nötigen muss. ( Obwohl ich kein Freund davon bin, Kinder zum essen zu zwingen oder sonstiges).

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  2. blindfoldedwoman schreibt:

    Keine gute Idee. So wird jeder denken, Du bist trockener Alkoholiker.
    Was das Essen angeht, ist wohl Vegetarier die bessere Alternative. Jemand der so viele Dinge nicht mag , empfindet man bestenfalls als pingelig und nervig. Schon bei Kindern wird das kritisch gesehen, bei Erwachsenen hat man da noch weniger Verdständnis.

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    • Es gibt viele Leute, die Alkohol ablehnen, ohne jemals ein Problem damit gehabt zu haben. Daraus folgert niemand (auf den es ankommt) eine frühere Alkoholabhängigkeit.

      Was das Essen betrifft, habe ich halt durchaus meine Ansprüche und bin da vom guten Essen daheim verwöhnt. Insbesondere lege ich Wert darauf, selbst die Wahl zu treffen, was ich esse, und mich von niemandem dazu nötigen zu lassen – selbst wenn die Steaks, das Sushi, und was weiß ich, angeblich noch so toll sind. Ich will mir das nicht reinwürgen müssen.
      Da würde ich mich z.B. mit einem einfachen Nudelgericht (ohne seltsame Gewürze) oder meinetwegen mit einem Käsebrot begnügen. Ich erwarte ja gar keine Extrawürste, hatte noch nie Probleme in der Mensa oder einer Kantine – von wegen „pingelig“.

      Warum akzeptieren die Leute nicht einfach, dass man einen anderen Geschmack hat?

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      • blindfoldedwoman schreibt:

        Weil es eben ungewöhnlich ist, wenn jemand so speziell ist. Man verbindet das mit “ schlecht erzogen“, „sehr spleenig“ oder „hinterwälderisch“. Wusstest Du, dass so eine selektive Auswahl beim essen verbreitet unter Aspies ist?

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        • Meine Abneigungen gegenüber manchen Speisen sind überhaupt nicht ungewöhnlich.
          Es ist völlig normal, dass einem nicht jede Speise gleich gut schmeckt. Das reicht von „ess‘ ich keinesfalls“ über „nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt“, „ist in Ordnung, aber nicht begeisternd“, „ess‘ ich ganz gern“ bis zu „wahnsinnig lecker“. Die Übergänge sind fließend, und die Priorisierung kann jeder nur individuell für sich allein bestimmen.

          Einfache Speisen sind mir lieber als eine überkandidelte Küche. Und ich mäkle auch nicht herum, solange man nur nicht versucht, mir etwas stur aufzudrängen, das ich bereits höflich abgelehnt habe.
          Wenn ich mir etwas selbst ausgesucht habe, und es stellt sich dann heraus, dass es mir nicht schmeckt, so war das mein eigenes Risiko, und ich esse es trotzdem.
          Aber ich lasse mir – verdammt noch mal! – nicht die Vorlieben von anderen Personen aufzwingen.

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  3. Ochmonek schreibt:

    Ich bevorzuge Ausreden, die mich nicht so ideologisiert erscheinen lassen.

    Alkohol: Ich muss noch fahren! (Auch wenn klar ist, dass das nicht der Fall ist.)
    Alkohol von einer Frau angeboten: Würden Sie gleich noch zu mir ins Auto einsteigen, wenn ich das jetzt trinke?
    Kaffee: Hat mein Arzt verboten! (Stimmt sogar, ich mag das Zeug aber auch nicht.)

    In die Situation übermäßige Nahrungsangebote abzulehnen komme ich eigentlich nur gegenüber meinen Eltern und Schwiegereltern. Da half bisher nur konsequente Ablehnung von meiner Seite was dann zu Unverständnis und leichter Beleidigung auf der Gegenseite führte. Wo ich jetzt so darüber nachdenke, werde ich wohl demnächst mal den Nachschlag mit „Ich bin im Hungerstreik.“ ablehnen.

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    • Normalerweise muss ich dann nicht mehr Auto fahren. Bei früheren entsprechenden Gelegenheiten hieß es dann sinngemäß: „Ach, ist ja nur ein Schlückchen Sekt, das geht schon.“
      Kaffee lehne ich eigentlich nie ab (außer wenn die Zeit dafür zu knapp ist).

      Ja, dieses latente Beleidigtsein, wenn man das Essen abgelehnt hat, ist so störend. Das würde ich gerne umgehen.

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  4. agrajag schreibt:

    Finde diese plan nicht super. Wenn du behauptet nicht-trinker und Vegetarier zu sein obwohl du in wahrheit eigentlich wenig-trinker und wenig-fleich-esser bist wirst du in eine Luge gefangen.

    Du muss dann genau aufpassen -wann- und mit -wer- du trinkt oder Fleisch isst so das dich keine „ertappt“, kann deshalb z.b. niemals ein einziges glas Alkohol mit der Arbeit trinken ohne dich zu „outen“.

    Wieso nicht: „Ich versuche auf meine Gesundheit zu achten und trinke selten Alkohol“

    Dann macht dir keine druck mehr zu trinken, jede (oder zumindest jeder der kein Archloch ist) versteht wenn du nein sagt — aber du kannst auch mal „ja“ sagen wenn dir danach ist.

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  5. Pendolino70 schreibt:

    Ich trinke einfach alkoholfreies Bier. Schmeckt gleich wie normales Bier, hat weniger Kalorien und niemand merkt was.

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  6. Mia schreibt:

    Ich denke, es wird „Frau Nühm“ relativ gleichgültig sein, was die Leute denken. Aber es stimmt, Alkohol abzulehnen,wird in der Regel als trockener Alkoholismus interpretiert.

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  7. ednong schreibt:

    Hm,
    Angebote nur mittels Ideologien ablehnen zu können, ist mMn Blödsinn. Ich stimme dir allerdings zu, daß es nerven kann, wenn man das immer mit ehrlichen Aussagen ablehnt. Kenne ich zu gut. Aber so sind die nunmal – haben alle dein bestes im Sinne. Am besten hast nicht drüber aufregen.

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  8. jezek schreibt:

    ich esse und trink einfach alles, macht das Leben viel einfacher 🙂

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  9. Mika schreibt:

    Wenn ich keinen Alkohol mag, dann nehme ich halt angeblich ein Medikament, das sich damit nicht verträgt. Irgendwas gegen Migräne, Blutdruck, Heuschnupfen etc. das versteht jeder und es ist unverfänglich.

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    • Hm .. das wäre eine Möglichkeit.
      Andererseits hat die Einnahme von Medikamenten immer einen „ungesunden“ Touch. Das möchte ich eigentlich vermeiden.
      Wenn ich tatsächlich Medikamente nehmen müsste, würde ich das den Leuten auch nicht auf die Nase binden.

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      • Mika schreibt:

        Tja, dann bleibt nur der direkte Weg.
        Danke, ich hätte gerne ein Wasser, Saft, Tee, Kaffee, etc. ohne jede Erklärung.
        Ich hab mir einige Weine eingeprägt, die garantiert keiner hat. Ich trinke nur diesen oder jenen Riesling aus einer bestimmten Lage. Macht aber nix, wenn der nicht da ist, dann nehme ich halt ne Traubenschorle. Fertig. Ich erkläre mich nicht, wenn ich nicht will.

        Wenn ich in Lokalen eingeladen war, erklärte ich der Bedienung vorab , das in meinem Schnapsglas bitte Wasser zu sein hat, egal, was ich bestelle. Hat immer gut geklappt.

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        • Meistens funktioniert die klare Ablehnungsstrategie ja schon, aber eben nicht immer.
          Für diese Fälle ließe sich die Diskussion beenden, wenn ich Alkohol generell ablehnen würde.
          Das mache ich halt beim Schnäpschen danach schon mal nicht, das ich als Digestif schätze.

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