Ein Blick in die Vergangenheit //2197

In meiner Schulzeit war ich im Wesentlichen Einzelgängerin und auch etwas Außenseiter. Das schloss nicht aus, dass ich mit einer Gruppe Mädchen (darunter meine Cousine Kathrin, die in eine Parallelklasse, zeitweise sogar in dieselbe Klasse ging) befreundet war. Diese waren – ähnlich wie ich – ruhig, brav und strebsam. Wir verbrachten die Pausen zusammen und tauschten uns aus darüber, was für unseren Schulalltag relevant schien.
Nach dem Abitur verloren wir uns schnell aus dem Augen (selbst mit Kathrin hielt ich nur noch lose verwandtschaftlichen Kontakt). Eine, die in derselben Stadt studierte, traf ich dort zufällig noch zwei oder drei mal. Der ältere Bruder einer anderen studierte an der gleichen Fakultät wie ich. Ihn sah ich hin und wieder, so dass wir zumindest Grüße austauschen konnten. Das war alles.
Während wir uns in unserer Jugend immer gut verstanden hatten, nervte Kathrin nur noch, als sie etliche Jahre später nach $NichtImSauerland zog. Wir hatten uns in den dazwischenliegenden Jahren völlig auseinanderentwickelt. Vielleicht erinnern sich langjährige Leser ja noch daran, dass Kathrin es sich in den Kopf gesetzt hatte, mich mit einem „netten“ Mann zu verkuppeln. Als ob ich irgendsoeinen rückgratlosen Pudel wollte! Es ist gut, dass sie jetzt wieder in der alten Heimat wohnt, und dort inzwischen eine Familie hat. Unser Kontakt beschränkt sich auf zwei bis drei Nachrichten im Jahr und sporadische Familienfeste.

Kürzlich, als ich bei der mütterlichen Geburtstagsfeier war, schauten wir dort ein paar alte Fotos an. Da kamen viele Erinnerungen wieder hoch, weshalb ich jetzt wieder ein paar hier aufgeschrieben habe.

Die Entlassfeier der Abituria fand eines Abends in der Stadthalle der Kreisstadt statt. (Den Abiball am nächsten Abend besuchte ich übrigens nicht.) Die nächsten Verwandten waren ebenfalls eingeladen. Der Schuldirektor, der Bürgermeister, der Vorsitzende des Elternbeirats und was weiß ich, wer sonst noch alles, hielten Reden, bevor schließlich die Abizeugnisse in geschlossenen Umschlägen verteilt wurden, indem jeder Abiturient namentlich aufgerufen wurde, um dann nach vorne zu gehen und den jeweiligen Umschlag überreicht zu bekommen.
Eigends zu diesem Anlass hatte ich ein neues Kleid bekommen: mittlere Länge, weit schwingend, hochgeschlossen, aber schick in seiner bestechenden Schlichtheit (sprich ohne Rüschen und Schnörksel).

Eben dieses Kleid trug ich auch ein paar Wochen später bei einer Familienfeier. Davon gab es einige Fotos. Auf einem davon war ich besonders gut getroffen. Dieses Foto fiel Carsten auf. „Wow! Was für eine wunderschöne junge Frau.“
Mit zeitlicher Distanz muss ich zugeben, dass er recht hatte. Aber – „Das hat mir damals nur niemand gesagt. Ich war nur die verschrobene, dürre Bohnenstange.“
Verdammt! Das ist über zwanzig Jahre her. Seither habe ich mich weiterentwickelt vom verunsicherten Landmädchen zu einer selbstbewussten, erfahrenen Frau. Meine Jugend mag zwar inzwischen ziemlich vergangen sein, aber mein Körper hat sich schlank, straff und knackig gehalten. Im Rückblick erstaunt es mich, mit welcher Wirksamkeit es damals Nachbarinnen, Mitschülerinnen, Verwandte und sonstige Bekannte schafften, mir subtil einzureden, ich sei für Männer völlig unattraktiv.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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14 Antworten zu Ein Blick in die Vergangenheit //2197

  1. Christian_who schreibt:

    Das ging mir ähnlich. Bei mir durch einen Sprachfehler.
    Erst als ich Vorstandsvorsitzender eines sehr erfolgreichen Unternehmens wurde war ich plötzlich der Star in der Familie.

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  2. blindfoldedwoman schreibt:

    Schon interessant, wie prägend die Umwelt sein kann. Ich hatte solche Probleme nie, war sogar mit 18 schon Wäschemodell.

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  3. Mia schreibt:

    Netter Mann = rückgratloser Pudel. :)))))
    Dann dürfte dein Gatte entweder die Widerwärtigkeit oder die Geradlinigkeit in Person sein. Oder möglicherweise auch beides?

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  4. MartinTriker schreibt:

    Ist leider normal. Was mir Sorgen macht, meine kleine Tochter mit ihren 6 Jahren, Noch-Kindergarten-Kind, ist auch schon mal in Tränen ausgebrochen weil sie denkt sie sei nicht schön. Das macht Einen hilflos.

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  5. keloph schreibt:

    selbstvertrauen gibt einem ja grad die fähigkeit, zu sich zu stehen, auch wenn es gegen den strom geht.

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