Personaliges //2168

Bevor ich zum eigentlichen Kern komme, muss ich wohl erst einmal ein paar Vorinformationen geben, die für das Verständnis der Angelegenheit notwendig sind.

In unserer Fertigung gibt es eine Gruppe von Arbeiterinnen, die bestimmte feinmechanische Arbeiten ausführen. In den Standorten 4 und 5 gibt es ähnliche Gruppen, die praktisch das gleiche machen. (In Standort 6 sind ähnliche Arbeiten fällig, aber das lassen wir vorläufig außen vor).
Insgesamt sind also mehr Mitarbeiter beschäftigt, als wir für diese Arbeiten brauchen. Eine gewisse Redundanz ist in Ordnung, aber es muss nicht an jedem Standort Redundanz geben. Zwei dieser Gruppen würden firmenweit absolut ausreichen, um die nötigen Arbeiten durchzuführen.

In Kürze stehen in unserer Fertigung Umbauarbeiten an. Zur Vorbereitung musste da erst einmal Platz geschaffen werden. Deshalb habe ich die Feinmechanik vorläufig in Standort 1a umquartiert. Sie brauchen dafür keine großen Maschinen, sondern können viele Arbeiten (zumindest vorübergehend) auch dort ausführen. Arbeiten, für die spezielleres Werkzeug benötigt wird, müssen halt in Standort 4 oder 5 erledigt werden.
Die Umbaumaßnahmen bringen es mit sich, dass auch nach dem Umbau kein Platz mehr für die Feinmechanik sein wird. Wir schaffen uns einige neue Maschinen an. Eine davon kann einen Teil der feinmechanischen Aufgaben übernehmen.

Lange Rede – kurzer Sinn: Die Arbeiterinnen werden überflüssig.
Durch die neue Maschíne wird es ausreichen, nur an einem Standort noch eine Feinmechanikgruppe zu behalten. Ich schwanke noch, ob wir die an Standort 4 oder 5 behalten werden (langfristig möchte ich diese Art Arbeit eigentlich ohnehin zu Standort 3 auslagern). Was unsere neue Maschine nicht kann, wird firmeneinheitlich dann an nur noch einem Standort erledigt. Das nennt man Synergie. Es ist einfach effizient, bei mehreren Standorten, bei denen ähnliche Arbeiten anfallen, diese Arbeiten nur noch an einem durchführen zu lassen. (Entsprechende Überlegungen gibt es übrigens zu fast jeder Abteilung. Die Umsetzung gehen wir behutsam an. Ein Großkonzern wäre da um einiges rigoroser.)

So. Was mache ich jetzt aber mit meinen Arbeiterinnen hier?
Eine wird in absehbarer Zeit in Rente gehen. Bis dahin werde ich nichts unternehmen.
Eine könnte ich mit viel gutem Willen – wenn auch nur zur Überbrückung und keinesfalls als Dauerlösung, und vorzugsweise nur Teilzeit – noch hier einsetzen, wenn unvorhergesehen derartige Aufgaben anfallen, oder als Redundanz, oder als „Mädchen für alles“. Eine, aber nicht drei.
Eine weitere würde ich vermutlich bei Standort 6 unterbringen können. Ob die Entfernung noch zumutbar ist, darüber könnte man streiten.
Bliebe immer noch eine übrig, für die ich keinerlei Einsatzmöglichkeit mehr sehe.
Diese Arbeiterinnen arbeiten schon viele Jahre zuverlässig bei uns. Ich möchte sie nicht einfach sang- und klanglos entlassen, obwohl das „aus betrieblichen Gründen“ zulässig ist.
Es sind keine ausgebildeten Fachkräfte, sondern sie wurden ursprünglich halt ein paar Wochen lang eingearbeitet. Für diese Aufgaben braucht es feinmotorische Geschicklichkeit, Geduld und eine gewisse Resilienz gegen langweilige Routinetätigkeiten, aber keine weitergehende Qualifikation.
Für unseren Betriebschor wird es ein herber Verlust. Eine singt regelmäßig mit, eine andere zumindest gelegentlich.

Also was mache ich jetzt?
Soll ich den Arbeiterinnen nahelegen, sich schon mal nach einem anderen Job umzusehen? Oder erst mal noch abwarten?
Auf Dauer werden sie gehen müssen. Das bin ich auch den anderen Mitarbeitern schuldig, um deren Arbeitsplatz zukunftsfähig zu sichern.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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15 Antworten zu Personaliges //2168

  1. keloph schreibt:

    genau diese art überlegung hat mich irgendwann überzeugt, dass eine solche art aufgabe nicht meine sein soll. für den unternehmer täglich brot. ich beneide dich nicht, vertraue aber auf dein glückliches händchen, einen „guten“ weg zu finden.

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Wenn es denn unbedingt sein muß, mach es sozial verträglich. Wenn sie ungelernt und älter sind, wird es sehr schief gehen.

    Stelle am besten soziale Kriterien auf und versuche, es nachvollziehbar und schlüssig zu formulieren.

    Gibt es befreundete Unternehmen, die sie brauchen können?

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    • Wir haben kaum ungelernte Arbeitnehmer. Die wenigen anderen haben Unterhaltsverpflichtungen, und einer ist schwerbehindert.
      Deshalb kann es nur diese Arbeiterinnen treffen.

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      • Plietsche Jung schreibt:

        Unterhaltsverpflichtungen sind persönliches Schicksal und tragen nicht zum Sozialplan bei.

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        • So einfach ist es nicht, einem Familienvater zu kündigen.
          Laut § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sind für die Sozialauswahl ausschließlich die Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen.

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          • Plietsche Jung schreibt:

            Ihr seit zumindest so groß, dass ihr einen Betriebsrat und einen Sozialplan haben müsstet. Darin sollte das entsprechend dem Arbeitsrecht geregelt sein.

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            • Irenicus schreibt:

              Keine Firma MUSS einen Betriebsrat haben. Soweit ich Annes Anekdoten/Erzählungen kenne, gibt es auch keinen. Bei einigen Dingen, wäre ein Betriebsrat im Dreieck gesprungen.

              @Anne
              Stell einen Sozialplan mit entsprechenden Kriterien auf, und informiere die Mitarbeiter so früh wie möglich, damit sie sich was suchen können. Das ist das einzig Faire.
              Beachte aber, dass das auf die Moral und die Qualität der Arbeit Einfluss hat.

              Gibt es Alters-Renten-Regelungen? Also Zum Beispiel Altersteilzeit, oder ähnliches? In der Firma meiner Frau kann man 6 Jahre vor regulärem Renteneintritt, in altersteilzeit gehen und arbeite dann 2 Jahre voll, 2 halbtags, 2 gar nicht mehr, bei dauerhaft 90 Prozent des Gehalts.
              Manchmal kann man sowas einsetzen um niemanden vor die tür zu setzen.

              Denkt auch über Umschulungsmassnahmen nach. Evtl. habt ihr ja Stellen zu besetzen, die jemand nach einer 1- oder 2-jährigen Ausbildung machen kann.

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            • Doch, wir haben einen Betriebsrat, und i.A. ein gutes und konstruktives Verhältnis.

              Umschulung kommt hier nicht in Frage. Die betroffenen Mitarbeiterinnen haben (höchstens) Hauptschulabschluss. Das ist eine zu schwache Basis, um darauf aufzubauen.
              Außerdem haben wir zumindest derzeit keinen entsprechenden Bedarf und passende freie Stellen. Was in ein oder zwei Jahren sein wird, kann man jetzt freilich noch nicht wissen.

              Wir werden uns wirklich bemühen, die Angelegenheit möglichst sozialverträglich zu gestalten. Ich habe nicht die Absicht, die Mitarbeiterinnen so ohne weiteres zu entlassen. Abstriche und Einschränkungen werden sich aber nicht ganz vermeiden lassen.

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  3. Mia schreibt:

    Du machst dir Sorgen um euren Betriebschor? 😕 Dessen Zukunft und „herbe Verlust“, wird den Arbeiterinnen herzlich egal sein, wenn um ihre Existenz geht.
    Biete ihnen eine großzügige Abfindung an, stelle ihnen ein excellentes Arbeitszeugnis aus und fahre deine Fühler aus, um sie anderweitig unterzubringen. So kannst du ihnen helfen. Und warte mit der Überbringung der „Neuigkeiten“ nicht bis zum allerletzten Moment. Das kommt nie gut.

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  4. ednong schreibt:

    Kann man sie vielleicht qualifizieren für andere Tätigkeiten? Mag vielleicht erst einmal ein Kostenfaktor für euch sein, wenn sie jedoch Interesse haben und motiviert sind, dürfte es euer Gewinn sein.

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  5. Pingback: Let’s Tweet Again //2356 | breakpoint

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