Wenn man nicht einschlafen kann, soll man Schäfchen zählen. Angeblich hilft das. Mir hat das noch nie etwas gebracht, und ich dachte immer der Vorschlag sei metaphorisch (und nicht wirklich ernst) gemeint, dass man halt an etwas langweiliges, routineartiges denken soll.
Bereits vor längerer Zeit habe ich mal erfahren, dass es Leute gibt, die tatsächlich Bilder von hüpfenden Schafen vor dem inneren Augen haben. Sie sehen Details, Farben, die Bewegung der Schafe, Bäume, Wiesen, den Himmel, .. Das soll angeblich sogar der Normalfall sein.
Mit Mühe und äußerster Konzentration gelingt es mir, ein einziges Schaf in vagen Umrissen und schemenhaft zu erkennen. Um es über einen Zaun hüpfen zu lassen, habe ich schon keine Kraft mehr. Das Bild in meinem Kopf ist fast statisch, kaum mehr als eine rudimentäre Bleistiftskizze, und verflüchtigt sich in kurzer Zeit, so dass ich kein weiteres Schaf visualisieren kann. Der Denkprozess ist anstrengend, und beansprucht meine Aufmerksamkeit, so dass davon keine Bettschwere zu erhoffen ist.
Mein Kopfkino kann kaum Rastergraphik. Vektorgraphik ist (zyklusabhängig) ein wenig besser. Recht gut dagegen kann ich mir Vorgehensweisen oder sequentielle Abläufe mental konstruieren.
Wie geht es euch damit? Seht ihr detailreiche, bunte Schäfchen? Nur Silhouetten? Gar nichts?
Ist eure intrinsische Wahrnehmung 2D-flach, 3D-räumlich, oder gar 4D-bewegt?
Wenn ich in Romanen langatmige Beschreibungen von z.B. Landschaften las, so langweilte mich das, so dass ich diese Passagen nur überflog, am liebsten ganz übersprungen hätte.
Erstaunlicherweise scheinen manche Leute durch solche Beschreibungen ein tatsächliches Bild in ihrem Kopf aufzubauen. Für mich unvorstellbar.
Bei dem, was ich als mein Kopfkino oder inneres Auge bezeichne, handelt es sich nicht tatsächlich um einen visuellen Eindruck. Da existiert durchaus eine gewisse Vorstellung, aber die „sehe“ ich nicht, sondern es ist eine wesentlich abstraktere Erfahrung.
Wie könnte ich das veranschaulichen? Probieren wir’s mal so:
Stellt euch vor, ihr schaut durch eine dicke Milchglasscheibe in einen schlechtbeleuchteten Raum. Drinnen schwingt ein einfaches Drahtmodell wie ein Mobile langsam hin und her. Die Vertexkoordinaten sind mir allerdings auf eine gewisse Weise bewusst, die über einen optischen Sinneseindruck hinausgeht.
ich bin da eher wie du glaube ich. schäfchen zählen ist aber für mich einfach unsinn. ich liege einfach gedankenleer, bis der schlaf dann kommt. und es gibt schriftsteller, deren wirklich langatmige beschreibungen dennoch faszinierend sind, echte könner wie zum beispiel günter grass. lebhafte bilder erzeugen sie dennoch nicht. es ist eher die genialität, an die ich mich immer wieder erinnere…..
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Was ist mit Gesichtern? Könnt ihr die visualisieren? Und wie ist es mit Erinnerungen? Habt ihr die klar vor Augen und lösen Sie Emotionen aus? @keloph Bist Du nicht Synästhetiker?
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erzählungen lösen so etwas selten aus, aber es existiert eine diffuse vorstellung mit assoziierten emotionen, allerdings nicht sehr ausgeprägt.
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Kannst Du Dich erinnern, wie Du Deine Kinder zum ersten Mal auf dem Arm hattest?
Siehst Du das vor Dir? Und kannst Du das Gefühl wieder abrufen?
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Ja und nein
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Viel mehr als unscharfe Mondgesichter (Punkt, Punkt, Komma, Strich) sehe ich nicht.
Ich bin ja eh ziemlich gesichtsblind.
Reine Bilder lösen bei mir nur sehr selten etwas aus. Andere Sinneseindrücke schon eher.
So habe ich erst gestern z.B. ein Eis gegessen, und der Geschmack erinnerte mich plötzlich an eine Begebenheit in meiner Kindheit.
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Geschmack und Geruch sind bei mir auch stark ausgeprägt.
Sind Deine Erinnerungen völlig frei von Bildern? (den visualisierten)
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Es gibt einzelne, unscharfe Schnippsel.
Es ist nicht so, dass ich gar keine Bilder sehe, aber vergleichsweise sind es wohl doch nur sehr wenige, und die in mieser Qualität.
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Manchmal ist es schon schwierig, nachts den Kopf frei zu kriegen.
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ja, das habe ich oft erlebt. dennoch hat am ende immer der schlaf gesiegt.
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Hm, mein Kopfkino ist 3D, HDR und 5K in Technicolor und oft mit Surroundsound. Ich kenne das gar nicht anders. Bin nur froh, daß mein Geruchssinn da weitgehend ausgeklammert ist.
3D-Modelle (Draht oder solide) kann ich problemlos im Kopf rotieren oder, wie mit einer Kamera-Drohne, umfliegen. Abläufe visualisieren geht auch prima. Schon aus vagen Andeutungen versucht mein Hirn etwas visuelles zu basteln. In Geometrie und verwandten Fächern war ich immer recht gut. Probleme hatte ich dagegen mit abstrakten Dingen, die ich nicht visualisieren konnte. Wenn ich etwas nicht visualisieren kann, dann habe ich Probleme es zu begreifen, was mir früher meine Mathe-Noten mit schöner Regelmäßigkeit verhagelt hat. Ohne Hilfskonstruktion wird’s schwer für mich.
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Dagegen ist mein Kopfkino schon wirklich kümmerlich.
Bei mir geht das Denken wohl weniger bildlich, sondern eher sprachlich.
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Na ja, ich bin Aspie. „Thinking in Pictures“. Kenne aber Andere, die Wahrnehmungen auch völlig anders verarbeiten. Da habe ich dann selbst wiederum kaum Zugang dazu.
Ich kann zwar auch Sprache gut verarbeiten, aber Sprache erzeugt bei mir immer Bilder oder auch ganze Szenerien, erzeugt Zusammenhänge und Muster in denen ich dann Gesetzmäßigkeiten erkenne.
Das hier illustriert die Unterschiede zwischen „sprachlich Denkenden“ und „in Bildern Denkenden“ ganz gut:
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Ist es nicht faszinierend, wie unterschiedlich die Menschen denken?
Da denkt man jahrzehntelang, das die Art und Weise, Informationen im Gehirn zu verarbeiten, in gewisser Hinsicht „standardisiert“ ist, aber dann hat jeder doch seinen proprietären Prozessor im Kopf.
Ist wohl auch das Thema der Qualia.
Meines Wissens hat das rein bildliche Sehen aber nichts mit Asperger-Syndrom zu tun – da scheint es eher eine Korrelation in die entgegengesetzte Richtung zu geben.
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Angeblich ist das völlige Fehlen von Bildern auf einen Hirndefekt zurück zu führen.
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Vielleicht, wenn man gar nichts sieht.
Ich halte es aber immer noch für physiologisch, nur wenig zu sehen, und glaube sogar, dass das den meisten Menschen so geht.
Es erzeugt ja keinen Leidensdruck, wenn man im Kopf nur deutlich schlechtere Bildqualität hat als in der Realität.
Man selbst hält das für völlig normal, so dass es keinen Anlass gibt, es zu thematisieren und mit anderen zu vergleichen.
Wie bist du eigentlich darauf gekommen, dass du von Aphantasia betroffen bist? Gab es da vielleicht einen Auslöser, dies zu erkennen?
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Ja. Mein mangelhaftes Langzeitgedächtnis. Deswegen hab ich mich auch komplett durchchecken lassen. Darauf gekommen bin ich dann aber selbst durch einen Artikel. Noch lange vor dem bekannten Post von Blake Ross. (Firefox)
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Soweit ich mich erinnere, habe ich von dir das erste Mal über Aphantasia gehört.
Vorher dachte ich, dass es ganz normal sei, kein wirkliches, visuelles Bild zu sehen.
Ha – ich habe inzwischen meinen Mann gefragt, wie es ihm damit geht: Er glaubt mir nicht, dass es Leute gibt, die tatsächlich mental Bilder visualisieren. Zitat: „Die bilden sich das nur ein.“
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Zeig ihm mal den Post von Blake Ross.
https://m.facebook.com/notes/blake-ross/aphantasia-how-it-feels-to-be-blind-in-your-mind/10156834777480504/
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Ich dachte auch lange, alle Leute hätten dieselbe Wahrnehmung wie ich und war sehr erstaunt über die Gedankengänge anderer Leute. Meine Diagnose habe ich erst seit 2 Jahren (bin über 50).
Autismus ist ein Spektrum. Da gibt’s ganz unterschiedliche Typen. Bei Aspies lassen sich grob 3 Wahrnehmungs-Gruppen unterscheiden. Natürlich gibt es Überschneidungen:
– Photorealistische Denker (schlecht in Algebra)
– Pattern Thinker (Musik und Mathematik)
– Verbal Mind (Enzyklopädie auf 2 Beinen)
Wer wissen will, ob er sich im autistischen Spektrum bewegt, kann das hier testen:
http://www.rdos.net/de/index.php
Viele Leute sind erstaunt, wenn sie feststellen, daß sie „im Spektrum“ sind. Vor allem Frauen, bei denen sich das völlig anders äußern kann als bei Männern.
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Vermuten tue ich das ja schon länger.
Bei mir ist es wohl eine Überlagerung aus Mustererkennung und sprachlichen Denken.
Die bildliche Vorstellung bleibt halt dann auf der Strecke.
So, jetzt muss ich mich aber auf den Weg machen.
Schönen Feiertag! (falls zutreffend)
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Bei mir sieht es so aus:
Your neurodiverse (Aspie) score: 166 of 200
Your neurotypical (non-autistic) score: 41 of 200
You are very likely neurodiverse (Aspie)
http://www.rdos.net/eng/poly10a.php?p1=100&p2=83&p3=98&p4=77&p5=76&p6=77&p7=72&p8=84&p9=71&p10=87
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Hoppla, dein Kommentar war im Spam gelandet.
Bei dir sieht die Sache eindeutig aus, während bei mir Aspie zwar überwiegt, aber auch noch ein bisschen NT vorhanden ist.
Neurodivers – den Ausdruck kannte ich noch nicht.
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Guckt Euch mal diesen TED-Talk an. Temple Grandin beschreibt sehr schön, wie „Thinking in Pictures“ funktioniert:
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while (not alseep) {sheep++};
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while (not asleep) {sheep++}; //sollte es heißen
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Runtime Error: ACCESS_VIOLATION
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Compiler Error: Unrecognized Expression
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Mir hilft es eher mir vorzustellen wie Anne Nühm mit entblößtem Hinterteil vor mir über den Tisch gebeugt ist und was dann folgt. Einfach eine angenehme Phantasie aufbauen. Das nimmt mich dann mit in das Land der Träume
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Ein geruhsamer Schlaf ist dann aber nicht zu erwarten. Das kann aufregend wilde Träume auslösen!
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Das ist es doch was ich haben möchte Anne 🙂
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Dann wünsche ich dir eine schöne, lange Nacht!
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Bevor ich an Schafe denken kann, schlaf ich schon tief und fest. Länger als 2 Minuten brauch ich fast nie zum Einschlafen.
Bilder seh ich auch nicht so richtig vor meinem geistigen Auge, glaub ich. Gesichter kann ich mir nur ganz schwer merken. Meine Nachbarn erkenn ich nur am Hund. Viecher kann ich mir lustigerweise merken.
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Du Glückliche! Wenn ich nach einer halben Stunde eingeschlafen bin, kann ich schon froh sein. Sehr oft brauche ich deutlich länger.
An Gesichtern merke ich mir Frisur, eventuell Brille oder Bart. Stimme, Statur, Kleidungsstil, die Art sich zu bewegen tragen auch zur Wiedererkennung bei.
Mit diesen Kriterien kommt man schon ziemlich weit.
Aber wehe, jemand stylet sich um! 🙄
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Oder taucht in einem anderen Umfeld auf…erkennen, aber nicht zuordnen können ist auch blöd.
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Ich erkenne viele gar nicht. Nur Leute, mit denen ich viel Kontakt habe.
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Auf einer Ausstellung habe ich mich mal selbst nicht erkannt, als eine Kamera mich aufgenommen hat und der Film auf einem großen Monitor dargestellt wurde.
Ich wunderte mich nur, dass da ein Mädchen mit der gleichen Jacke und Frisur angezeigt wurde – bis dann der Groschen doch noch fiel.
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