Auf Spurensuche //2054

Nachdem ich von Benjamin erfahren hatte, dass Philipp verschwunden war, versuchte ich mehrmals, ihn anzurufen. Ohne Erfolg. Also schrieb ich ihm eine Mail (an zwei verschiedene Adressen). Als ich nach drei Tagen immer noch keine Antwort erhalten hatte, probierte ich es noch einmal mit einer anderen Adresse, aber auch keine Rückmeldung.
Allmählich machte ich mir richtige Sorgen um Philipp. Ich ging zu seiner Wohnung und klingelte. Als niemand öffnete, steckte ich einen Zettel in den Briefkasten, dass er sich doch bitte melden möge.

Er hatte mir einmal erzählt, wie er aufgewachsen war. Ähnlich wie ich war er in einer ländlichen Kleinstadt groß geworden. Vielleicht hatten wir uns ja auch deshalb so gut verstanden, weil wir in dieser Hinsicht ähnliche Erfahrungen und vergleichbaren Hintergrund haben.
Seine Eltern sind einfache Leute und verhältnismäßig alt. Philipp war auf die Welt gekommen, als seine Eltern ihren Kinderwunsch bereits aufgegeben hatten. Entsprechend war er ihr ein und alles, und wurde als Einzelkind so verwöhnt, wie es die finanziellen Verhältnisse seiner Eltern zuließen. Seine Eltern sind sehr stolz auf ihn, da er der erste Akademiker in der ganzen Verwandtschaft ist.

Mit Hilfe eines Online-Verzeichnisses suchte ich die Telefonnummer von Philipp’s Eltern. Dann musste ich mich nur noch aufraffen, meine Telefonaversion zu überwinden, um sie anzurufen.
Na klar – bei den ersten beiden Versuchen ging niemand ran.
Dann endlich:
Eine Frauenstimme: „$Nachname.“
„Hier Anne Nühm. Ich bin eine .. Freundin .. äh .. Kollegin .. von Philipp. Er hat sich schon länger nicht mehr gemeldet, auch nicht bei seinem Doktorvater. Wir wüssten gerne, was mit ihm los ist.“
„Ach je .. Philipp .. oh .. ich muss mich erst mal setzen.“
Ich hörte Geräusche, vermutlich das Verschieben eines Stuhles. Dann hörte ich wieder die Stimme: „Ach, Philipp, .. ja, ich weiß auch nicht genau .. er war zuletzt vor Weihnachten da, völlig aufgewühlt. So kenne ich ihn gar nicht. Er hat nichts weiter erzählt, war schon immer so verschlossen. Er hat dann gesagt, dass er eine Pause braucht, und mit der Uni erst mal aufhört. Wo er doch so kurz vor dem Ziel war! Aber er hat nicht gesagt warum.“
Sie erzählte dann noch weiter, gelegentlich unterbrochen von meinen Zwischenfragen.
Wie auch immer – Philipp ist auf Reisen, irgendwo im Ausland. Er hat zwar kaum Geld, aber angeblich jobbt er, wo immer sich etwas bietet. Etwa alle zwei Wochen bekommen seine Eltern eine Karte von ihm. Sonst hören sie ebenfalls nichts von ihm, wissen nicht wo er sich gerade aufhält. Aber er scheint soweit gesund und wohlauf zu sein.

Ich beendete das Gespräch mit der Bitte, Philipp auszurichten, er solle sich bei mir oder seinem Doktorvater melden, sobald er wieder Kontakt mit seinen Eltern aufnimmt.
Dann gab ich Benjamin noch kurz deswegen Bescheid.
Mehr kann ich jetzt in dieser Angelegenheit nicht tun.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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10 Antworten zu Auf Spurensuche //2054

  1. Leser schreibt:

    Ich muss sagen, da bewundere ich den Philipp doch ziemlich – der Mann ist konsequent, wenn er eine Auszeit braucht, dann nimmt er sie sich und geht dabei auch „unwägbare Risiken“ ein. Vielleicht ist auch eine gründliche Scheißegal-Haltung dahinter, aber auch gut.
    Ich würde mich sowas ja nicht trauen, einfach so ab ins Ausland. Hatte ich nach dem Abi mal vor, ist aber nie was draus geworden, und jetzt hab ich das Gefühl, zu alt für Abenteuer zu sein.
    Naja, es freut mich, dass er soweit wohlauf ist, und tatsächlich das richtige für sich selbst getan hat. Vielleicht kommt er dann sogar mit der Haltung zurück, dass alles gar nicht so schlimm war, und Ihr könnt weiter befreundet sein.

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  2. ednong schreibt:

    Ui, dann hat ihn das wohl ziemlich mitgenommen mit dir.

    Dann kam man ihm ja nur wünschen, dass er feststellt, dass es noch viele weitere nette und interessante Menschen auf dieser Welt gibt, die ggf. auch ein Interesse an ihm hegen.

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