Die Hausaufgabe //1988

Vor einiger Zeit ist mir beim Rumstöbern mein altes Religionsbuch aus der 2. oder 3. Klasse wieder in die Hände gefallen. Besonders bemerkenswert ist eine Hausaufgabe, die ich hier mit euch teilen möchte. Auf dass ihr euch mal wieder auf meine Kosten amüsieren dürft.

Auf einer Doppelseite waren zuerst vier Geschichten abgedruckt, wie Familien einen Sonntag verbringen. Die erste Aufgabe war es, dafür jeweils eine Überschrift zu finden.
Die eigentliche Aufgabe jedoch bestand darin, einen eigenen Sonntag zu beschreiben.
Bei uns in der Familie begann der Sonntag immer mit Kirchgang und gemeinsamem Mittagessen. Bei schönem Wetter machten wir meist einen Ausflug in die Gegend, gingen spazieren und kehrten schließlich in einem Café ein. So schätze ich meine Sonntage immer noch. Bei schlechtem Wetter blieben wir daheim, spielten Karten, andere Gesellschaftsspiele oder schauten Fernsehen.

Ausgerechnet der Sonntag, bevor diese Hausaufgabe gestellt wurde, war untypisch, und diesen beschrieb ich in meinem ersten Entwurf:
„Der gomische Sonntag“ [Überschrift nachträglich korrigiert zu „komische“, war im Sinne von außergewöhnlich, unüblich, merkwürdig gemeint]
„Um 1 fuhren wir“ [Beschreibung setzt nachmittags ein, da Vormittag eh immer gleich] „nach $Dorf.Name. Wir gingen“ [Hier muss ich einen halben Satz zensieren. Für euch wäre der langweilig, aber es ist etwas, das ich aus dem Blog heraushalten möchte.] „Dann furen wir zur Tante, dann furen wir wieder Heim und der Sonntag war aus.“ [In „furen“ nachträglich jeweils ein h eingesetzt, „Heim“ nachträglich klein geschrieben]

Soweit mein damaliger Entwurf. Aus meiner Sicht traf es das Erlebte richtig, und mehr gab es gar nicht dazu zu sagen, da ich nur Abweichungen zu einem normalen Sonntag hatte beschreiben wollen.
Meine Mutter war jedoch entsetzt. Sie meinte, dass der Pfarrer, der auch als unser Religionslehrer fungierte, doch erwarten würde, dass man einen Sonntagsgottesdienst mitbeschreiben würde. So musste ich unter ihrer Regie die Geschichte noch einmal verfassen:

„Der schöne Sonntag
Um 7 Uhr werde ich geweckt.“ [Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals geweckt wurde. Ich wurde entweder von selbst wach, oder benutzte später einen Wecker. Aber OK – das könnte an meinem Erinnerungsvermögen liegen.] „Dann ziehe ich mich an. Wir frühstücken gemeinsam.“ [Auch an Sonntagen gab es kein gemeinsames Frühstück. Unter der Woche musste jeder zu einer anderen Zeit aus dem Haus, so dass wir auch am Wochenende oder sonstigen freien Tagen dies nicht so pflegten.] „Mit meinen Eltern gehe ich zum Gottesdienst.“ [Das widerspricht schon mal der Überschrift, war für mich damals aber noch so normal, dass ich mir nichts dabei dachte. Warum Sabine nicht erwähnt wurde, weiß ich im Rückblick nicht mehr. Und auch das Kochen des Mittagessens, bei dem ich mithelfen musste, wird nicht erwähnt.] „Nach dem Mittagessen wandern wir in $Ortsangabe. Zwischendurch machen wir Rast und trinken Tee“ [Mir völlig unverständlich, wieso ich so etwas schreiben musste. Wir hätten niemals Tee mitgenommen.] „und essen belegte Brote.“ [Das hört sich eher nach Schulwandertag an. Mit meiner Familie habe ich so etwas nie erlebt. Wie gesagt – wir gingen öfters in ein Café. Kaffee habe ich damals zwar noch nicht getrunken, aber vermutlich eine Limonade. Dazu gab es entweder Torte oder einen Eisbecher. Auch meine Eltern haben niemals Tee in einem Café getrunken.] „Zum Abendessen sind wir zu Hause.“ [Abends war dann meist noch der Fernseher an.] „Dann gehe ich ins Bett.“

Bemerkenswert ist noch, dass diese zweite Geschichte keinerlei Rechtschreibfehler (lediglich eine auffällig lange Verbindungslinie zwischen „Zwischen“ und „durch“) enthält, und mit (für meine Verhältnisse) erstaunlich akurater Schreibschrift geschrieben wurde. Offensichtlich hatte ich mich dabei um eine ansprechende Form bemühen müssen, während ich den ersten Text halt so quick’n’dirty runtergeschrieben hatte. Zudem schrieb ich den zweiten Entwurf nur mit Bleistift, so dass man ihn notfalls relativ einfach wieder hätte entfernen können.

Man kann diese zweite Version wohl als eine frühe Variante von Fakenews sehen, bei der die Realität so dargestellt wurde, wie es taktisch erwünscht war. Niemandem wurde durch die Falschdarstellung geschadet, aber sie bildet halt nicht den tatsächlichen Ablauf ab.
Immerhin hätte es ja so sein können.


Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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9 Antworten zu Die Hausaufgabe //1988

  1. Athropos schreibt:

    Qualifiziert die Benutzung eines Weckers nicht auch für „geweckt werden“?

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  2. ednong schreibt:

    FAke News! Ich wußte doch, alles hier nur erstunken und erlogen! 😉

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  3. blindfoldedwoman schreibt:

    Ob ein Kind in dem Alter von „Rast machen“ gesprochen hätte?

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  4. Pingback: Altes Twitter ist das Beste //2181 | breakpoint

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