Wie man [eine Matratze umdreht|sich bettet, so liegt man] //1900

Letztes Jahr hatten wir uns eine neue Matratze gekauft.
Man soll Matratzen ja gelegentlich umdrehen, damit sie gleichmäßig abgenutzt werden (insbesondere, wenn sie durch Nicht-Schlaf-Aktivitäten stark beansprucht werden), aber alleine schaffe ich das nicht, und Carsten ist normalerweise nicht da, wenn ich das Bett frisch überziehe.
Als es sich kürzlich ergab, dass er doch anwesend war, bat ich ihn darum, mir beim Umdrehen der Matratze zu helfen. Das hat er auch getan, aber wir waren uneinig, in welche Richtung man so eine Matratze idealerweise drehen sollte.

Seither habe ich mir also ein paar Gedanken darüber gemacht.
Es geht um das Drehen eines Quaders um 180°, weshalb der Drehsinn irrelevant ist.
Im Folgenden beziehe ich mich auf das raumfeste Koordinatensystem des Bettes. Man stelle sich den Ursprung in der Mitte des Lattenrostes vor. Die transversale Achse geht von links nach rechts (in Draufsicht). Die longitudinale Achse geht vom Fußende zum Kopfende. Die normale Achse schließlich zeigt vom Fußboden Richtung Decke.
Für eine Matratze (= Quader mit drei ungleich langen Seiten) gibt es vier verschiedene Möglichkeiten der Orientierung im Bettgestell. Um diese Orientierung zu beschreiben, nehmen wir an, die Matraze habe eine gekennzeichnete Ecke (z.B. irgendwo einen Fleck oder ein eingenähtes Etikett), das die Orientierung unterscheidbar macht.

Als HTML-freundliche Notation wähle ich dafür eine natürliche Zahl n zwischen 0 und 7 in runden Klammern. Befindet sich das Unterscheidungsmerkmal links, so wird das unterste Bit gesetzt. Befindet es sich auf der Fußhälfte, so wird das mittlere Bit gesetzt. Das oberste Bit zeigt an, ob das Merkmal auf der Unterseite der Matratze ist.
Es gibt drei mögliche Drehungen. Mit N bezeichne ich die Drehung um die Normalenachse. Dabei bleibt die Oberseite oben. Links und rechts, sowie Kopf- und Fußende werden vertauscht. Anders ausgedrückt: Das oberste Bit bleibt erhalten, während die beiden anderen Bits sich umkehren.
Die Drehung T um die Transversalachse vertauscht Kopf- und Fußende, sowie Ober- und Unterseite. Das unterste Bit bleibt erhalten, die beiden anderen kehren sich um.
Wendet man die Matratze um die Longitudinalachse, so vertauschen sich links und rechts, sowie Ober- und Unterseite. Das mittlere Bit bleibt erhalten, die anderen werden getogglet.
Ein Beispiel: N(0) = (3) = T(5) = L(6).

Bei jeder Drehung ändern sich zwei Richtungen. Es ist also unmöglich, die Matratze einfach nur zu spiegeln.
Wie sich jeder leicht selbst überlegen kann, lassen sich die Orientierungen (0), (3), (5), und (6) nicht in die Orientierungen (1), (2), (4) und (7) transformieren. Bei erster Gruppe ist eine gerade Anzahl Einsen gesetzt, bei letzterer eine ungerade Zahl von Einsen, bzw. eine gerade Zahl von Nullen. Ob es sich um eine gerade Zahl von Einsen im Bitmuster handelt, ist also eine Erhaltungsgröße.
Ordnet man den einzelnen Orientierungen Punkte innerhalb der Matratze, die gleichweit von ihrem Zentrum entfernt sind, zu, so sind diese Punkte wie die Ecken zweier Tetraeder angeordnet.

Ach, diese Betrachtungen liefern so viele schöne Erkenntnisse, ich kann sie gar nicht alle hier erwähnen.

So findet man etwa, dass TL = N, LN = T, NT = L. Da es sich nur um 180°-Drehungen handelt, sind Mehrfachdrehungen kommutativ: [T, L] = [L, N] = [N, T] = 0.
Außerdem liefert das zweifache Anwenden einer bestimmten Drehung wieder den Originalzustand O = T^2 = L^2 = N^2.
Und genau darin liegt das Problem. Wenn man jedesmal die Matratze auf die gleiche Weise dreht (z.B. immer T), werden gar nicht alle 4 Orientierungsmöglichkeiten benutzt, sondern nur 2.
Jetzt könnte man auf die Idee kommen, alle drei Drehoperationen in fester Reihenfolge zu wiederholen, also etwa o.B.d.A. {TLN}.
Gehen wir von der Orientierung (0) aus, so findet man nach T den Zustand (6), nach L (3), nach N wird es wieder (0). Die Orientierung (5) fehlt.
Wie man leicht zeigen kann, ist es also zweckmäßiger, nur zwei verschiedene Drehungen abzuwechseln. So ändert die Folge {TL} die Orientierung (0) periodisch auf (6), (3), (5) und wieder (0).

Für alle, die sich dafür berufen fühlen, habe ich jetzt noch eine kleine bettmathematische Hausaufgabe:
Weil das Wenden der Matratze so beschwerlich ist, haben meine Eltern dreigeteilte Matratzen, d.h. ein Doppelbett mit insgesamt sechs Matratzenteilen.
Beim Bettüberziehen dreht meine Mutter die Matratzenteile nicht nur, sondern vertauscht sie auch.
Beschränken wir uns zunächst auf ein einzelnes Bett mit dreiteiliger Matratze.
1. Wieviele verschiedene Möglichkeiten der Orientierung und Positionierung der Dreier-Matratze gibt es?
Betrachten wir jetzt beide Betten.
2. Wieviele Möglichkeiten gibt es insgesamt, wenn man a) die Matratzenteile streng auf das ursprüngliche Bett beschränkt? b) die Matratzenteile frei zwischen beiden Betten austauschen darf?
Um euch den Spaß am Lösen nicht vorzeitig zu nehmen, setzte ich erst mal Kommentare ausnahmsweise auf Moderation.

Mathematik ist überall!

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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19 Antworten zu Wie man [eine Matratze umdreht|sich bettet, so liegt man] //1900

  1. Plietsche Jung schreibt:

    Sind die Teile der dreigeteilten Matratzen gleich groß ?
    Sind die Federraten der drei Teile identisch ? Wenn nicht, schließt sich eine andere Position aus, weil nicht praktikabel.

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  2. keloph schreibt:

    Ich hätte sie einfach gedreht, was bei mir keinen Sinn macht, weil ich auf den Körper angepasste Matratzen habe und deswegen super schlafe. Bei jedweder Drehung wäre dieser Effekt nicht mehr da.

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  3. MathematikLiebhaber schreibt:

    1. Jedes Matrazenteil kann in 4 verschiedenen Orientierungen liegen (siehe deine Berechnung mit einer Matraze) und bei einem Bett mit 3 Matrazen-Teilen gibt es 3! = 6 Permutationen, in denen die Teile liegen können. Somit gibt es insgesamt 4 * 3! = 24 verschiedene Möglichkeiten.

    2. a. Für jedes Bett gibt es die 24 Möglichkeiten, insgesammt also 24 * 24 = 576 verschiedene Kombinationen.

    2. b. Es gibt jetzt 6! Permutationen für die Matrazenteile, insgesamt also 4 * 6! = 2880 verschiedene Kombinationen.

    Gibt also ganz schön viele Möglichkeiten, was man mit so einem Bett alles anstellen kann. 😉

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  4. Leser schreibt:

    Ein Bett aus n Segmenten kann in f(n) := 4^n * n! verschiedene Konfigurationen zusammengebaut werden: Die Fakultät n! sind die Anzahl der möglichen Permutationen der Matratzensegmente, die Potenzen von 4 sind die möglichen Drehungen der einzelnen Matratzenteile.
    Somit sind die Antworten:
    1.f(3) = 4^3 * 3! = 384
    2a. f(3)^2 = (4^3 * 3!)^2 = 147456
    2b. f(6) = 4^6 * 6! = 2949120
    Das dauert sicherlich eine Weile, wenn man die Möglichkeiten erschöpfen möchte.
    Aber schön, mal wieder ein bisschen Kombinatorik zu machen 🙂

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  5. klausww schreibt:

    Ich habe in den USA in einem Laden Matratzen gesehen, die auf jeder Seite mit einem (als Etikette angenähten) Pfeil versehen waren. Auf der einen Seite zeigte er zur langen Seite, auf der anderen zur kurzen. Wenn man die Matratze drehen will, dreht man sie so wie der von oben sichtbare Pfeil anzeigt.

    Ich besitze ein Futon-ähnliches Gebilde. Das wird anscheinend durch Fäden zusammengehalten, die auf der einen Seite in Knöpfen enden, auf der anderen Seite in Knoten mit heraushängenden Enden. In der Tür meines Kleiderschrankes hängt ein Zettel mit dem Merkspruch „Knöpfe längs, Fäden quer“. So drehe ich den Futon dann.

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  6. Broken Spirits schreibt:

    Es heißt ja, probieren geht über studieren. Zum Glück haste die richtige Antwort freigeschaltet, bevor ich mir die entsprechende Matratze kaufen konnte 😉

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