Schlüsselnot //1877

Carsten hatte eine Anfrage bekommen, ob er bei einer Veranstaltung eine Keynote sprechen würde. Er kam damit zu mir ins Büro, und meinte, dass ich das übernehmen soll.
„Du willst mich doch entlasten. Dies kannst du übernehmen. Als Geschäftsführerin hast du die gleichen Voraussetzungen wie ich.“

Der Vorschlag begeisterte mich nicht, so dass ich versuchte abzuwiegeln: „Sie haben doch dich gefragt. Ich würde höchstens im Notfall als Vertretung einspringen, wenn dir kurzfristig etwas wichtigeres dazwischen kommt.“
„Ich stehe für derlei nicht mehr zur Verfügung. Das ist ein Aufgabenbereich, den du in Zukunft übernimmst.“
Ich schüttelte den Kopf. „Die wollen dich, weil du so gute Reden halten kannst. Nicht mich. Novosyx ist bei dieser hochkarätigen Referentenliste nicht bedeutend genug, um sie mit mir abzuspeisen.“

„Unsinn. Wenn du die Hüften ein wenig schwingen lässt, bleibt das den Gästen besser in Erinnerung als meine Rhetorik.“
Oha! Hatte er etwa einen Spion bei meinem letztjährigen Vortrag? Aber vielleicht war es auch nur der Einfluss des Whiskeys, den er vorher mit Geschäftsfreunden getrunken hatte.

Ich zog es vor, das Thema zu wechseln: „Und dann müsste ich auch dorthin reisen und in einem Hotel übernachten.“
„Wenn ich die Keynote halten würde, ginge es mir genauso. Aber schauen wir mal. Wenn mir nichts dringenderes dazwischen kommt, begleite ich dich vielleicht, und setze mich mit ins Publikum.“
Jener Vorschlag gefiel mir, dieser nicht. „Dann kannst du gleich selbst sprechen.“

„Wir waren uns doch einig gewesen, Anne, dass du nach und nach meine Aufgaben übernimmst. Und solche Sprecher-Tätigkeiten sind eindeutig Aufgaben, die ich bereits jetzt nicht mehr wahrnehmen muss und will. Das ist jetzt dein Job.“
„Dann sagen wir ganz ab. Ich hab‘ auch keine Lust.“
„Das hat nichts mit ‚Lust‘ zu tun. Das ist Public Relations. Etliche potentielle Geschäftspartner werden anwesend sein. Presse ist da, und auch einiges an Politikprominenz und einflussreichen Wirtschaftslenkern. Wir dürfen uns nicht entgehen lassen, dort Kontakte zu knüpfen, oder zumindest einen positiven Eindruck zu hinterlassen.“
„Und für diesen Eindruck soll ich mit dem Hintern wackeln?“
„Dein wunderhübsches Hinterteil sorgt höchstens subtil dafür, dass der poitive Eindruck deiner Worte nicht so schnell wieder vergessen wird. Ich setzte da auf einen katalytischen Effekt. Schade dass deine Pomotion noch nicht durch ist, aber bis zum Veranstaltungstermin wird sie es sein, so dass dein Doktortitel mit in die Ankündigung aufgenommen werden kann.“

Was hätte ich noch viel sagen sollen? Wir waren wieder mal an einem Punkt angelangt, an dem er nicht mehr mit sich reden lässt, und meine Argumente ins Leere gehen.

Wir beließen es also dabei, dass er mich bei den Veranstaltern vorschlagen wird. Also habe ich immer noch die Hoffnung, dass diese ablehnen. Allerdings fürchte ich, dass sie es sich nicht entgehen lassen werden, eine Frau als Rednerin zu bekommen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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15 Antworten zu Schlüsselnot //1877

  1. idgie13 schreibt:

    Bis der Titel offiziell ausgestellt ist und geführt werden kann, gehen meist schon etliche Monate ins Land…

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Eine richtige Trennung von Privat- und Berufsleben hat manchmal Vorteile.
    Überleg doch mal, woanders zu arbeiten, Frau Dr. in spe.

    Carstens Reaktion finde ich weniger gut. Es ist wichtig, dass er sich dort zeigt und redet, denn er ist das Aushängeschild der Firma. Es trifft aus meiner Sicht nicht zu, das du dort als neue GFin etabliert werden musst, dies mach man auf andere Weise und in jedem Fall seriöser.

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  3. ednong schreibt:

    Katalytischer Effekt … 🙂

    Sehr schön.

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  5. Heinrich Hasenheide schreibt:

    Ein netter Verschreiber, von der „Pomotion“ zu sprechen, kurz nachdem das wackelnde Hinterteil erwähnt wurde!

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