Das große Krabbeln //1854

Debugversionen unterscheiden sich von Releaseversionen. Da ist vor allem die zusätzliche Debuginformation, die es allen mit geeigneten Hacktools wie Dissassembler oder Decompiler ermöglicht, die Sourcen zu rekonstruieren. Außerdem geben die Entwickler in Debugversionen häufig – ermöglicht durch Compilerschalter – Informationen aus, die nicht für die Anwender gedacht sind, aber das Testen des Programms erleichtern. Schließlich verzichten Debugversionen auch häufig auf diverse Prüfungen auf Berechtigungen, haben ein abweichendes Errorhandling, oder handhaben andere Funktionen anders als die Releaseversion, die für den Kunden gedacht ist.
Kurz: Die Debugversion ist ausschließlich für die Entwickler vorgesehen. Die Anwender müssen die Releaseversion bekommen.

Nur zufällig war es einem meiner Mitarbeiter aufgefallen, dass eine bereits ausgelieferte Firmware Daten an einer Stelle anzeigte, wo sie es nicht sollte. Ein genauerer Blick auf die Firmware bestätigte die Vermutung, dass hier versehentlich eine Debugversion freigegeben worden war.
Alarm rot! Das darf nicht sein!
Alle meine Mitarbeiter konzentrieren sich jetzt auf dieses Problem. Wir haben noch nicht herausgefunden, wie es passieren konnte, dass eine Debugversion bei den Kunden angekommen ist.

Als Softwareentwicklungsleiterin bleibt mir nichts anderes übrig, als dieser Angelegenheit oberste Priorität einzuräumen. Das liegt in meiner Verantwortung, ist meine Aufgabe und Pflicht.

Folgende Punkte müssen mit höchster Dringlichkeitsstufe durchgeführt werden.
1. Die Ursache des Problems herausfinden.
2. Einen Fix dafür implementieren.
3. Update (nach ausreichenden Tests) an Kunden deployen.
4. Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um ähnliche Probleme in der Zukunft zu verhindern.

Das Timing ist denkbar ungünstig. Meine Mitarbeiter sind nicht erfreut, weil sie Überstunden gerade dann machen müssen, wenn der Berch losgeht.

Und ich wollte eigentlich nächste Woche meine Dissertation abgeben.
Und das werde ich auch. Trotzdem.
Mir bleibt dafür zwar kaum noch Zeit, aber ein Aufschub kommt nicht mehr in Frage. Dafür ist sie schon zu weit fortgeschritten. Ich habe keine Lust, jetzt zu unterbrechen und später noch mal damit anzufangen. Und die Bearbeitung des zurückgestellten Kundenauftrages muss ich auch endlich mal wieder aufnehmen.

Genauso wie ein physikalisches Objekt mit Masse die Lichtgeschwindigkeit nie ganz erreicht, sondern sich ihr nur asymptotisch annähern kann, egal wieviel Energie man ihm zuführt, genauso bleibt die Dissertation immer unter dem perfekten Ideal, ganz egal wieviel Zeit ich noch reinstecke. Der Schlusspunkt ist erreicht. Auch wenn ich noch weiter daran herumwurschteln würde, wird sie nicht mehr merklich besser. Im Gegenteil – falls ich zu unkonzentriert vorgehe, könnte ich sie sogar wieder verschlechtern.
Ich kenne das Phänomen ja bereits von anderen praktisch fertigen Dokumenten oder längeren Texten. Da fällt einem hier noch etwas ein, das man einfügen möchte, da noch eine Ergänzung, dort noch ein Detail, das man loswerden will. Aber dazu muss man den bestehenden, flüssigen Text wieder zerstückeln, umformulieren oder gar die Absätze umsortieren, damit er einigermaßen stringent und klar bleibt. Das macht ihn nur selten besser.

Also keine Änderung der diesbezüglichen Roadmap.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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12 Antworten zu Das große Krabbeln //1854

  1. claudius2016 schreibt:

    Das Problem des Auseinanderdriftens von Debug- und Produktionsversionen ist immer hochgradig gefährlich, genau wie das Vorhalten unterschiedlicher Programmstände in unterschiedlichen Arbeitsumgebungen. Wenn das Team dann größer ist, wird’s problematisch und erfordert Abstimmungen.

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    • Ja, so ist es.
      Wenigstens ist hier nicht die Software betroffen, die als Debugversion Dateien auf einen hardkodierten Netzwerkshare schreibt. Da der bei den Kunden nicht existieren würde, gäbe es dort einen schweren Fehler (dann wäre das Problem allerdings schon viel früher entdeckt worden).

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Ähh …. was war jetzt die Frage …. ?

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