Als Berufsanfängerin //1834

Über meine zwei Jahre als Angestellte in einem großen Industriekonzern habe ich bisher nur sehr wenig geschrieben. Heute soll dies (zusammen mit meinen Bewerbungen) aber das Blogthema sein, zumal meine damalige Abteilung schon längst nicht mehr existiert.

Ursprünglich hatte ich ja vorgehabt, in der Grundlagenforschung zu arbeiten, wurde aber dann im Laufe meines Studiums desillusioniert, so dass ich beschloss, mir eine Industrieanstellung zu suchen.

Ich hatte etwa 30 Bewerbungen verschickt, woraufhin ich zu fünf oder sechs Vorstellungsgesprächen eingeladen wurde (bemerkenswerterweise alle in Süddeutschland, obwohl ich mich bundesweit beworben hatte).
Bei meiner ersten Vorstellung in einer hessischen Großstadt im Rhein-Main-Gebiet war es meinen Gesprächspartnern sehr wichtig, die Stelle mit jemandem zu besetzen, der „dynamisch“ ist. So introvertiert und ruhig wie ich bin, wäre das wohl nichts geworden. Ich blieb zurückhaltend.
Das zweite Gespräch führte mich in die tiefste Provinz Baden-Württembergs. Da wäre ich wohl vom Regen in die Traufe gekommen. Auf Dauer hätte ich mich dort nicht wohlgefühlt.
Ein weiteres Gespräch hatte ich in einer winzigkleinen Klitsche im Großraum der hiesigen EMN. Mit Bezahlung und Urlaubstagen zeigte sich dier dortige Chef äußerst knausrig, und versuchte sogar, sich um die Erstattung meiner Reisekosten zu drücken. Nicht dass mir an einer möglichst hohen Bezahlung gelegen wäre. Es hätte mir gereicht, wenn ich mein Auskommen gehabt hätte, aber weit unter Wert wollte ich mich eben auch nicht verkaufen.
In meiner Studienstadt hatte ich ebenfalls ein Vorstellungsgespräch. Dort hätte ich mir sogar vorstellen können zu arbeiten, wenngleich es nicht meine erste Wahl war.

Die war die Stelle, für die ich dann tatsächlich eingestellt wurde. Beim Vorstellungsgespräch passte alles. Für die Branche, bzw. die Produkte konnte ich mich begeistern, die Personen, mit denen ich gesprochen hatte, waren mir sympathisch, mir gefiel die Stadt.
Das zeigt einmal mehr wieder, wie sehr es bei Stellenbesetzungen auf Gegenseitigkeit ankommt. Bewerber und Unternehmen müssen zusammenpassen, dann fällt es auch nicht schwer, aufrichtiges Interesse zu zeigen. Für die Stelle war es wesentlich, „keine Angst vor Zahlen“ zu haben, wie mir meine Gesprächspartner gleich am Anfang erklärt hatten. Ich antwortete, dass ich Zahlen möge – bloß geschichtliche Jahreszahlen nicht.
Falls es noch ein sechstes Bewerbungsgespräch gab, hat es bei mir so wenig Eindruck hinterlassen, dass ich mich nicht mehr an Einzelheiten erinnere. Aber irgendetwas muss noch gewesen sein – vielleicht ein abgesagter Termin? Ich weiß es nicht mehr.

Ausgerechnet dann, als ich zusammen mit meiner Mutter bei der Geburtstagsfeier einer Tante war, kam der Anruf, dass meine Bewerbung akzeptiert worden sei und ich eingestellt werden sollte. Sonst war ich eigentlich fast immer daheim. Wo hätte ich auch hingehen können? Mein Vater hatte den Anruf entgegengenommen, und ich solle zurückrufen, auch wenn es abends außerhalb der Dienstzeit sei (es gibt offenbar noch mehr Workaholics).
Danach ging alles seinen normalen Gang: Irgendwelche Formalitäten, ärztliche Untersuchung beim Betriebsarzt, so dass ich schließlich dort begann, als Ingenieurin zu arbeiten.

Ich musste dort hauptsächlich irgendwelche Zahlen in den Computer eingeben. Eine spezielle Software rumpelte eine Zeitlang mit den Daten herum, spuckte dann irgendwelche Ergebnisse aus, die ich weiter bearbeiten, analysieren und auswerten musste. Für mich als Zahlenmensch war das eine angenehme Tätigkeit, aber auch nicht weltbewegend.
Es gab einige langweilige und langwierige Routinearbeiten. Nachdem ich die zwei- oder dreimal ausgeführt hatte, hatte ich keine Lust mehr dazu, und schrieb ein Shellscript, das diese Aufgaben weitgehend automatisierte. Meine Kollegen (ein bunt zusammengewürfelter Haufen von MINTlern jeglicher Couleur), die das alle jahrelang händisch gemacht hatte, übernahmen nach und nach das Script.

Ich teilte den Arbeitsraum mit ein paar älteren Kollegen. Ich verstand mich gut mit ihnen, und fühle mich dort recht wohl. Hin und wieder machten die Kollegen sexistische Bemerkungen. Das verunsicherte mich nicht, sondern amüsierte mich. Heutzutage würden sie sich das vermutlich nicht mehr trauen (zumal ich mitkriegte, dass sie deswegen mit einer anderen Kollegin Konflikte hatten). Schade.
Auch mit meinen Vorgesetzten kam ich gut zurecht, und ich war offenbar bei ihnen auch als sehr kompetent und tüchtig angesehen. Ich glaube schon, dass ich auf der Karriereleiter höher gestiegen wäre, wäre ich länger dort geblieben (und hätte entsprechende Ambitionen gezeigt).
Kundenkontakt hatte ich normalerweise nicht, nur ganz selten mal, bei sehr speziellen Fragen, die in meine Zuständigkeit fielen.

Tja, an viel mehr erinnere ich mich gar nicht mehr aus dieser Zeit. Zumindest an nichts mehr, das ich mit der Öffentlichkeit teilen möchte. Der Job war OK und auch wichtig. Aber nach zwei Jahren zog ich es vor, mich selbständig zu machen, um meine Kreativität als freiberufliche Programmierschlampe auszuleben.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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7 Antworten zu Als Berufsanfängerin //1834

  1. Talianna schreibt:

    Ich habe die Grundlagenforschung auch sukzessive für mich aufgegeben, aber bis nach der Promotion gebraucht.

    Was die sexistischen Bemerkungen angeht … kommt immer drauf an, wie das vereinbart ist. Wenn‘s kein gefühltes Machtgefälle gibt, kann man jederzeit intervenieren – und ich äußere mich ja selbst dauernd, meistens im Spaß, despektierlich über Männer, Frauen, Ingenieure – bei letzteren manchmal nicht voll im Spaß 😀

    Bei Dir kann ich mir nicht vorstellen, dass Du Dich von einem gefühlten Machtgefälle allzusehr beeindrucken lässt.

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    • Da war nichts mit „Machtgefälle“. Die Kollegen haben im Prinzip die gleiche Arbeit gemacht wie ich (allerdings nicht dieselbe 😈 ).
      Die Bemerkungen gingen teilweise eher Richtung Flirt, wobei allerdings allen Beteiligten klar gewesen sein dürfte, das nichts darüber hinaus laufen würde.

      Bei Dir kann ich mir nicht vorstellen, dass Du Dich von einem gefühlten Machtgefälle allzusehr beeindrucken lässt.

      Naja, gegenüber meinen Mitarbeitern halte ich mich schon zurück. Als Vorgesetzte muss ich professionell und darf nicht zu locker mit ihnen umgehen.

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      • Talianna schreibt:

        Es geht auch nicht um Unprofessionalität, sondern einfach darum, dass Du nicht erstarrt und empört wartest, Dich im Nachhinein zu beschweren, wenn was nicht passte 😉 Mehr wollte ich nicht implizieren. Also eigentlich genau das, was in Deiner Antwort anklang.

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