Zwar hatte mich Carsten gefragt gehabt, ob ich ihn zu einem Abendessen mit Geschäftsfreunden begleite, aber als ich abgelehnt hatte, hatte er nicht weiter dazu gedrängt.
„Wie war’s?“, fragte ich ihn, als er spät abends heimkam.
„Ganz OK. Man hat dich vermisst.“
„Oh .. aber du hattest es doch akzeptiert, dass ich nicht mitkomme.“
„Sicher. Aber die anderen Gäste fragten mich, warum du nicht dabei bist.“
Sauer stieg mir die Erinnerung hoch an andere Begebenheiten, bei denen die Tatsache, dass wir nicht ununterbrochen zusammenkleben, zu unzutreffenden Spekulationen geführt hatte.
„Das nächste Mal komm‘ ich wieder mit“, stieß ich ärgerlich hervor, aber Carsten blieb ruhig.
„Wir werden sehen. Nachdem ich ihnen erklärt habe, dass du gerade mit dem Endspurt deiner Doktorarbeit voll beschäftigt bist, sahen sie ein, dass deine Abwesenheit gerechtfertigt war, und ich soll dir noch viel Erfolg zum Abschluss wünschen.“
„Ich will nicht, dass du anderen Leuten das auf die Nase bindest!“, stieß ich hervor. Ich hatte noch nicht einmal meinen Eltern davon erzählt, als ich an Ostern in der alten Heimat war, und er posaunt es überall herum!
„Aber, Samtpfötchen“, meinte er besänftigend, „du kannst doch stolz darauf sein.“
„Ich will trotzdem kein solches Aufhebens darum machen. Außerdem kann sich die Sache auch noch länger hinziehen, und es geht – verdammt noch mal! – sonst niemanden etwas an.“
„Hast du Bedenken, dass du durchfällst?“
„Nein, das nicht. Ich sehe es aber als meine ganz persönliche Privatangelegenheit, und ich will nicht, dass du damit angibst, und es geschäftlich ausschlachtest.“
Carstens Ton wurde plötzlich eisig: „Ich habe dich bisher dabei immer unterstützt, und deinen Kontakt mit Benjamin zugelassen. Warum, glaubst du, habe ich das getan, und dir die Zeit dafür gegeben? Damit dein Doktorgrad in irgendeiner Schublade verstaubt und vergammelt? Du bist jetzt Geschäftsführerin, und bist dem Unternehmen verpflichtet, dich nach besten Kräften für seinen Erfolg einzusetzen. Dazu gehört auch, solch einen prestigeträchtigen Titel offen zu benutzen. Wie du das privat halten willst, überlasse ich dir.“
Ein vielleicht PMS-induzierter Impuls kam in mir auf, die ganze Promotion hinzuschmeißen, aber damit würde ich mich nur ins eigene Fleisch schneiden. Also atmete ich tief durch, und beschloss, den Konflikt erst einmal zu deeskalieren.
„Noch habe ich den Titel ja nicht einmal.“
in etwas milderen Ton fuhr er fort: „Mit diesem Titel kannst du viele Geschäftspartner beeindrucken, insbesondere die Endkunden fahren darauf ab.“
„Das sind doch alles Mathe-Doofies!“, warf ich ein. Naja, nicht wirklich alle. Es gibt schon Ausnahmen, aber die sind rar.
„Das brauchst du ihnen ja nicht gleich so genau zu erklären. Der Zusatz rerum naturae ist völlig OK.“
„Bloß dass Mathematik gar keine Naturwissenschaft ist.“
Carsten runzelte die Stirn. Ich war wohl wieder mal im Begriff, den Bogen zu überspannen, also fügte ich schnell hinzu: „Aber Naturwissenschaftlerin bin ja sowieso.“
Da die Unterhaltung eine überraschende Wendung nahm, splitte ich den Blogeintrag, setze hier einen Breakpoint (!) und ergänze den Rest voraussichtlich morgen.
Was soll er auch sonst sagen? Meine Frau hat soziale Anpassungsschwierigkeiten? Oder sie kann sie schlichtweg nicht ausstehen?
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Alternativ gefiele mir „Sie hat keine Lust auf gesellschaftliche Verpflichtungen, welche ihr generell überflüssig erscheinen“ auch ganz gut 😉
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Das war Networking. Meistens komme ich schon mit. Inzwischen kenne ich etliche der anderen GF und verstehe mich mit einigen ganz gut.
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Macht sich für eine Geschäftsführerin sicher prima.
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Es hätte gereicht zu sagen, dass ich keine Zeit habe, oder an diesem Abend etwas anderes zu tun habe.
Genau das war ja auch der Grund. Sonst wäre ich mitgegangen.
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Keine Zeit ist nicht wirklich eine Entschuldigung. Da kommt in diesem Fall eben nur Krankheit oder wirklich Unaufschiebbares dazwischen, möchte man dem Geschäftspartner nicht signalisieren, dass er eben nicht wichtig genug ist.
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Das war ein informelles, halbprivates Treffen einiger Geschäftsführer (nicht unbedingt gleichbedeutend mit „Geschäftspartner“). Teilnahme optional. Die anderen gehen auch nicht jedesmal hin, sondern nur, wenn sie es zeitlich leicht einrichten können.
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Das ist dann natürlich was anderes.
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Hier muss ich entschieden widersprechen: Die Mathematik ist die einzige wirkliche Naturwissenschaft – alle anderen sogenannten Naturwissenschaften sind doch bloß eine Anwendung von Mathematik auf beobachtbare Phänomene, die ohne Mathematik wiederum gar nicht beobachtbar wären!
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Mathematik existiert auch unabhängig von der Natur, und kann völlig abstrakte, konstruierte Räume beschreiben, die nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun haben.
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Hm. Ich behaupte (kann es aber keinesfalls beweisen und bin auch kein Mathematiker), daß die abstrakten, konstruierten Entitäten/Räume/Mengen nur nichts mit der beobachtbaren Realität zu tun haben, aber zur existenten Realität gehören, sobald sie eben konstruiert sind.
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Da müsste man erst einmal definieren, was man unter „Existenz“ überhaupt verstehen will.
Innerhalb der Mathematik ist das ja eindeutig und klar – so existiert beispielsweise in der Menge der reellen Zahlen kein Element, das mit sich selbst multipliziert -1 ergibt – innerhalb der Menge der komplexen Zahlen dagegen schon.
Mathematik ist einfach eine Sprache, mit der man versucht, die Natur (und auch einige andere Bereiche) zu beschreiben.
Mathematische Konstrukte sind zwar denkbar, müssen aber nicht auf unsere beobachtbare Wirklichkeit abbildbar sein.
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Genau. „Beobachtbare“ Wirklichkeit.
Was als Gedanke existitiert, existiert eben. Ist das fatalistisch gedacht?
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Der Gedanke „existiert“ aber nur im jeweiligen Kopf. Man muss sich wirklich davor hüten, irgendwelche reinen Hirngespinste als realiter zu sehen. Es passiert leider viel häufig, dass Leute sich in ihrer Fantasiewelt verstricken und den Bezug zur tatsächlichen Wirklichkeit verlieren.
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Ich finde einfach ätzend wie an der Entscheidung der „Frau“ in diesem Blog herumgeredet wird.
M.E. ist nicht entscheident wem es gefällt, die Entscheidung war getroffen und gut
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Das war der Sinn und Zweck des Eintrages, dass daran herumgeredet wird. Wenn man kein Herumgerede inform von Kommentaren möchte, dann kann man die Kommentarfunktion ja abschalten. Aber der „Frau“ in diesem Blog liegt ja was daran, dass die Leser auch kommentieren und ihre Meinung äußern.
[editiert: Account ist gefälscht!]
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Nein, ich wurde falsch verstanden, ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich bezog mich auf ihr Erleben.
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Ich empfinde einen Dr. Titel heutzutage überbewertet.
Darauf stehen doch nur Österreicher 🙂
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Nicht nur die Österreicher, unsere Kunden und Nutzer stehen auch drauf. Da hat Carsten schon recht. 🙄
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Der Doktortitel ist eine berufliche Qualifikation. Nicht übertragbar (siehe „Frau Doktor“ für die Ehefrau des Arztes), aber im beruflichen Umfeld durchaus anzugeben. Wenn der Titel in der Mache ist, braucht man in meinen Augen aber keinen Ton drüber verlieren, es sei denn, man sitzt auf einer Doktorandenstelle.
Eine menschliche oder pseudo-adlige Qualifikation war der Doktortitel noch nie, auch wenn er so interpretiert wurde.
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Für meine berufliche Qualifikation brauche ich den Doktor nicht. Der ist bei mir eigentlich ein rein privates Hobbyprojekt (d.h. hat inhaltlich mit meiner Arbeit überhaupt nichts zu tun).
Bei bestimmten Kunden könnte er halt angeblich Eindruck schinden. 🙄
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Kann er auch. Ist nicht so gedacht, da stimme ich zu.
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Networking ist nicht wirklich mein Ding. Das Beste ist, wenn man andere Verpflichtungen hat wie Kinder, Ehrenamt oder eben eine Doktorarbeit 😉
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Gelegegentlich habe ich ja gar nichts gegen solche Treffen. Es darf nur nicht überhand nehmen. Zumindest diesmal hatte ich andere Prioritäten.
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Könntest Du bitte den obigen Kommentar löschen? Der stammt mal wieder nicht von mir. Armer Troll.
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Schwierig, da er inzwischen die (auf den ersten Blick) gleiche Mail-Adresse nutzt wie du.
Ich habe den Kommentar gekennzeichnet. Hoffentlich habe ich den richtigen erwischt und es passt so.
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