Ein Frühlingsspaziergang //1824

Während des Winters waren unsere Möglichkeiten für Spaziergänge ziemlich eingeschränkt. Wenn überhaupt, dann sind wir immer den gleichen Weg gelaufen, der wenigstens so befestigt war, dass man Pfützen und Morast umgehen konnte.
Immerhin ist es endlich wieder warm genug, um einen Minirock zu tragen. Vor wenigen Tagen war es mir noch wesentlich angenehmer, ein Kopftuch zu tragen als entblößte Haare.

Gerne wären wir wieder einmal einen etwas längeren Weg gelaufen, aber der ist teilweise so sumpfig (der Boden ist so lehmig, dass das Wasser kaum versickern kann, und insbesondere an schattigen Stellen im Wald verdunstet die Feuchtigkeit auch nur sehr langsam), dass ich mich weigerte, dort langzugehen. Carsten wollte es jedoch endlich wieder einmal probieren. Ich wies darauf hin, dass die Wiesen noch teilweise unter Wasser stehen, und überall noch Pfützen sind. Aber das war ihm egal. Schließlich hatte er uralte Schuhe an, und es war ihm gleichgültig, wie die aussehen würden (denn er braucht sich noch nicht einmal selbst darum zu kümmern, sie wieder sauber zu kriegen – das macht ja die Haushälterin). Er überredete mich, es zumindest zu versuchen, und sofort umzukehren, wenn der Weg zu matschig würde.
Ich hatte nicht die geringste Absicht da entlang zu gehen. Schließlich trug ich fast neue Schuhe (nichts besonderes, aber für Spaziergänge geeignet), die ich mir ganz bestimmt nicht gleich einsauen wollte. Aber ich gestand ihm zu, einen Versuch zu wagen.

Wie ich erwartet hatte, stand noch überall das Wasser. Wenigstens sah er das ein. Wir beratschlagten dann, wo wir alternativ herumlaufen wollten, als von einem Seitenweg wenige hundert Meter vor uns ein Mann mit zwei Hunden vom Dorf her auf den Hauptweg bog, und vor uns lief.
Weder Carsten noch ich hatten Lust, hinter ihm herzugehen. Zufällig war auf der anderen Seite in Richtung Wald ein neuer Weg entstanden, wo letztes Jahr die Waldarbeiter Holz gemacht hatten. Der Weg sah auch passabel trocken aus, so dass ich zustimmte, zu schauen, wo er hinführte (immerhin hätten wir dabei auch eine neue Outdoor-geeignete Stelle finden können).

Trocken genug war der Weg tatsächlich, wenn man einigermaßen aufpasste und um die feuchteren Stellen außenherumging, jedoch verliefen etliche Dornenranken quer über ihn. Nach kurzer Zeit hatte Carsten einen deutlichen Vorsprung. Er trug lange Hosen, so dass er die Dornen gar nicht bemerkte. Mir jedoch schlugen sie an die befeinstrumpften Beine, kratzen und drohten, Laufmaschen zu erzeugen.
Also blieb ich stehen, und wartete, bis Carsten bemerken würde, dass ich zurückgeblieben war.

Mittlerweile war mir beim Griff in meine Jackentasche aufgefallen, dass sich darin noch meine letzte Kastanie befand. Ich definierte den Winter als endgültig abgeschlossen, und gab die Kastanie der Natur zurück, indem ich sie weit auf einer näherungsweise parabolischen Bahn in den Wald warf.

Inzwischen hatte Carsten gemerkt, dass ich ihm nicht mehr folgte, und winkte mir, ich solle ihm hinterhergehen, aber ich schüttelte den Kopf, so dass ihm kaum etwas anderes übrigblieb (er weiß, dass ich in solchen Situationen konsequent bleibe, hätte aber stattdessen auch weitergehen können, dann wäre ich halt alleine heimgegangen), als wieder zu mir zurückzukehren. Ich wies ihn auf die Dornenranken hin.
Wir kamen dann überein, wieder heimzugehen, zumal wir beide auch noch einiges anderes vorhatten.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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