Die Osterreise (2. Teil) //1820

Weil es an Karfreitag bei meinen Eltern bestimmt nur Heringsalat und Pellkartoffeln geben würde (worauf ich keinen Appetit hatte) und ich erst recht keine Lust auf die alberne Karfreitagsgymnastik in der Kirche („beuget die Knie, erhebet euch“) hatte, zogen wir es vor, diesen Tag für unsere Zweisamkeit zu reservieren. Das Wetter war allerdings nicht gerade angenehm (zwar etwas Sonne, aber auch ein kalter Wind), so dass wir unseren Spaziergang nur mäßig ausdehnten. Wenn ich schon am Karfreitag keine Gelegenheit habe, „Das Leben des Brian“ zu schauen, so muss das umso mehr durch horizontale Tänze und Ritte kompensiert werden. Am Samstag Vormittag konnte ich es aber nicht länger aufschieben, meine Eltern zu besuchen.
Was soll ich viel erzählen? Dort ist immer noch alles unverändert wie immer.

Wir waren praktisch den ganzen Samstag dort, zwischendurch zum Kaffee bei meiner Schwester (werd‘ ich wohl noch einmal in einen kleinen Blogpost auslagern). Auf meinen besonderen Wunsch hin gab es zum Mittagessen Krautklöße (kriegt man ja sonst nirgends, und ich hab‘ mich selbst noch nicht an die Zubereitung rangetraut).
Am Sonntag verbrachten wir den Vormittag im Hotelhallenbad, und aßen dort zu mittag. Außer erfolgreicher Eiersuche zelebrierten wir auch die Auferstehung des Herrn durch traditionell-österliche Rammeleien.
Erst nachmittags fuhren wir dann zu meinen Eltern. Am Abend gab es Zwiebelblooz – lecker! – dafür nahm ich sogar Carsten’s nächtliche Flatulenzen in Kauf.
Am Montag waren wir noch mal zum Mittagessen (Schweinerollbraten, gebackene Kartoffeln und Bohnen, Ambrosiuscreme sowie eingemachte Kirschen als Nachtisch) dort.

Meine Mutter erinnerte sich mit enervierender Häufigkeit daran, dass sie vor genau vierzig Jahren hochschwanger gewesen war.

Ich erinnerte mich daran, dass ich meine Eltern nach Kartoffelsäcken fragen wollte, aber mein Vater erklärte, dass die Säcke damals nur zur Lieferung genutzt wurden, und nach dem Ausleeren wieder dem Bauern zurückgegeben worden waren. Also nichts mit Kartoffelsackkleid.

Als Carsten einmal auf eigene Faust unterwegs war, und ich zurückblieb, meinte meine Mutter, dass sie nicht verstehen könne, wie ich das aushalte, dass er immer so ruppig und unfreundlich zu mir sei. Ich kann ihre Wahrnehmung nicht nachvollziehen. Klar, Carsten ist oft kurz angebunden, aber wir kennen uns eben so gut, dass für unsere Kommunikation oft schon ein Blick genügt oder ein sehr knappes Statement ohne irgendwelchen verbalen Zuckerguss. Das spricht für unsere Vertrautheit, dass wir aufeinander eingespielt sind ohne überflüssigen Schnickschnack, und dass wir uns aufeinander verlassen. Unsere nerdigen Anspielungen und Scherze verstehen meine Eltern sowieso nicht.
Meine Mutter fuhr fort, dass man sich heutzutage als Frau nicht mehr alles vom Ehemann gefallen lassen müsse und ich mich nicht herumschubsen lassen solle. Als ob ich nicht selbst wüsste, wie ich meine Interessen vertrete. Und bloß weil ich Carsten (der teilweise recht autoritär auftritt und einschüchternd wirken kann) viele Entscheidungen überlasse, bedeutet das nicht, dass ich alles widerspruchslos akzeptiere. Aber wenn unsere Ansichten übereinstimmen, so dass ich keine Einwände habe, streite ich eben auch nicht herum, bloß um zu opponieren (von gelegentlichen niedlichen Shittests mal abgesehen – aber weder die noch sonstige Meinungsverschiedenheiten trage ich vor dritten Personen aus).
Das fehlte gerade noch, dass meine Mutter auf ihre alten Tage zur Femininistin wird. Ich lasse mich jedenfalls nicht aufhetzen, und andere sich in meine Ehe einmischen.

Ein Lichtblick des Besuches war, das Schafkopfen. Schon früher hatten wir daheim gelegentlich Karten gespielt – je nach Anzahl der Beteiligten vorzugsweise Sechsundsechzig (2), Herzskat (3) oder Schafkopf (4).

Da am Montag Nachmittag das Wetter endlich etwas erfreulicher wurde, machten wir zu viert noch einen Ausflug in die nähere Umgebung mit abschließenden Café-Besuch. Hier war ich schon als Kind ab und zu mit meiner Familie gewesen. Nur hier gibt es eine bestimmte Tortenspezialität (mit viel Sahne und besonders fluffigem Blätterteig), die ich mir zu meinem Kännchen Kaffee bestellte.
Als es ans Bezahlen ging, wollten sowohl mein Vater als auch Carsten die Rechnung für alle übernehmen. Hauptargument meiner Mutter: „Es Annele erbt’s doch eh.“ Hauptargument meines Vaters: „Ihr junge Leud könnt euer Geld doch anerschdä besser gebrauch.“ Hauptargument von Carsten: „Basta!“, womit er sich letztendlich durchsetzte.
Schließlich verabschiedeten wir uns von meinen Eltern und fuhren am Spätnachmittag wieder nach Hause in die Stadt.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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23 Antworten zu Die Osterreise (2. Teil) //1820

  1. Leser schreibt:

    Haha, „Basta!“, bestes Argument. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es ja für das jeweilige Gefühl völlig unterschiedliche Summen waren.
    Ich fände es aber trotzdem interessant, was wohl passieren würde, wenn Du zu Deiner Mutter schonungslos ehrlich wärst. Ich weiß ja nicht, wie viel sie über Carstens Firmenimperium und sein/Euer Vermögen und Deine Rolle in der GF der Firma weiß, aber dann hätte es diese Diskussion vermutlich nicht mal im Ansatz gegeben. Und ebenfalls wäre es interessant, wie sie reagieren würde, wenn sie von den Details Eurer Entscheidung keine Kinder zu bekommen, und wie/dass Ihr sichergestellt habt, dass dies auch nicht passieren wird, erführe. Nach dem Motto: „Akzeptiere es, es ist die Realität“…

    Naja, ansonsten hab ich neulich einen wirren Traum geträumt, in dem ich (mit anderen hier aus der Kommentarsektion) bei Euch im Landhaus zu Besuch war. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, da der Traum schon einige Nächte zurückliegen muss (ich weiß nicht mal mehr genau, wann ich das geträumt habe, aber irgendwann am Osterwochenende muss es wohl gewesen sein), aber jetzt beim Lesen dieses Blogeintrags kam die vage Erinnerung daran zurück, und ich dachte mir: „Seltsam…“ – Aber das ist ja bei Träumen oft so 😉

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    • Sci Fanboi schreibt:

      Du machst mir Angst! Ausgerechnet heute habe ich davon geträumt, mit Anne einen Stadtbummel gemacht zu haben. Und soetwas träume ich sonst nie! (Weder von Anne, noch von Stadtbummeln)
      Die Stadt war fremd und doch vertraut. Und ebenso Anne. Sie sah so aus, wie ich mir Anne eben vorstelle, aber dennoch war sie im Traum eigentlich jemand anderes. Verwirrend? Ja! Für mich auch! 😀

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    • Meine Eltern machen sich bei vielem völlig falsche Vorstellung. Ihr Bild von unserem Unternehmen muss wohl so eine kleine Klitsche oder Garagenfirma sein, keine Ahnung. Kathrin könnte sie eines besseren belehren, aber offenbar nützt das auch nichts.
      Dass sie von mir keine Enkel mehr zu erwarten haben, haben sie aber anscheinend akzeptiert (ich hatte da mal ein paar Andeutungen in Richtung Menopause gemacht).

      Haha, Blogleser als Besuch .. das muss ich erst mal sacken lassen. Scheint aber eine amüsante Idee zu sein, auch wenn sie mit Sicherheit niemals umgesetzt wird.

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      • Leser schreibt:

        Natürlich wird sie das nicht, aber ich habe als einzige Erinnerung auch nur noch, dass gewisse Dinge am/um das Haus „fremd aber doch vertraut“ waren, und dass Carsten in dem Traum viel sympathischer war, als ich ihn mir eigentlich im wachen Zustand vorgestellt hätte 😉

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Draußen nur Kännchen ! 🙂

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    • idgie13 schreibt:

      Kafi in Deutschland ist wirklich scheusslich – bäh.

      @Anne: warum hilfst Du Deiner Mutter nicht in der Küche und lernst, wie Krautknödel gehen?

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      • Plietsche Jung schreibt:

        Meine besten Kaffee-Erfahrungen sind Italien und -man mag es kaum glauben- Kalifornien.

        Der Orient macht einen guten Minztee, aber der Kaffee ist nicht meins.

        In Hamburg kaufe ich Kaffee nur beim Privatröster in der Steinstrasse 🙂

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      • Der Kaffee war völlig in Ordnung, das Café eigentlich recht schön (naja, inzwischen schon etwas in die Jahre gekommen, aber, tja, die Zeit bleibt halt nicht stehen).

        warum hilfst Du Deiner Mutter nicht in der Küche

        Das habe ich doch, früher sogar recht oft.
        Theoretisch weiß ich durchaus, wie Krautklöße (nicht -knödel! bäh!) gehen.
        Die sind nicht mal allzu aufwendig, aber langwierig in der Zubereitung. Das Timing ist schwierig und einiges tricky. Sogar meiner Mutter brennen sie leicht an.
        Dazu kommt, dass ich eigentlich keinen geeigneten Platz habe, wo der Hefeteig in Ruhe gehen kann.
        Außerdem lohnt die Zubereitung nur für große Mengen, die für einen Zweipersonenhaushalt bedeuten würde, mindestens eine halbe Woche lang davon zu essen. Danach hätte ich sie auch über.

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        • idgie13 schreibt:

          Was ist denn der Unterschied zwischen Knödeln und Klössen? Unsere oberbayerischen Kartoffelknödel sind IMHO identisch mit den fränkischen Klössen.

          Einfrieren wäre vielleicht eine Option. Ich mache selber allerdings auch nur selten Knödel. Mein Fischkopf weiss die eh nicht zu schätzen.

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          • Wir haben immer „Klöße“ (bzw. „Glöss“) gesagt. „Knödel“ hört sich dagegen so nach Knoten oder Kötel an, und überhaupt nicht nach (schmackhaftem) Essen.
            Mit Kartoffeln haben die überhaupt nichts zu tun.

            Einfrieren .. hm .. mein Gefrierfach ist auch so schon rappelvoll. Höchstens in der Gefriertruhe im Landhaus. Mal schauen ..

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            • idgie13 schreibt:

              Klösse haben nix mit Kartoffeln zu tun???

              Bei uns gibt’s schon auch Knödel ohne Kartoffeln (Semmelknödel, Leberknödel, usw.), aber die klassischen Knödel / Klösse sind Kartoffelknödel aus rohen und / oder gekochten Kartoffeln.

              Also .. ich hab ja 8 Jahre im feindlichen Ausland (Franken) gelebt. Da waren die „klassischen“ Klösse aus Kartoffeln.

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            • Nach meinem heimischen Sprachgebrauch (in Südfranken ist das teilweise ein wenig anders) sind Mehlklöße der Default für Klöße.
              Krautklöße sind Hefeklöße mit Sauerkraut. Kartoffelklöße sind explizit Kartoffelklöße.
              Dann kenne ich noch Karthäuserklöße („Kaddaiseglöss“) aus altbackenen Brötchen, Griesklößchen und Leberklößchen.

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    • Draußen weiß ich nicht. Wir saßen ja drinnen.
      Dort gab es Tassen (meine Mutter hatte eine), aber .. tja, was Kaffee betrifft, bin ich Großverbraucher.

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  3. Pingback: Doctor Häh? (1. Teil) //1826 | breakpoint

  4. blindfoldedwoman schreibt:

    Hast Du mal ein Rezept für die Krautklösse?

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