Zwei Feiertage hintereinander unter der Woche sind schon ungewöhnlich. Da ich am Montag einen wichtigen Termin hatte, und Carsten am Donnerstag, kam ein Kurzurlaub nicht in Frage. Stattdessen diskutierten wir, ob wir die zwei Feiertage auf dem Lande oder in der Stadt verbringen sollten, und entschieden uns schließlich dafür, in der Stadt zu bleiben.
Ich nutzte die Zeit u.a. dafür, mal wieder in meinem Kleiderschrank aufzuräumen. Dazu hatte ich einige Kleider und Wäsche zeitweise in den Waschkorb ausgelagert. Zwischendurch musste ich aber auch etwas anderes erledigen, so dass ich erst später dazukam, damit weiterzumachen.
Inzwischen hatte Carsten ein benutztes Handtuch in den Waschkorb geschmissen.
Ich rastete aus. Schrie ihn an, warum er schon wieder sein Dreckzeug auf meine sauberen Sachen geschmissen hätte. Und in der Tat hat er schon öfter benutzte Kleidung auf die frisch gewaschene oder gar zusammengelegte Wäsche gelegt.
Aber ich stand auch mich selbst beobachtend daneben, und fragte mich, was mit mir los sei, dermaßen überzureagieren. Klar ist es ärgerlich, wenn die saubere Wäsche durch Dreckwäsche kontaminiert und verschmutzt wird, so dass ich sie zumindest teilweise noch mal waschen muss. Allerdings schreie ich sonst wegen so etwas nicht herum. Carsten ist meistens gar nicht anwesend, wenn ich es bemerke, und später habe ich die Sache schon meistens wieder vergessen, bzw. ich weise ihn darauf hin, dass er in Zukunft schmutzige Sachen nicht auf saubere legen soll.
Der aufgestaute Ärger darüber entlud sich in mir, und ich kannte mich selbst nicht mehr.
Carsten versuchte mich zu beschwichtigen, erklärte, dass das Handtuch gar nicht so dreckig sei, so dass ich die Wäsche darunter nicht noch einmal waschen müsste, oder ich sie ja am Wochenende der Haushälterin bringen könne, die sich dann darum kümmern würde, aber ich ließ mich nicht beruhigen.
Einerseits wunderte ich mich insgeheim über mich selbst, andererseits dachte ich, dass er es jetzt wenigstens endlich lernen müsse, seine Sachen nicht auf saubere Wäsche zu schmeißen, wenn ich ihm das einmal so richtig deutlich und unmissverständlich klar mache, so dass er dies nie mehr wiederholt.
„Komm, wir legen uns noch mal ins Bett“, schlug er schließlich vor.
„Ich will aber jetzt nicht ins Bett“, rief ich, während mein innerer Beobachter verwundert den Kopf schüttelte. So einen Vorschlag hatte ich noch nie ernsthaft abgelehnt, und eigentlich wollte ich ihn auch jetzt nicht ablehnen. Aber meine innere Zicke war weiter auf Konfrontationskurs und zeterte herum, ohne dass ich das ändern konnte (und mein innerer Rekursionscallback sinnierte, ob meine Gedanken noch unter Selbstreflektion fallen, oder schon unter Schizophrenie).
Carsten zog sich schließlich verärgert an sein Notebook zurück.
Ich kam etwas zur Ruhe, atmete tief durch, und konnte mich plötzlich selbst nicht mehr leiden, wegen solch einer Kleinigkeit einen dermaßenen Aufstand gemacht zu haben. Mir kam zu Bewusstsein, dass Tante Irmas allmonatlicher Besuch bevorstand, und mir wurde klar, dass mich die Hormone hatten durchdrehen lassen.
Ich weiß schon, dass mich PMS manchmal (durchaus nicht jedesmal) reizbar und empfindlich machen kann, aber so schlimm war es bei weitem noch nie. Das war nicht mehr ich selbst. Das war die Macht der Hormone, die mich vorrübergend zu einer keifenden Erinnye mutieren ließ.
Nachdem ich das eingesehen hatte, holte ich in der Küche eine Nascherei, die Carsten gerne mag, ging zu ihm und setzte mich neben ihn. Ich legte die Nascherei auf den Tisch und meine Hand auf seinen Oberschenkel. „Ich hab‘ wohl überreagiert“, erklärte ich ruhig, „aber pass‘ in Zukunft bitte besser auf, wohin du deine gebrauchten Sachen legst.“
„Hm“, brummte er.
Während ich meine Hand weiter nach oben wandern ließ, meinte ich: „Wir könnten uns doch jetzt noch mal hinlegen ..“
..
Nichts entspannt besser und bereinigt Unstimmigkeiten.
Da Tante Irma inzwischen eingetroffen ist, ist erst mal Enthaltsamkeit angesagt. Aber auch wenn ich jetzt körperlich eingeschränkt bin, bin ich wenigstens psychisch wieder stabil und gelassen.
Ich glaube, ich hätte an Carstens Stelle angefangen zu lachen. Wegen einem Handtuch…LOL
Aber im Ernst: schreien geht gar nicht.
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Auch mit einem phlegmatischen Menschen kann mal das Temperament durchgehen.
Da hatte er schon recht, das zu ignorieren. Keine Ahnung, was ich gemaht hätte, wenn er gelacht hätte. Vielleicht wäre die Sache dann erst eskaliert.
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Ich hab ja schon von PMS gehört, selber aber nie darunter gelitten. Schon leicht verstörende Vorstellung, dass man dann nicht mehr sich-selbst ist und das nicht kontrollieren kann.
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Im Extremfall ist das halt so. 😳
Normalerweise halten sich aber die Auswirkungen bei mir in Grenzen, bzw. ich kann es ausreichend steuern.
I.A. muss für eine ausgeprägte Reaktion noch irgendein zusätzlicher Trigger dazukommen, und üblicherweise wird es mir erst im Nachhinein überhaupt bewusst.
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die analytikerin mit emotionen……das hatte ich so nicht erwartet, aber es ist gnadenlos ehrlich. gut so.
im übrigen halte ich es so, dass ich versuche private (da kann jeder sein „reich“ versaubeuteln) und „öffentliche“ (da gibt es grundregeln, die allen genüge tun) bereiche zu unterscheiden und mich auf diejenigen dinge mit kritik konzentriere, die öffentlich sind. insofern fanden deine erlebnisse wohl im öffentlichen bereich statt, insofern ist kritik angebracht. aber wohl in anderer tonlage 😉
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Das war privat in unserer Wohnung. Mit anderen Leuten würde ich mich nie so gehen lassen.
Aber Carsten hält das schon aus, und nimmt mir das nicht dauerhaft übel. Seine Launen und Ärger muss ich schließlich auch oft genug über mich ergehen lassen, ohne dass ich deshalb länger auf ihn sauer bin.
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die unterscheidung „privat“ zu „öffentlich“ hatte ich auf die eigene bleibe bezogen, will heissen, dass es zumindest in meinem leben zimmer gibt, wo ich alleine bestimme und solche wo ein gemeinschaftliches interesse besteht, zum beispiel küche wohnzimmer bad…….und der krug geht solange zum brunnen, bis er zerbricht 😉
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Nein, wir teilen uns in der Wohnung alle Zimmer.
Vielleicht waren wir da ja auch ein wenig zu eng aufeinander gehockt. Manchmal ist ein Rückzugsort auch gut – hier jedoch zu wenig Platz.
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ich habe mein kellerloch 😉 da kann ich mehr oder minder gut filosofieren
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Normalerweise sind wir ja an Nicht-Arbeitstagen auf dem Lande. Da ist mehr Platz, so dass man sich leicht aus dem Wege gehen könnte.
In Zukunft mache ich solche Umräum- oder Wäschearbeiten besser, wenn er nicht da ist.
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Ich finde, du machst es dir ein bißchen einfach, indem du es auf deine Hormone schiebst. Auch dann sollte man sich unter Kontrolle haben und nicht so platzen, auch wenn es nagt und schwerfällt.
Immerhin hast du aber die Kurve bekommen und durch ehelichen Beischlaf den Konflikt aus der Szene genommen. Aber ob das immer gut geht ….
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Du hast leicht reden, Plietschi!
Meistens bin ich ja trotzdem umgänglich und verträglich.
Um mal eine grobe Abschätzung zu geben:
Von 13 Malen im Jahr merke ich etwa 8 mal gar nichts.
3 oder 4 mal fällt es mir zwar auf, aber hält sich im normalen Grenzen.
Nur ein oder zweimal werde ich tatsächlich inakzeptabel zickig, aber so schlimm wie dieses Mal war es in dem ganzen Vierteljahrhundert noch nie, in dem ich mich damit herumschlagen muss.
Zu meiner Entlastung:
Hausarbeit ist nicht so meine Stärke, und Wäsche und dgl. habe ich nur solange im Griff, wie ich selbst die Planung unter Kontrolle habe.
Unvorhergesehene Schmutzwäsche bringt mein ganzes Konzept durcheinander. Für einzelne meiner Bewusstseinsinstanzen ist das ein Desaster.
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Klar hab ich leicht reden 🙂
Du brauchst Trost und Anerkennung, glaub ich. Hausarbeit ist nicht schön, aber eben nötig. Warum lasst ihr das nicht von einer guten Hausfee erledigen ? (ab 50, kurze Haare, nicht so frech)
Selbstbeherrschung ist manchmal schwer (kenn ich), aber dringend nötig.
Plane nicht so viel ! Nur ein Tipp.
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Im Landhaus kümmert sich ja die Haushälterin darum, aber hier in der Wohnung will ich keine anderen Leute rumwurschteln lassen. Da mache ich die Hausarbeit lieber selbst, und meistens klappt das ja auch.
Normalerweise bin ich selbstbeherrscht. Das war ein einzelner Ausreißer. Ich weiß ja selbst, dass das nicht OK war. Trotzdem gab es für mich in dieser Situation keinerlei Option, irgendwie anders zu handeln. Ging einfach nicht.
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Es soll dir verziehen sein 🙂
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Danke! 😀 Da bin ich aber erleichtert.
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Das freut mich ! 🙂
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Du hast was von Sheldon an Dir, wenn Du Hausarbeit verrichtest, aber alle Jubeljahre Zickenterror kann ein Mann locker ab.
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Solange sich solche Ausraster bei mir nicht häufen, sind sie, denke ich, für Carsten erträglich.
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Ja,
manchmal drehen die Frauen durch … 😉
Ich finde solche Situationen als Mann immer verstörend – denn egal was man macht, es ist das Falsche. Und einfach ignorieren ist wohl das Beste – aber beileibe nicht das Einfachste. Vermutlich ist es Carsten schon gewohnt.
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„Verstörend“ war es auch für mich selbst, da ich das in diesem Ausmaß von mir nicht kenne.
Wenn Carsten das gewohnt ist, dann aber nicht von mir.
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Und ich denk noch so: Beginnt Sie Jetzt Im Titel Alle Worte Mit Großbuchstaben? 🙂
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Bingo!
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Sicher, dass Du wirklich zur Erinnye (also einer Rachegöttin, i.W.S. also personifizerte Gewissensbisse) wurdest und nicht zur Xanthippe?
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Erinnye im ganz wörtlichen Sinne von „Rasende“.
Xanthippe wird IMHO zu Unrecht so geschmäht. Sie reagierte nur so aggressiv auf die Vernachlässigung durch Sokrates.
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