Ikosanniversium //1677

Vor etwa zwanzig Jahren hatte ich begonnen zu studieren. Dies hatte mein Leben völlig verändert. Nicht nur, dass ich aus dem stockkatholischen Kleinstadtmief herauskam. Nein, mir eröffnete sich eine völlig neue Welt.
Im Rückblick erscheint es mir, als hätte ich das mir während des Studiums vermittelte Wissen wie ein Schwamm aufgesogen. Während meiner Jugend war ich doch ziemlich abgeschnitten gewesen von einer aufgeschlossenen Gesellschaft und von (heute selbstverständlichen) Informationsquellen. Da ich es nicht anders kannte, hatte mir das damals gar nicht so viel ausgemacht. Ich war halt immer etwas sonderlich gewesen, aber da ich sehr ruhig und introvertiert war, war dies in meiner Umgebung gar nicht aufgefallen.
In einer Großstadt und dem universitären Umfeld blühte ich auf, traf erstmals auf Gleichgesinnte. .. nahm Gesangsunterricht, lernte Spanisch, besuchte Philosophievorlesungen, .. Ich entwickelte Selbstvertrauen, eine gewisse Souveränität und eine weit offenere Persönlichkeit. Aus der unscheinbaren, schüchternen Bohnenstange wurde eine selbstsichere, attraktive junge Frau.
Die Metamorphose verlief nicht schlagartig, das war ein längerer Prozess, der aber im wesentlichen (jedoch nicht völlig) mit meinem Studium synchron lief.

Im Sommer hatte sich mein Abitur zum zwanzigsten Mal gejährt. Ich war auch zu einer Feier meiner alten Abituria eingeladen worden. Zeitlich war der Termin für mich ungünstig gelegen, aber ich hätte es sicher irgendwie einrichten können, wenn mir die Teilnahme daran wichtig gewesen wäre.
Aber ich habe jetzt nicht so positive Erinnerungen an meinen Abiturjahrgang. Mit einigen Kollegiatinnen hatte ich noch einige Zeit lang Kontakt, bis diese irgendwann nicht mehr antworteten (nur von Kathrin höre ich noch gelegentlich). Aber es ist jetzt niemand dabei, den ich unbedingt mal wieder hätte treffen wollen. Die meisten kannte ich schon damals nur vom Namen, etliche flüchtig, ohne näher befreundet zu sein, und einige zwar besser, aber nicht so gut, um Wert auf ein Wiedersehen zu legen. Ich bin eh kein geselliger Mensch, sondern eher Außenseiterin, und mag solche Veranstaltungen nicht.
Also sagte ich ab. Von Kathrin habe ich gehört, dass etwa die Hälfte des Jahrgangs gekommen war – eben hauptsächlich die Leute die sowieso noch dort in der Gegend wohnen.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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10 Antworten zu Ikosanniversium //1677

  1. keloph schreibt:

    es gibt immer wieder menschen aus der vergangenheit, an denen man interessiert wäre, diese aber in alten klassentreffen wiederzutreffen ist entsetzlich ineffizient 🙂

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  2. Plietsche Jung schreibt:

    Ich hatte vor 5 Jahren das letzte Klassentreffen und auch bis dahin wenig Kontakt zu den Jungs und Mädels. Irgendwie verläuft sich das Leben und das ist auch meist gut so.

    Die ehemaligen „coolen“ Typen sind die Looser vor dem Herrn. Wenig Bums im Hirn, kaum weiterentwickelt, einfach stehen gelieben. Viele Frauen in Familie, Camping und Frustation aufgegangen. Irgendwie auch selbst schuld.

    Aber es gibt auch Highlights. Menschen in Selbstständigkeit, erfolgreich, gute Positionen. Alle besetzt von Menschen, die Hunger auf das Leben haben und sich weiterbilden.

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