Nachdem ich den gestrigen Eintrag veröffentlicht hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass ich häufig – sehr häufig! – etwas nur gemacht hatte, weil mich jemand darum gebeten hatte – sei es als persönlicher Gefallen, oder als Ersatz.
In meine Selbständigkeit bin ich nur gestolpert, weil ich damals angefangen hatte, für einen Freund Software zu schreiben. Dann hat sich der Rest mehr oder weniger daraus entwickelt.
Hier in unserer Firma habe ich ursprünglich nur deshalb Aufgaben übernommen, weil dringend Vertreter nötig waren (das war damals, als wäre ich ins kalte Wasser geschubst worden), und auch auf die Geschäftsführerschaft habe ich mich nur Carsten zuliebe eingelassen.
Die Promotion mache ich ebenfalls nur, weil mich Benjamin wiederholt darum gebeten hat, nicht initiativ aus eigenem Antrieb oder Motivation.
Es fallen mir noch mehr Beispiele ein, aber die Aufzählung hier genügt erst mal, um das Prinzip zu verdeutlichen: Ich habe nur reagiert (so wie eine DLL nicht eigenständig Code ausführt, sondern nur, wenn ein Executable einen Call macht, oder ein (HTTP-)Server passiv auf Requests von Clients wartet, auf die er dann eine Response schickt).
Dies ist für mich momentan eine bittere Erkenntnis, die an meinem Selbstbild rüttelt.
Warum ist das für mich ein Problem?
Nun ja, ich lese regelmäßig bei „Alles Evolution“, und würde das allgemeine Diskussionsklima keinesfalls als frauenfeindlich bezeichnen. Ich diskutiere dort gerne, und werde wohl auch respektiert und akzeptiert. Allerdings gibt es dort schon einzelne Kommentatoren mit recht speziellen Ansichten, deren (pauschale) Äußerungen über Frauen manchmal ins Negative gehen.
Ich konnte das bisher immer an mir abperlen lassen, da es mich nicht betraf, und ich mich nicht gemeint fühlte.
Durch die oben beschriebene Einsicht ist das aber nicht mehr ganz so. Ich frage mich, inwieweit es doch auf mich zutrifft.
Andererseits .. in Schule, Studium, Beruf war ich immer in der Spitzengruppe (lediglich in Sport war ich eine Niete). Ich habe oft genug gezeigt, dass ich gut bin und meine Leistungsfähigkeit bewiesen. Schließlich ist mir auch das Studium nicht in den Schoß gefallen, noch ist mein Erfolg in der beruflichen Selbständigkeit auf den Bäumen gewachsen. Ich habe etliches aus eigener Kraft geschafft und erreicht. Das macht mir bei weitem nicht jeder nach.
Und doch sind da Zweifel .. und Überlegungen, ob ich mein ganzes Potential ausgeschöpft habe, oder vielleicht einfach zu faul und träge, noch mehr Ehrgeiz zu entwickeln.
Und was hat das jetzt mit dem Geschlecht zu tun?
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Dass ich feststellen musste, dass ich bei diverse Aussagen, die angeblich für Frauen gelten, keine Ausnahme darstelle.
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Du solltest Dir nicht so viel von dem Geschwurbel antun. Ob jetzt Feministinnen oder Männer, die alles Leid der Welt auf diese schieben. Für mich haben die alle ein großes Problem.
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Nur weil mir manches nicht gefällt, darf ich es nicht ausblenden, wenn es amsonsten plausibel ist.
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Jetzt will ich meinen Herbstsenf dazugeben. Zusammgefaßt schreibst Du, Du wärst durch Deine Hilfsbereitschaft in Deine jetzige Situation gekommen. Deinen Hinweis auf alles Evolution interpretiere ich, jene Frauen abwertenden Beträ
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Nicht unbedingt Hilfsbereitschaft, sondern mangelnde Eigeninitiative. Nur reactio statt actio.
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Zumindest mit der Promotion dürfte es den meisten so gehen – ich wäre von mir aus auch nicht auf die Idee gekommen …
Du packst halt die Gelegenheit beim Schopf. Was sollte daran schlecht sein? Bereust Du Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen?
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„Gelegenheit beim Schopf packen“ trifft es nicht so richtig. Meistens gehörte schon mehr oder weniger Überzeugungsarbeit dazu, bis ich mich darauf einließ.
Nein, bereuen tue ich eigentlich nichts.
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Jetzt will ich meinen Herbstsenf dazugeben. Zusammgefaßt schreibst Du, Du wärst durch Deine Hilfsbereitschaft in Deine jetzige Situation gekommen. Deinen Hinweis auf alles Evolution interpretiere ich, jene Frauen abwertenden Beiträge beziehen sich auf: Frauen brauchen Führung, sind entscheidungsschwach und unselbstständig usw. Nun zweifelst Du.
Was Deine Selbstständigkeit angeht, sei froh wenn Dir jemand die Augen geöffnet hat. Deinem Blog entnehme ich, Dein Vater war Lohnempfänger, Deine Mutter Hausfrau. Wie kamst Du darauf, Selbstständig zu werden? Ein Vorbild hattest Du nicht. Wenn man gar in einer Arbeitergemeinde aufwächst, wie ich,wo selbst die Schule die Jungen auf den Beruf Bergmann vorbereitet, kommt man garnicht auf diese Idee und in der Regel sind es die Kinder von Unternehmern, die selbstständig werden.
So gesehen hast Du Impulse bekommen, die Deinem Lebensweg eine andere als die vorgesehene Richtung gaben. Das ist gut. Übrigens bin ich sicher, Du hattest Angebote in ein Arbeitsverhältnis zu wechseln mit Achtstundentag und Sozialversicherungspflicht.
Was Deinen Job bei Carsten betrifft, auch wenn Du durch Deine Hilfsbereitschaft quasi ohne eigenes Zutun da reingerasselt bist, wie Du sagst, glaube ich nicht daß es so war. Letztlich hast Du entschieden. Auch hier wurden Dir Möglichkeiten eröffnet, die Du war genommen hast. Sicher ist eine Geschäftsführerin abhängig beschäftigt. Im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern kannst Du jederzeit zurück. Ich meine, Du hast Deine Fähigkeiten erweitert, besonders im Umgang mit Menschen. Ich glaube nämlich, aus Deinem Blog erkennen zu können, daß soziale Interaktion nicht Deine Stärke ist. Daran konntest Du als Abteilungsleiterin arbeiten. Letztlich hast Du Dich weiterentwickelt und bist nun Stellvertreterin Deines Mannes. Ich glaube sogar, eine Strategie Deines Mannes zu erkennen, der Dich an Deinen Aufgaben wachsen läßt und Dich langsam zur Nachfolgerin aufbaut. Du hast an manchen Wegpunkten Deines Lebens Glück gehabt. Das ist garnicht schlecht. Denn Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige, es ist der Ertrag harter Arbeit.
Kein Mensch kann ohne Einflüsse von außen existieren. Sieh es mal so, Du hattest Mentoren, die Dir Möglichkeiten zeigten. Die wahrzunehmen oder auch nicht hast Du entschieden.
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Danke für deine ausführliche Aufmunterung, Wolle.
Ich war vor meiner Selbständigkeit ja zwei Jahre lang abhängig beschäftigte Angestellte. Von daher kenne ich auch die Sicht als Arbeitnehmer.
Nein, ich stehe nicht in einem Angestelltenverhältnis, sondern bin Teilhaberin – dank Carsten’s Großzügigkeit.
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Teilhaberin, davon hatte ich gelesen, mein Gedächtnis, seufz. Teilhaberin und Azubine, Hihihi, denn ganz klar ist, Du wirst von Deinem Mann zur Chefin von dat janze ausgebildet.
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Ja, ich soll seine Nachfolge übernehmen.
Wobei das eher im Interesse der Firma liegt als in meinem.
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Machts Dir denn gar keinen Spaß, das Kommando zu führen? Entscheider sein, den Mitarbeitern die Richtung weisen?
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Entscheidungen zu treffen, erfordert auch, sie durchzusetzen und (eventuell negative und unvorhersehbare) Konsequenzen zu verantworten.
Das alles ist schon verdammt anstrengend!
Aber ich will gar nicht rumjammern. Ich habe durchaus gewusst, was auf mich zukommt, und fühle mich dem grundsätzlich auch gewachsen.
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So hab ich das noch nicht betrachtet. Verantwortung übernehmen gehört zum Leben, Konsequenzen ertragen ebenfalls.
Es ist wohl anstrengend, auf eine andere, intensivere Art als harte körperliche Arbeit. Durchsetzungsvermögen ist wichtig, aber Du wärst nicht da, wo Du bist, wenn Du nicht darüber verfügtest. Du führst Deinen Laden, daß Du manchmal zweifelst, ist gut. Die allzu selbstgewissen fahren schnell mal ne Firma an die Wand. Erweisen sich mit zunehmendem Erfolg beratungsresistent, umgeben sich mit Jasagern und Schmeichlern. Gute Führer wissen das, und behalten Bodenhaftung. Als ehemaliger Arbeitnehmer kann ich Dir sagen, Menschenführung ist ausschlaggebend für den Erfolg. Es hat nicht jeder so eine Söldnerseele, daß ihn nur die Kohle interessiert, Hihihi, daß Betriebsklima ist wichtig. So, und da habe ich genug bei Dir gelesen und denke, so eine Chefin hätte ich gern mal gehabt. Obwohl – Geld zählt mehr als Betriebsklima. Stimmt die Kohle, wächst die Arbeitslust. Alles andere ist Zugabe, ganz nett, aber nicht zwingend erforderlich. Weil aber nicht Alle so gestrickt sind brauchts Leute wie Dich.
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Das stimmt. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man nur für sich selbst Verantwortung trägt, oder auch für andere.
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Macht das Dir Freude?
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Naja, ich hab‘ mich nicht darum gerissen, es zu tun.
Eher Pflichtgefühl. Irgendjemand muss es machen. Aber zuwider ist es mir auch nicht.
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Was sind das hier für Töne? Es ist doch letztlich egal, ob reagiert oder agiert. Was zählt, ist meines Erachtesns, das Ergebnis. Und das wird meist auch gut, wenn einem das Ganze auch Spaß macht (oder wohl zumindest besser als ohne Spaß). Und vermutlich machen dir die Dinge dann auch Spaß, ansonsten hättest du sie sicher beendet.
Von daher würde ich das nicht so eng sehen wie du. Du hast Chancen bekommen, man hat dich drauf hingewiesen, du hast sie angenommen. Gut ist’s.
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Ach, ist wohl wieder mal der Herbstblues.
Und bei aller Selbstkritik bin ich halt manchmal auch recht streng mit mir.
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Das Wichtigste ist, dass man mit sich selbst zufrieden ist. Der Rest ist dann nur angenehme Beilage.
Ich bin auch nur da, wo ich heute bin, weil es ein glücklicher Zufall so wollte, dass ich Den Häuptling zufällig kennenlernte und dieser mich in eine Stadt verschlug, zwecks Arbeit, wo ich eigentlich gar nicht hin wollte. Und hätte ich nicht stets das Beste gegeben, in dem was ich tue, wäre ich heute nicht dort, wo ich stehe.
Möglicherweise hätte mein anderer Weg mir mehr akademische Weihen beschert oder ich säße heute bereits an alleroberster Stelle in einer anderen Firma. Aber das sind nur Spekulationen.
Mir gefällt mein Werdegang, meine Kollegen und Ex-Kollegen schätzen mich sowohl fachlich als auch menschlich und meine Kunden sind auch sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Währenddessen versuchen die Headhunter bzw. andere Firmen direkt mich anzuwerben. Was will man mehr?
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Es ist wohl müßig, zu spekulieren, was gewesen wäre wenn.
Wenn mich von Zeit zu Zeit Selbstzweifel befallen, dann nur, um meine Selbsteinschätzung neu zu kalibrieren. Ist besser, als nie Zweifel an sich selbst zuzulassen.
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Aufgaben für andere setzen
Aufgaben für sich setzen
Aufgaben erfüllen
sind drei verschiedene Dimensionen die alle verschiedene Formen der Aktivität sind.
Alle diese drei unterscheiden sich massiv von Konzepten wie „ins gemachte Nest setzen“ – die eine der extremeren Formen der Passivität sind:
. (Tatsächlich sehe ich keinen entsprechenden gegenpunkt zur „kreativen Delegation“)
Sich treiben lassen
Erwarten, dass Aufgaben erfüllt werden
Bzgl. Männle/ Weible wird sicher der ein- oder andere hier versuchen irgendeinen Punkt als super-duper Kriterium hochzujazzen, vor allem wenn gemeint wird, dass das „gegnerische“ diesen Punkt nicht kann.
Aus meiner Sicht ist jede Form der (ernsthaften) Aktivität wertvoll – auch die oben vielleicht herausgestellte opportunistische Aktivität..
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Die Kür ist es wohl, sich selbst anspruchsvolle Aufgaben zu stellen, und diese dann auch eigenständig erfolgreich zu lösen.
Es gibt durchaus einiges, auf das ich stolz sein kann, und das auf meinem eigenen Mist gewachsen ist.
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Das Geheimnis für Erfolg (in allen Bereichen) ist es, sich bietende Gelegenheiten zu erkennen und zu nützen. Nicht nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein; man muß dann auch noch das Richtige tun, bevor sich das Fenster wieder schliesst.
Das könnte man Reaktivität oder Passivität nennen, das ist aber falsch.
Erstens gibt dir offensichtlich der Erfolg recht, zweitens hast du ja ebenso hart dafür gearbeitet und drittens ist Aktivität ohne das glückliche Händchen, den richtigen Riecher und das Auge für sich bietende Gelegenheiten nichts als Aktionismus und meist nicht von Erfolg gekrönt.
Ich glaube, so weit ich das beurteilen kann, hast du alles richtig gemacht!
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Danke dir.
An „faber est suae quisque fortunae“ ist einiges dran.
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