Wir waren bereits am Freitag abend in die alte Heimat gefahren, damit es Samstag früh nicht zu eng und hektisch werden sollte. Wir übernachteten in einem Touristen-Hotel fünfzehn Autominuten entfernt, und fuhren nach einem geruhsamen Frühstück zu der Kirche, in der Kathrin und Florian gleich kirchlich heiraten würden (fragt mich nicht, wie sie das mit dem Pfarrer geregelt haben, denn normalerweise werden Geschiedene nicht mehr kirchlich getraut).
Vor der Kirche standen etliche meiner Verwandten, aber auch Leute, die ich nicht kannte. Das müssen die Verwandten von Florian gewesen sein.
Leider liegen mir keine statistischen Daten vor, aber ich würde rein intuitiv vermuten, dass die durchschnittliche Körpergröße in der alten Heimat locker vier oder fünf Zentimeter geringer ist als in $NichtImSauerland, denn ich kam mir wieder mal fremd und fast ein wenig freaky vor, obwohl ich nur mittelhohe Schuhe trug. Nur dank meines Begleiters durfte ich mich ein bisschen klein fühlen, und bekam nicht wieder solche Rückenschmerzen, wie ich sie in meiner Jugend oft hatte.
Carsten und ich setzten uns in der Kirche ziemlich weit nach hinten, und ließen die Traufeier über uns ergehen.
Danach fuhr die gesamte Hochzeitsgesellschaft verteilt auf mehrere Autos (mehr oder weniger hupend) zu einer Gaststätte in einem Nachbarort.
Wir saßen zusammen mit meinen Eltern und Sabine und Thorsten am gleichen Tisch. Für die Kinder gab es einen extra Tisch. Bloß Kristina blieb bei Sabine.
Das Mittagessen war gut und reichlich. Ich steh‘ nun mal auf Lewerklösslich, die es in der Suppe gab. So, wie sie mir am besten schmecken, gibt es sie nur in der alten Heimat. Dafür hielt mich verausschauend beim Hauptgang zurück, um dann beim Nachtisch noch ausreichend Magenkapazitäten übrig zu haben.
Kathrin wirkte sehr glücklich. Ich wünsche ihr, dass es so bleibt.
Nach dem Mittagessen vertraten wir uns alle die Beine.
Kathrin’s Oma (die andere, nicht die, die sie mit mir gemeinsam hatte – also im Gegensatz zu meinen post-menopausalen Verwandten ohne Stoppelkinn) war auch anwesend. Meine Mutter ging zu ihr, um sich mit ihr zu unterhalten. Es ergab sich, dass ich auch mitging. Die Oma schien mich erst nicht zu erkennen, und brabbelte etwas unverständliches. Plötzlich wusste sie dann doch, wer ich bin, denn sie sagte zu meiner Mutter: „Dei Annele hat sich obber rausgemacht. So eine schöne Dame geworrn. Obber immer noch so dünn.“
Ich schwankte zwischen geschmeichelt und verärgert fühlen, denn ganz so dünn wie früher bin ich nun auch nicht mehr. Schließlich siegte die Gleichgültigkeit. Was Kathrin’s Oma sagt, kann man schon lange nicht mehr ernst nehmen, selbst in ihren lichten Momenten.
Carsten unterhielt sich unterdessen mit Thorsten und Sabine.
Zwischendurch konnte ich ihn doch überreden, sich mit mir abzusetzen. Wir fuhren dann zunächst ein Stück in die Gegend. Zwar haben wir für Outdoor-Aktivitäten immer eine Decke im Kofferraum, aber da es ziemlich kühl war, fuhren wir kurzerhand ins Hotel. Zum Kaffeetrinken waren wir dann wieder zurück (wenn auch leicht verspätet).
Inzwischen war ein Alleinunterhalter anwesend, dessen musikalische Untermalung und Animationsversuche aber eher störten als unterhielten.
Einige Verwandte von Florian kritisierten, dass Kathrin ihren Nachnamen behielt. Florian erklärte, dass zum einen das Kind seinen Namen nicht ändern solle, und zum anderen Kathrin früher damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte, denn ihr damaliger Chef hätte sie bei ihrem alten Job immer falsch angesprochen. Nun – das passiert eben, wenn man den gleichen Nachnamen hat wie die Frau des Chefs.
Abends war es lange hell. Die Hochzeitsgesellschaft saß noch etwas draußen im Biergarten der Gaststätte, aber es wurde schon bald zu kühl. In der alten Heimat sind Sonnwendfeuer nicht üblich. Dass ich die Sonnenwendfeier im Dorf verpasst habe, störte mich ebenso wenig, wie bei der Feier von Fiona und Corinna, die ebenfalls an diesem Tag stattgefunden hatte.
Am Sonntag fuhr ich mit Carsten zu einem Ort, wo ich als Kind mit meiner Familie oft einen Sonntagsausflug hin gemacht hatte, und den Carsten bisher noch nicht kannte. Wir spazierten ein wenig herum, kehrten Mittags in einem Gasthaus ein, und nachmittags in einem Café, in das ich schon früher öfter mit meiner Familie gegangen war, und immer noch schätzte. Wenigstens war es ein bisschen wärmer als gestern, so dass wir unsere Outdoor-Pläne doch noch umsetzen konnten.
Landschaftlich ist die Gegend im Sommer schon wunderschön, aber kulturell und infrastrukturell ist sie noch nahezu unberührt von höherer Zivilisation.
Danach fuhren wir wieder heim in die Stadt. Viel mehr gibt es zu diesem Wochenende eigentlich nicht zu sagen.
„unberührt von höherer Zivilisation“
Noch überheblicher geht’s net?
Du meinst wohl auch, Du wärst was besseres nur weil Dein Bett in einer Provinzstadt steht?
Wie ich die Überheblichkeit von Städtern hasse!
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Was ist dir schon am frühen Morgen eine Laus über die Leber gelaufen?
Vielen Urlaubern gefällt ja gerade die unerschlossene Natur. Die hat ganz sicherlich ihren Reiz.
Trotzdem schätze ich die Errungenschaften der modernen Zivilisation.
Ich hatte ja erst letzte Woche das Dorf, aus dem meine Mutter stammt, im Blog erwähnt.
Dort gibt es keinerlei Einkaufsmöglichkeiten. Der Bus in die Kreisstadt fährt drei- oder viermal am Tag, außer am Wochenende. Soweit ich weiß, gibt es immer noch kein schnelles Internet.
Selbst wenn sonst alles außenrum toll ist – dort wohnen möchte ich nicht.
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Was Du meinst ist Infrastruktur, nicht Zivilisation.
Nicht um alles in der Welt will ich in der Stadt wohnen. Viel zu viele Menschen auf viel zu wenig Fläche.
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Jeder wie er mag.
Ich fühle mich in der Stadt wohl.
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Es heißt doch auch „fernab jeglicher Zivilisation“ (als Idiom, gleichbedeutend mit „da wünschen sich Fuchs und Hase ‚Gute Nacht'“), wenn man sich in abgelegenen Gebieten aufhält?
Ich erkenne da nichts überhebliches. Im Gegenteil: in solchen Gegenden halte ich mich sogar sehr gerne auf. 🙂
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Ich bin ein Landei und das sehr gerne.
Anne hat aber schon mehr als einmal durchblicken lassen, was sie von der Landbevölkerung hält.
Im Prinzip ist mir das ja wurscht – aber bei „höherer Zivilisation“ und den aktuellen Hitzegraden sind mir wohl die Gäule etwas durchgegangen.
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Was ich habe „durchblicken“ lassen, bezog sich nicht auf die Bevölkerung, sondern auf Rückständigkeit hinsichtlich kultureller Einrichtungen und infrastrukturelle Defizite.
Allerdings habe ich ein gewisses Unverständnis, wieso man dort freiwillig und dauerhaft leben mag.
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Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich habe auch ein gewisses Unverständnis, wieso man freiwillig und dauerhaft in der Stadt leben mag. Aber Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden.
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Ja, „Zivilisation“ hatte ich hier als Gegenbegriff zu „Wildnis“ benutzt – also abgelegene, unbewirtschaftete Naturflächen.
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Zivilisation? Gibt es sowas überhaupt auf diesem Planeten? Manchmal kommt es mir jedenfalls so vor, als würden wir seit 2-300 Jahren schlicht technologischen Fortschritt mit Zivilisiertheit verwechseln! Deshalb freut es mich ja so sehr, dass die im Herannahen befindliche Entwicklung von Automatisierung so viele Jobs kosten wird…vielleicht nutzen wir als Gesellschaft dann diese Chance, mit dem Stand der Zivilisiertheit zum Stand unserer technischen Entwicklung aufzuschließen… 🙂
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Die Landschaft ist großteils reine Wildnis.
Das ist schön für gelegentliche Ausflüge oder für einen Urlaub. Um dauerhaft dort leben zu wollen (insbesondere im Winter), braucht man eine gewisse Mentalität, die mir fehlt. Ich hatte das schon lange genug.
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War schon ne ganze Menge
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Wir haben die Gelegenheit genutzt, und die Hochzeitsfeier auf einen Miniurlaub erweitert.
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Schon heute morgen, als ich den Blogeintrag auf die schnelle beim nem Kaffee gelesen habe, hatte ich nen freudschen Verleser:
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Da hätte ich wohl doch besser „Trauungszeremonie“ schreiben sollen.
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Gibt’s eigentlich Gerüchte / Erzählungen von der Feier von Fione und ihrem Drachen?
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Bisher habe ich kaum etwas dazu gehört, zumindest nichts bemerkenswertes.
Scheint eine recht kleine, unauffällige Feier geblieben zu sein.
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