Vierzehnhundertzweiundsechzig

2014 und 2015 hatte ich hier des e-Tags gedacht, 2016 nur kurz auf Twitter erwähnt.

Heuer möchte ich den e-Tag den Elektronen (richtig geschrieben!) widmen.
Elektronen sind elementare subatomare Partikel, die die Hülle von Atomen bilden. Sie sind elektrisch negativ geladene Leptonen, haben also halbzahligen Spin, und verhalten sich somit entsprechend der Fermi-Dirac-Statistik.
Unsere Nutzung von elektrischem Strom beruht darauf, dass sich Elektronen in einem metallischen Leiter (fast) frei bewegen können, und vom positiven Pol durch die Coulomb-Kraft angezogen werden.
In Halbleitern, die die Grundlage sämtlicher Elektronik und Computertechnologie bilden, interagieren Elektronen mit Löchern.

Die elektrische Elementarladung ist eine Naturkonstante, deren Wert etwa 1.6E-19 Coulomb beträgt. Diese Konstante ermöglicht es, Energien in der Einheit Elektronvolt (eV) oder Vielfachen davon darzustellen.
Ein Elektron, das 1 Volt Potentialdifferenz durchlaufen hat, wurde dadurch beschleunigt, und hat die kinetische Energie 1eV gewonnen.
Die Masse eines Elektrons beträgt 511keV. Das bedeutet, dass man ab Hochspannungen von etwa 50 Kilovolt relativistisch rechnen sollte. Solche Hochspannungen sind z.B. in der konventionellen Röntgentechnik durchaus üblich.
Da es kein leichteres, elektrisch geladenes Lepton gibt, ist das Elektron stabil.

Das Antiteilchen eines Elektrons heißt Positron. Beide ziehen sich an, bilden kurzzeitig ein so genanntes Positronium (gilt so nicht für hochenergetische Stoßprozesse), und vernichten sich dann gegenseitig, indem sie in zwei oder drei Photonen zerstrahlen. (Es ist ein unzutreffendes Gerücht, dass diese Annihilation nach einer gewissen bloggenden Physikerin benannt ist.)
Auch wenn Elektronen die Hülle eines Atoms bilden, können sie ebenfalls durch den radioaktiven Beta-Zerfall aus einem Atomkern geschleudert werden. Dafür ist die schwache durch W-Bosonen vermittelte Wechselwirkung verantwortlich.

Es gäbe noch viel über Elektronen zu schreiben. Die ganze Chemie basiert nur darauf, wieviele Elektronen sich in den äußeren Orbitalen der Atome befinden. Oder über die elektromagnetische Wechselwirkung mit Photonen, die sich z.B. im Photo-Effekt (auch bekannt als Licht-elektrischer Effekt, wofür Einstein seinen Nobelpreis erhielt – nicht für die Relativitätstheorie, wie weit verbreitet geglaubt wird) oder Compton-Effekt ausdrückt (wobei wir wieder bei der Röntgenstrahlung wären).

Fast alle Elektronen, mit denen wir Tag für Tag umgeben sind, und die Bestandteil unserer Körper sind, sind uralt. Sie entstanden winzige Bruchteile von Nanosekunden nach dem Urknall. Einige entstanden auch durch Fusionsprozesse in der Sonne und gelangten als kosmische Strahlung zu uns. Einige andere wurden durch radioaktive Zerfallsprozesse auf der Erde freigesetzt. Ganz wenige schließlich verdanken ihre Existenz Forschungseinrichtungen wie DESY oder CERN.
Es greift zu kurz, Elektronen als winzigkleine Kügelchen zu sehen. Denn dadurch würde man nach Heisenberg zugeben, überhaupt nichts über ihre aktuellen Impulse bzw. Geschwindígkeiten zu wissen. Stattdessen stellt man sie sich vor als über den gesamten Raum verschmiert (bzw. bis zum nächsten Faraday’schen Käfig – sofern sie nicht durchtunneln können).

Wer gerade diesen Text liest – egal ob auf einem stationären Rechner, Notebook, Tablet, Smartphone, oder was sonst – sollte sich einmal bewusst machen, dass wir dies alles nur diesen allgegenwärtigen Elementarteilchen verdanken.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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22 Antworten zu Vierzehnhundertzweiundsechzig

  1. Leser schreibt:

    Sehr schön! Erinnert mich ein Wenig an die Verwunderung, als ich in der Schule gelernt habe, dass alles, jegliche Materie, aus unzähligen Kombinationen von immer denselben Elementarteilchen – Proton, Neutron, Elektron – besteht. Dieser Moment hatte etwas „magisches“, rein vom Gefühl her. Eine unendlich vielfältige Welt, die auf 3 verschiedenen Grundbausteinen basiert, das ist noch faszinierender, als Legoland jemals sein könnte (oder keine Ahnung was sonst – mir ist kein besserer Vergleich eingefallen).

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    • Das ging mir ähnlich (allerdings nicht in der Schule).
      Die (Beschreibung der) Natur ist schon faszinierend, in all ihrer Einfachheit und Eleganz.

      Bloß wenn man genauer hinschaut, wird es halt doch komplizierter. Warum hält ein Atomkern zusammen, wenn doch eigentlich die Protonen einander abstoßen? Solche und ähnliche Fragen gibt es en masse, und nicht für alle gibt es plausible Antworten.

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  2. Pendolino70 schreibt:

    Ich mochte Chemie viel mehr, da dort das simple Bohr’sche Atommodell ausreicht um alles zu erklären 😉

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  3. Blublubla schreibt:

    Ich hab Chemie abgelegt, weil die alle nicht rechnen konnten und irgendwie verkappte Alchemisten waren. Als ich mal (nicht diplomatisch) gesagt hab, dass das falsch sein muss, weil die Einheiten nicht passen wurde mir der Mund verboten: „Deine Fragen verwirren die Klasse!“ Danach hab ich Elektrotechnik studiert und das erste was wir gelernt haben: Wenn die Einheit nicht passt, ist wohl was falsch….

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    • Die Einheiten immer mitzuschleppen ist natürlich aufwändeiger, als nur mit reinen Zahlen zu rechnen. Aber dafür hat man eine Kontrollinstanz, quasi eine eingebaute Qualitätssicherung.
      Physikalische Größen sind nun mal Produkte aus Zahlenwert und Einheit.

      In Chemie hat mich auch oft genervt, wenn von „Molen“ die Rede war, wenn die Stoffmenge gemeint war.

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  4. Plietsche Jung schreibt:

    Es lebe die Potentialdifferenz.
    Amen.

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  5. Miria schreibt:

    Toller Text. Merke gerade wie sehr ich doch die Elektrotechnik vermisse 😀
    Gerade auch Halbleiter sind ja so unglaublich spannend und da gibt’s so viele verschiedene Methoden warum was Elektronen durchlässt und was nicht… sollte mal wieder etwas zu dem Thema lesen.

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