Vierzehnhundertfünfundfünfzig

Wieder mal fanden wir Zeit, abends zusammen fernzusehen.
Ich hatte einiges zu nähen. Das mache ich zwar ungern bei künstlichem Licht, aber manchmal bleibt mir nichts anderes übrig, wenn Nähte aufgehen, oder Knöpfe sich gelöst haben.
Carsten las nebenbei eine Zeitschrift, und verfolgte die Verfilmung von Tolstoi’s „Anna Karenina“ ebenfalls nur mit geteilter Aufmerksamkeit.

Als der langatmige Film sich endlich dem Ende zuneigte, meinte Carsten: „Meine Güte, was ist diese Frau anstrengend!“

Ich teilte seine Einschätzung. Nur weil ein von ihr gewünschter Termin nicht klappt, schreit sie rum, dass er sie nicht liebt. Solch einer sprunghaften Person kann man freilich keine Zuneigung, und noch weniger Respekt entgegen bringen. Trotzdem versicherte ihr ihr blondgelockter Lover, das er das selbstverständlich täte, worauf sie auf einen Beweis bestand.
Forderungen nach einem Liebesbeweis gibt es ja in vielen Romanen oder Filmen. Dabei soll Person A (meist der Mann) seine Liebe zu Person B (meist die Frau) dadurch beweisen, dass er etwas für ihn äußerst unangenehmes oder gar schädigendes tut, das aber sonst für niemanden einen Vorteil bringt, und im Grunde absolut unnötig ist.
Dieses Verhalten hat mich schon immer abgestoßen und angewidert. Auf solche Forderungen einzugehen, ist pure Dummheit, und ich würde mich mit niemandem abgeben wollen, der entweder solche Forderungen stellt, oder so dumm ist, ihnen nachzugeben.
Da halte ich’s doch lieber wie meine vulkanischen Wahlverwandten, und halte Abstand von diesen ganzen romantischen Liebesbekundungen. So ein esoterisch-sentimentales Konstrukt haben wir für unsere stabile und glückliche Beziehung nicht nötig.

Andererseits muss doch etwas an dieser Zickerei dran sein, dass recht viele Männer der Faszination erliegen, und sich dadurch betaisieren lassen.
Ein freundliches, verträgliches Naturell wird halt schon schnell langweilig, da dort die Herausforderung und Abwechslung fehlt. Der Coolidge-Effekt ist nicht weit.
Es ist schon eine Kunst, eine ausgewogene Balance zu finden. Reine Harmonie nimmt die Spannung und Leidenschaft, steter Widerspruch nervt. Da geht man am besten mit wissenschaftlich-annelytischer Berechnung vor.

Also legte ich mein Nähzeug auf den Tisch, setzte mich auf Carsten’s Schoß, und fragte zuckersüß: „Für wen, meinst du, ist sie anstrengend? Für ihren Ehemann, oder ihren Lover?“
„Für beide“, meinte er, mit den Händen bereits unter meinem Oberteil, „ich würde es keine Stunde mit so einer Nervensäge aushalten.“
„Dann habe ich dich wohl zu sehr verwöhnt“, säuselte ich, während ich mit einer Hand seinen Bart kraulte, und die andere bereits nach dem Reißverschluss seiner Hose tastete. Ich küsste ihn, und öffnete dabei seine Hose.
„Du verführerische Hexe!“, murmelte er, als er den Mund wieder frei bekam.
„Nur -adezimal“, hauchte ich, bevor ich den Mund vollnahm.

Da wir durch die Ereignisse der nächsten Minuten abgelenkt waren, bekamen vom Ende des Films nichts mehr mit.
In der Wikipedia las ich am nächsten Tag, dass sie sich vor einen fahrenden Zug gestürzt hat.

Immer bestrebt nach Selbstoptimierung, fragte ich ihn später, nachdem wir uns entstöpselt hatten, ob er mich für anstrengend hält.
„Körperlich auf jeden Fall. Da merke ich schon hin und wieder, dass ich nicht mehr der Jüngste bin, und die paar Tage Pause, die wir im Monat einlegen, brauche ich zur Regeneration. Intellektuell bist du auch manchmal anstrengend, wenn ich mich eigentlich geistig ausruhen will, und du fängst abends noch mit Mathematik an. Aber ansonsten bist du wohltuend unkompliziert. Zumindest meistens.“
Also im Grunde alles richtig gemacht. Vielleicht ein wenig weniger Kurvendiskussionen und Potenzreihenentwicklungen. Und wenn er seine Differentialgleichungen unbedingt lieber mit Matlab lösen will, weil ihm das Spaß macht, dann soll er halt, auch wenn das für mich überhaupt keinen Reiz hat.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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20 Antworten zu Vierzehnhundertfünfundfünfzig

  1. blindfoldedwoman schreibt:

    „Es ist schon eine Kunst, eine ausgewogene Balance zu finden.“
    Die Kunst besteht m.E. darin, einen Partner mit ähnlicher Erwartungshaltung zu finden. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Männer zu Beginn einer Beziehung oft überschwänglich sind, was aber bei einer gewissen Festigung deutlich nachlässt. Dies wird dann vom weiblichen Part als Desinteresse und fehlende Wertschätzung ausgelegt. Somit entsteht ein Ungleichgewicht und selbst ansonsten vernünftige und selbstbewußte Frauen reagieren irrational. Gerade dominante Männer zeigen dann Unverständnis und Ablehnung, fühlen sie sich doch ihrerseits falsch verstanden und eingeschränkt und es beginnt eine verhängnisvolle Spirale.
    Ganz doofes Spiel.
    Man sollte also möglichst nicht nur einen Partner mit ähnlichen Wertvorstellungen suchen, sondern auch mit annähernd ähnlicher Emotionalität und Empathievermögen.

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  2. ednong schreibt:

    Ich denke mal, einander ähnliche Maßstäbe, die jeder Mensch hat, sind ausschlaggebend für eine funktionierende Beziehung auf Dauer.

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  3. Imion schreibt:

    „Forderungen nach einem Liebesbeweis gibt es ja in vielen Romanen oder Filmen. Dabei soll Person A (meist der Mann) seine Liebe zu Person B (meist die Frau) dadurch beweisen, dass er etwas für ihn äußerst unangenehmes oder gar schädigendes tut, das aber sonst für niemanden einen Vorteil bringt, und im Grunde absolut unnötig ist.
    Dieses Verhalten hat mich schon immer abgestoßen und angewidert.“
    Typisches Verhalten von Frauen. Sieht man überall.

    „Auf solche Forderungen einzugehen, ist pure Dummheit, und ich würde mich mit niemandem abgeben wollen, der entweder solche Forderungen stellt, oder so dumm ist, ihnen nachzugeben.“
    Nein, echte Gefühle und verliebtsein. Da die meisten Frauen keinerlei Gefühle für Männer haben, sondern sie nur als Nutzvieh betrachten, nutzen sie das aus. Und ich finde es erschreckend, das selbst du, Anne, keinerlei Empathie mit diesen Männern hast, sondern sie genauso Fallen lässt und ihnen die alleinige Verantwortung überträgst.

    Würdest du einer Frau auch sagen, das sie selbst schuld ist, wenn sie auf einen Mann hereinfällt, der sie nur in die Kiste bringen will und ihr dafür die große Liebe verspricht?

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    • Würdest du einer Frau auch sagen, das sie selbst schuld ist, wenn sie auf einen Mann hereinfällt

      Das Zauberwort heißt Risikoanalyse. Erst denken, dann handeln.
      Wem eventuelle Folgen seines zu Tuns inakzeptabel erscheinen, der soll es entweder lassen, bzw. selbst die Verantwortung für seine Handlungen übernehmen.
      Ich rede dabei nicht von „Schuld“, sondern von Ursächlichkeit.

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      • Imion schreibt:

        @Anne
        Deshalb sind es ja gefühle, weil hier keine Risikoanalyse Stattfinden kann. Frauen nutzen dies aus, haben den Vorteil der Pille und ihrer Skruppellosigkeit sowie die Einschätzung, Männer nicht als Menschen wahrzunehmen.

        Es ist halt nicht so einfach, es gibt noch andere Faktoren, z. B. das Jungs nur noch Frauen um sich haben, was zu einem Mutterkomplex führt etc pp

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        • Durch Gefühle darf man sich den Verstand eben nicht so sehr vernebeln lassen.
          Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

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          • Irenicus schreibt:

            Ich finde eure Standpunkte beide extrem und weltfremd. Zum einen sehen die meisten Frauen ihre Männer sicher nicht als Nutzvieh, zum anderen sind Gefühle eben nicht rational, und manchmal macht man eben keine Risikoanalyse, oder schätzt Risiken einfach falsch ein. Die großen Liebesbeweise in Filmen sind trotzdem oft völlig bescheuert. Alllrrderdings ist es ja oft eher ein: Unter diesen Umstände können wir keine Beziehung haben. Das ist erstmal eine rationale Feststellung, und dann muss der Gegenpart tatsächlich abwägen was ihm bzw. ihr wichtiger ist. Allerdings ist es in Filmen halt leider einseitig immer nur der Mann der etwas aufgibt. Die Realität sieht da vllt. doch anders aus. Aber auch du, Anne hast ja deinen Mann vor die Wahl gestelt, weniger zu arbeiten…

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            • Irenicus schreibt:

              -Tippfehler… mit dem handy schreiben ist nervig..

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            • Aber auch du, Anne hast ja deinen Mann vor die Wahl gestelt, weniger zu arbeiten

              Dabei ging es aber nur darum, ob wir unsere Beziehung mit Trauschein legalisieren, nicht um die Beziehung an sich.
              Zum anderen war eine Reduzierung seiner Arbeitszeit nicht schädlich für ihn, sondern – im Gegenteil – seiner Gesundheit förderlich. Das hat er selbst eingesehen, und es war, so gesehen, eine rationale Entscheidung.

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