Vierzehnhunderteinundfünfzig

In jedem Büro sammelt sich im Laufe der Zeit Unnützes an: alte Ordner, die eigentlich ins Archiv gehören, alte Zeitschriften oder Prospektmaterial, was niemand mehr braucht, und noch andere Dinge, die nur Platz wegnehmen, und eigentlich woanders hingehören.

Der Chef hatte sich den halben Nachmittag (und einen Teil des Abends) Zeit genommen, sein Büro einmal auszumisten, und all die Dinge, die anderswo aufgeräumt oder weggeworfen werden sollten, auf zwei große Haufen mitten in seinem Büro verteilt.
Die Praktikantin hätte das alles am Morgen, bevor die ersten Kunden kommen, wegräumen sollen. Allein – sie kam zu spät. Da auch die Sekretärin wegen Krankheit nicht anwesend war, waren die Haufen noch im Chefbüro, als ich gegen halb neun in der Firma erschien.

Die Praktikantin muss kurz vor mir eingetroffen sein, denn ich kriegte noch teilweise ihre Diskussion mit dem Chef mit.
„Ich hatte dir aufgetragen, schon vor acht zu kommen, um das ganze Zeug wegzuräumen, bevor die Kunden aus $FernesLand kommen.“
„Aber ich musste doch erst die Kinder zu Tante Yvonne bringen. Die Busse hatten Verspätung. Das ist früh immer so umständlich. Und dann noch das ganze Umsteigen immer.“
„Dann musst du eben früher aufstehen und losgehen. Es ist mir egal, wie du deine privaten Angelegenheiten regelst. Hier hast du gefälligst rechtzeitig zu erscheinen.“
In ihren Augen blitzten Tränen auf. Schnell mischte ich mich ein: „Wenn wir das Zeug jetzt schnell ins Vorzimmer in eine Ecke stellen, dann kann es Verena nachher in aller Ruhe nach und nach wegbringen.“

Ich schnappte mir einige Ordner, und trug sie vom Chefbüro ins Vorzimmer an einen geeigneten Platz, und gab Verena ein Zeichen, es mir gleich zu tun.
Schon war ich beim nächsten Schwung. En passant meinte ich zu Carsten: „Wenn du mitmachen würdest, wären wir schneller fertig.“
Tatsächlich packte er mit an, so dass alles in kurzer Zeit im Vorzimmer gelagert war.

Ich ging danach mit Verena noch mal durch, was wohin muss, nicht dass das Altpapier im Archiv, und notwendige Dokumente im Shredder landen, und meinte, sie solle sich nichts daraus machen. Wenn wichtige Kunden kommen, will er halt nicht, dass sein Büro wie eine Müllkippe aussieht.
Während ich die Kaffeemaschine schon mal anließ, wies ich sie noch an, solange hier in Bereitschaft zu bleiben, bis in Kürze die Bürohilfe da ist, und ging danach meinen eigenen Tätigkeiten wieder nach.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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23 Antworten zu Vierzehnhunderteinundfünfzig

  1. blindfoldedwoman schreibt:

    Mit 2 so kleinen Kindern morgens früh mit dem Bus und dann noch umsteigen? Was für ein Stress mit Kinderwagen, den ganzen Plörren und dann noch eine 4jährige dabei. Abgesehen davon, dass die lieben Kleinen anscheinend (noch) keine Probleme bei der Übergabe machen. Da ziehe ich meinen Hut vor, wenn sie das weiter durchzieht.
    Schön das Du Verständnis hattest (ich nehme an, der Chef fährt nicht Bus und kennt die Unabwägbarkeiten nicht) und so schnell und pragmatisch geholfen hast.
    Und der Praktikantin wird die kinderlose Zeit bei Euch gut tun. Die reinste Erholung ist sowas. (Sagt man natürlich als Mutter nicht, ist aber so. ;-))

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  2. Dieter schreibt:

    Ich kann zwar den Chef gut verstehen. Aber Deine Reaktion war da genau das Richtige. Mitarbeitermotivation und selbst als gutes Beispiel vorangehen.

    Ärgern bringt nichts, nur Falten im Gesicht und eventuell Magengeschwüre. Es ist auch nicht besonders gut verärgert mit Kunden zusammen zu treffen, zumindest ist das meine eigene Erfahrung.

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  3. idgie13 schreibt:

    Da hast Du gut und pragmatisch reagiert.

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  4. Der Maskierte schreibt:

    Ich kann Carsten gut verstehen. Da wäre ich bei meinen Untergebenen auch ausgeflippt. Du hast auch das einzig Richtige in der Situation getan.

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  5. Leser schreibt:

    Das ist einerseits die typische „Chef-Reaktion“ (manche gehen dabei mehr, andere weniger ins Persönliche, oder lassen sich ihren Groll anmerken – wobei das bei der eigenen Tochter noch mal ne Nummer schwieriger ist), von daher verständlich (OK, das nicht unbedingt, aber durchaus so erwartbar), andererseits hoffe ich, dass Verena gemerkt hat, wie gut Du die Situation durch Pragmatismus abgefangen hast, nach dem Motto: „Beschuldigungen und Bitten um Entschuldigungen helfen nicht dabei, das eigentliche Problem zu beseitigen“ – denn dafür sollte sie Dir dankbar sein. Zumindest könnte sie erkennen, dass Du nicht die böse Stiefmutter bist, für die sie Dich bisher wohl zu halten schien. Besonders herrlich fand ich die (aus pragmatischen Gesichtspunkten des „Stapel aus dem Büro räumens“ völlig gerechtfertigte) Spitze „wenn Du auch noch mit hilfst, gehts noch schneller“ 🙂

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  6. Jezek1 schreibt:

    Naja, also ein Einstand nach Maß war das gerade nicht.

    Aber vielleicht hilft ein 5S-Workshop hier weiter; regelmäßiges Ausmisten und Aufräumen vermeidet Hektik.

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  7. Pingback: Tweets in Abwesenheit //1630 | breakpoint

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