Vierzehnhundertvierzehn

Der Chef ließ mich in sein Büro rufen, um dringend etwas zu besprechen. Wenn er das im Büro macht, so handelt es sich meist nicht um ein erfreuliches Thema.

„Du hast dieses Jahr das Motiv für die Weihnachtskarten für die Kunden ausgewählt.“
„Ja, und letztes Jahr auch schon.“
„Mir erscheint das Bild nicht geeignet für geschäftliche Weihnachstgrüße.“

„Das ist eine einfache brennende Kerze mit zwei Christbaumkugeln. Ein ziemlich neutrales, nicht-religiöses Motiv. Hättest du lieber fette Engelchen gewollt?“
„Durch die Art der Darstellung – man sieht nur eine Art Silhouette – ruft es aber andere Assoziationen hervor.“
„Honi soit qui mal y pense“, erwiderte ich ungerührt.
„Letztes Jahr hattest du die ganzen Pentagramme ..“
„Ja, die waren toll, nicht wahr, so als Sterne“, schwärmte ich, „und das Seitenverhältnis der Linienabschnitte entspricht dem Goldenen Schnitt.“

„Ich habe es dir durchgehen lassen, obwohl ein Pentagramm auch andere symbolische Bedeutung haben kann. Aber diese Phalluskerze entspricht nicht dem Image, das ich mir für meine Firma wünsche ..“
„Hätte ich eine längere Kerze wählen sollen?“, unterbrach ich ihn, „oder Ochs‘ und Esel?“
Sein Mundwinkel zuckte verräterisch, aber er atmete tief durch, und meinte schließlich: „Heb‘ dir solche Scherze für’s Privatleben auf, Anne!“
„Würde ich ja gerne, aber mein Mann hat so wenig Zeit für mich.“

Er erwiderte nichts darauf, sondern fragte stattdessen: „Sind die Weihnachtskarten bereits gedruckt, oder lässt sich das Motiv noch ändern?“
„Ja“, antwortete ich.
„Also was jetzt?“, fragte er ungeduldig.
„Um ganz ehrlich zu sein“, druckste ich herum, „hat es da wohl eine Verwechslung gegeben. In der Druckerei ist ein etwas anderes Kerzenmotiv gelandet – mea culpa – bei dem die von dir erwähnten Assoziationen bei weitem unwahrscheinlicher sein dürften.“

Erleichtert schnaufte er auf.
„Richte deinem Mann von mir aus, er soll dich mal richtig über’s Knie legen, damit du nicht auf solche blöden Ideen kommst“, trug er mir auf, „und jetzt verschwinde aus meinem Büro!“
„Vielleicht“, erklärte ich unverbindlich, warf ihm einen Luftkuss zu, und verließ sein Büro.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

24 Antworten zu Vierzehnhundertvierzehn

  1. blindfoldedwoman schreibt:

    Oha, das gibt einen heißen Po. ^^

    Gefällt 1 Person

  2. ednong schreibt:

    LOL – böses Weib. Kann ich immer nur wiederholen 😉

    Like

  3. RAID schreibt:

    Großartig!

    Like

  4. baerlinerin schreibt:

    Seeehr, seeehr geil!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :-p – Ich liebe DIESES Knistern zwischen euch. Hoffe, du hast „deinem Mann“ die Nachricht „des Chefs“ ausgerichtet und er ist dessen EINDRINGLICHER Empfehlung nachgekommen. 😉

    Like

  5. Pingback: Glühwein zur Besinnung //1416 | breakpoint

  6. Pingback: Bis demnächst und guten Rutsch! //1432 | breakpoint

  7. Pingback: Twittanic //1576 | breakpoint

  8. Pingback: 29 h..ust* //2112 | breakpoint

Hinterlasse einen Kommentar