Vierzehnhundertfünf

Halloween war vorübergegangen, ohne dass das Landhaus beeinträchtigt worden war. Wir hatten uns zu der Zeit allerdings in der Stadt aufgehalten, so dass ich nicht weiß, ob trotzdem Kinder geklingelt haben. Zumindest aber haben sie keinen Schaden durch ihren Unfug angerichtet.
Wie ich es mit Carsten abgesprochen hatte, überwies ich kurz danach eine durchaus großzügige Spende an die Gemeinde.
Der Bürgermeister bedankte sich zunächst schriftlich bei Carsten, äußerte aber den Wunsch zu einem persönlichen Gespräch, um ein bestimmtes Anliegen vorbringen zu können.
Carsten vereinbarte also einen Termin am Wochenende, zu dem auch ein paar andere Personen der Gemeindeprominenz mitkommen würden.

Ich hätte mich ja lieber in einen anderen Raum zurückgezogen, aber Carsten wollte, dass ich dabei bin. Also widerstand ich auch dem Impuls, mich in eine abgeschiedene Ecke des Wohnzimmers mit meinem Strickzeug niederzulassen, sondern setzte mich ostentativ direkt auf die Armlehne von Carsten’s Sessel, so dass er die Hand auf meinen Oberschenkel legen konnte.
Es waren insgesamt sechs Personen erschienen, darunter auch Doris und Dieter.
Carsten bot Drinks aus der Hausbar an. Ich hatte erst Appetit auf einen Baileys gehabt, entschied mich dann jedoch für etwas stärkeres.

Der Bürgermeister hatte einen Geschenkkorb mit einigen regionalen Produkten mitgebracht, und bedankte sich nochmals überschwänglich für die geleistete Spende.
Dann rückte er damit heraus, dass die Gemeinde ja noch weiteren Bedarf nach Geldmitteln habe. Wichtige Bauprojekte stünden an. Die anderen Besucher bestätigten das, und sprachen auf Carsten ein, er könne doch noch mehr Zuschüsse gewähren, man würde ihn auch zum Ehrenbürger machen.
Carsten nahm dies kühl zur Kenntnis. Er hat nicht die Absicht, sich noch weiter finanziell zu engagieren. Die sollen froh sein, dass sie überhaupt etwas bekommen.
Mir gegenüber war die Ablehnung greifbar. Ich bin eben nicht die Heilige Ingrid, deren Verdienste sie immer wieder in den höchsten Tönen lobten. Nur Dieter grinste wiederholt schmierig in meine Richtung.

Als sie nach etwa einer halben Stunde gingen, wandte sich Doris noch direkt an Carsten, um ganz, ganz viele, liebe Grüße an die ach so lieben Mädchen Verena und Fiona und die süßen, kleinen Enkelchen ausrichten zu lassen.

Trotzdem hätte das Wochenende ganz entspannend sein können, wäre Carsten nicht mit den Vorbereitungen einer Geschäftsreise beschäftigt gewesen, die sich ganz kurzfristig erst ergeben hatte, und heute Nacht dazu führen wird, dass ich das Bett alleine wärmen muss.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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16 Antworten zu Vierzehnhundertfünf

  1. blindfoldedwoman schreibt:

    Gibt es bei Euch noch so kleine Gemeinden? Bei uns gibt es nur den Bürgermeister des Kreises, da wurde vor über 30 Jahren alles zusammengelegt. Im Dorf gibt es noch einen Ortsvorsteher.

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  2. blindfoldedwoman schreibt:

    Halloween hat bei uns im zweiten Jahr in Folge niemand mehr geklingelt.

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  3. idgie13 schreibt:

    Ganz schön dreist, nach einer Spende angedackelt zu kommen und um Nachschlag zu bitten.

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  4. Plietsche Jung schreibt:

    Tja, und gleich klngelt der Wecker und du wachst auf !
    Was ist das denn für ein scheinheiliges Pack ?

    Mir reichen schon den Spendenanfragen per Post, die ich jedes Jahr in den Mülleimer verfrachte.

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