Zwölfhundertneunundneunzig

Es kommt immer mal wieder vor, dass ich ein aktuelles Erlebnis nicht zeitnah blogge, sondern mehr oder weniger verzögert.
Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Manchmal geht es um ein öffentlich bekanntes Ereignis, das mich enttarnen könnte, brächte man es mit mir in Verbindung.
Oft erscheint es mir anfangs zu banal, um darüber zu bloggen, und erst später wird es interessant genug, doch noch darüber zu schreiben.
Und letztendlich kommt es vor, dass mehrere aktuelle Erlebnisse gleichzeitig ein Thema für einen Blogeintrag abgäben, ich mich aber üblicherweise auf ein Thema pro Tag beschränke (es sei denn, mehrere sind sehr kurz). Dann blogge ich einen Teil davon schon mal mit Zeitversatz. Eventuell fehlt mir auch Zeit und Lust, einen längeren Text detailgetreu und nachvollziehbar auszuformulieren.
Bei meinem heutiger Eintrag ist es eine Überlagerung aus den letztgenannten Gründen, also eigentlich nur mäßig interessant und nicht Welt bewegend, so dass es erst einmal zurückstehen musste.

Normalerweise schätzen Carsten und ich am Wochenende gemeinsame Waldspaziergänge sehr. Sofern das Wetter passt, finden wir dafür eigentlich immer Zeit, und sei es nur eine halbe Stunde.
Neulich jedoch war Carsten (aufgrund äußerer Ereignisse, die keiner von uns hätte beeinflussen können), recht verärgert. Ich dagegen war ziemlich geschafft an diesem Abend, da es sehr heiß gewesen war, und ich unvorhergesehene, zusätzliche Arbeiten hatte erledigen müssen, die mich erschöpft hatten.
Ich wollte also langsamer gehen als gewöhnlich. Carsten dagegen wollte schneller laufen, um sich den Frust herunterzurennen. Wir fanden diesmal kein gemeinsames Tempo, das uns beiden angenehm gewesen wäre.

Es war naheliegend, und zu trennen, und alleine weiterzulaufen – jeder in seiner favorisierten Geschwindigkeit. Denn es bringt ja nichts, einen Kompromiss zu schließen, der im Endeffekt niemandem gut tut.

Zunächst jedoch mussten wir einen Trampelpfad entlang, der letztes Jahr noch ein breiterer Weg gewesen war, aber inzwischen halb eingegangen. Wir mussten also hintereinander laufen. Carsten nutzt sonst gern die Gelegenheit, mir dabei mal an den Hintern zu fassen. Aber diesmal war er mit den Gedanken woanders. Es blieb auch vergebens, dass ich die Torsionsschwingungsamplitude meines Beckens vergrößerte.
Als der Weg wieder breiter wurde, und wir nebeneinander gehen konnten, frage ich ihn, ob er hier öfters Leute treffen würde, wenn er alleine unterwegs sei (er läuft auch manchmal alleine hier herum, wenn ich keine Lust habe, mir das Wetter zu mies ist, oder er sich einfach auslaufen will).
„Gelegentlich“, antwortete er, „was fragst du? Du weißt doch selbst, wie viel oder wie wenig hier los ist.“
Das schwankt ziemlich stark. Manchmal treffen wir überhaupt niemanden, dann wieder mehrere Leute innerhalb von ein paar Minuten. Aber darauf wollte ich ja auch gar nicht hinaus.
„Was machst du, wenn du eine einzelne Frau auf dem Weg vor dir entlanggehen siehst?“
„Was soll ich dann speziell machen?“, fragte er verständnislos zurück, „ich laufe ganz normal wie gehabt weiter.“
„Und wenn sie vor dir Angst kriegt?“
„Wieso sollte sie das?“
Es gibt Frauen, die sind so ängstlich, und wenn du mit voller Geschwindigkeit hier durch den Wald brescht, kann das schon bedrohlich wirken.“
„So ein Unsinn! Wenn ich hier alleine herumlaufe, dann will ich mich abreagieren, und mich nicht um irgendwelche anderen Leute kümmern.“
„Also überholst du sie irgendwann.“
„Vermutlich schon, wenn sie zu Fuß unterwegs ist.“
„Du kommst also immer näher, was sie beunruhigen oder verängstigen könnte.“
„Und wenn schon. Was läuft sie auch alleine im Wald herum, wenn sie das nicht erträgt? Wenn ich laufe, schaue ich nicht, was da sonst noch so vor sich geht. Und was sollte ich schließlich mit so einer anfangen, wo ich selbst so ein tolles Qualitätsweib habe.“
Endlich passierte der übliche Griff zwischen meine Beine doch noch, was ich nutzte, um stehenzubleiben, und meinen Körper schnell an den seinen zu drücken. Hatte ich es also doch noch geschafft, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
Er packte mich am Arm, und zog mich ein paar Meter vom Weg herunter tiefer in den Wald hinein, wo ich mich an den nächsten geeigneten Baum lehnte.

Danach setzten wir unseren Spaziergang getrennt fort.
Ich war dennoch zuerst daheim, weil Carsten einen viel weiteren Weg gelaufen war, und gönnte mir erst mal einen Eiskaffee.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Zwölfhundertneunundneunzig

  1. Plietsche Jung schreibt:

    Qualitätsweib, der Begriff hat was!

    Like

  2. Pingback: Dwidder mal widder //1490 | breakpoint

Hinterlasse einen Kommentar