Zwölfhundertfünfundsiebzig

Nachdem Carsten es mir so nahegelegt hatte, habe ich mich doch durchgerungen, Herrn Grau wegen seines Verhaltens und fehlender Kooperation abzumahnen.
Ich habe das nicht gerne getan, aber es ist wohl notwendig.
Also habe ich ein entsprechendes Schreiben (mit Hilfe einer formellen Vorlage) aufgesetzt, in dem ich die Verfehlungen von Herrn Grau zusammenfasse, begründe, warum sie nicht akzeptabel sind, und in nachdrücklichem Ton androhe, dass er im Wiederholungsfall mit einer (evtll. fristlosen) Kündigung rechnen muss.
An seiner Stelle würde ich mich schnellstmöglich nach einem anderen Unternehmen umsehen, um einer Kündigung zuvorzukommen. Aber er ist wohl regional gebunden, und in dieser Gegend dürfte es sonst keinen passenden Job für ihn geben.

Ich hatte Carsten gebeten, die Abmahnung zu unterschreiben, aber er erwiderte, das sei meine Aufgabe.
„Es wäre aber gut, wenn du ebenfalls unterschreibst, um klarzustellen, dass du hinter der Abmahnung stehst“, meinte ich.
„Deine Unterschrift genügt. Du bist dafür verantwortlich und zuständig. Das werde ich nicht dadurch abwerten, dass ich mitunterschreibe.“
„Von ‚abwerten‘ kann doch gar keine Rede sein. Du bist der Geschäftsführer, und somit die oberste Instanz.“
„Und ich habe dir die Autorität und Befugnisse dafür übertragen. Das heißt, dass deine Unterschrift alleine absolut ausreicht, und ich mich nicht selbst um solche Kindereien kümmern muss.“
„Während wir hier diskutieren, hättest du schon längst unterschreiben können.“
„Darum geht es nicht. Er soll einsehen, dass du alleine ihm gegenüber bindende Weisungen geben kannst, ohne dass es meine ausdrückliche Zustimmung braucht, der ich schließlich wichtigeres zu tun habe, als mich mit untergeordneten Belangen abzugeben.“
„Dann steht er halt in ein paar Tagen wieder in deinem Büro und beschwert sich über mich, weil er davon ausgeht, dass die Abmahnung nicht von dir befürwortet ist.“
„Wenn er einen Termin bei mir will, verweise ich ihn an dich – und zwar unmissverständlich.“

Nun ja, Carsten ließ sich nicht überzeugen, seine Unterschrift doch noch hinzuzufügen. Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als die Abmahnung ohne sie loszuschicken.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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24 Antworten zu Zwölfhundertfünfundsiebzig

  1. Plietsche Jung schreibt:

    Ich kann mich in Carstens Argumentation eindecken.

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  2. sevens2 schreibt:

    Nachdem du soviel gelernt und ein Formular hast, solltest du C wegen Verhaltens und fehlender Kooperation abmahnen.

    Delegation von Aufgaben ist sinnvoll. Allerdings hat sich C mir der Sache befasst und dabei erlangte Informationen vorenthalten, um dann zu erklären, dass die Sache deine Verantwortung ist. Es ist nicht klar wie eure Organisationsstruktur ist, und zweifelhaft ist auch, ob die Grau klar ist. Wenn jemandem in Führungsposition die fristlose Kündigung angedroht wird, und der Konflikt (Grund) zwischen diesem, und der Drohenden besteht, ist es nicht fern liegend, eine zweite Person auf der selben oder höheren Ebene wie/als der Drohenden mitzeichnen zu lassen (Neutralität, Sachlichkeit, Abwägung der Interessen des Unternehmens, Beweisfunktion, etc.)
    Ich kenne Details, die für eine abschließende Einordnung notwendig sind nicht. Was du tun kannst, ist mit bestehenden Regeln und Präzedenzfällen zu vergleichen. Oder du kommst zu der Einschätzung, dass es den Aufwand nicht wert ist.

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    • Da ich jetzt praktisch alles fertig habe, und die Sache abschließen will, lohnt es sich nicht mehr, bei Carsten deswegen nachzuhaken.
      Dafür müsste ich überzeugende, neue Argumente bringen, und dieser Aufwand muss nicht sein.

      Von der rein rechtlichen Seite ist meine Unterschrift tatsächlich ausreichend.

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  3. Sci Fanboi schreibt:

    Grau hat sich schriftlich entschuldigt und bekommt jetzt trotzdem eine Abmahnung? Das finde ich etwas hinterfotzig. Gut, wahrscheinlich fehlen mir entscheidende Details für eine saubere Bewertung.
    Carstens Standpunkt ist schlüssig. Das Fehlen seiner Unterschrift wird deine Position stärken. Beizeiten die Krallen zeigen, sorgt dafür, daß du sie in Zukunft weniger einsetzen werden musst. 😉

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    • Leser schreibt:

      Lt. Aussagen von breakpt hat er sich in seiner schriftlichen Stellungnahme eben *nicht* für die Unflätigkeiten, die er bei seinem Ausbruch geäußert hat, entschuldigt, sondern lediglich seine Position (weshalb seine Software besser sei) dargelegt. Sie schrieb, dass er darin keine Reue gezeigt hat – und das rechtfertigt die Abmahnung dann schon wieder.

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    • Als Entschuldigung kann man das kaum bezeichnen.
      Ich hätte die Sache trotzdem auf sich beruhen lassen, bin aber dann Carsten’s Empfehlung gefolgt.

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  4. ednong schreibt:

    Es bleibt spannend.

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  5. tom174 schreibt:

    Dein Carsten scheint ein Mensch, mit dem ich durchaus gerne mal den ein oder anderen Whiskey trinken würde.

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  6. pluvia schreibt:

    Ich schließe mich Carstens Meinung an: Es stärkt Deine Position, wenn Du die Entscheidung nach außen alleine triffst und aus eigener Kraft die Abmahnung aussprichst.

    Kurze Parallele aus meinem Leben, an die ich dabei spontan denken musste:

    Vor kurzer Zeit hatte eine Person, mit der ich auf gleicher Ebene kommuniziere, bei einem Dritten (mir in dieser Hinsicht untergeordneten) Zugriff auf bestimmte Dinge angefragt. Ich habe dem Dritten dann die Rückmeldung gegeben, dass und unter welchen Voraussetzungen er den Zugriff (in diesem einen Fall) gestatten darf. Direkt an mich herangetragen wurde die Frage von dem Dritten nicht, wobei ich nicht weiß, ob das bewusst geschah oder nur, weil ich zwar zuständig bin, der andere aber physisch anwesend war.

    Bei der nächsten ähnlichen Sache zwei Wochen später äußerte dann der andere mir gegenüber, dass das Problem soundso zu lösen sei (eine für mich mit gewissen Risiken behaftetete Lösung, die zudem ihm gewisse Entscheidungsbefugnisse zuweist statt mir, für ihn dabei auch aus anderen Gründen die günstigste Lösung ist). Er ging dabei selbstverständlich davon aus, dass er jederzeit wieder denselben Zugriff nehmen kann.

    Ich musste dann bei meiner Antwort en passant darauf hinweisen, dass ich ihm das letzte Mal den Zugriff gewährt habe. Natürlich sehr freundlich und nur in einem Nebensatz, während es eigentlich um etwas anderes ging. Andernfalls hätte er mir aber die Zügel aus der Hand genommen – und in die Position darf ich mich eben nicht begeben, solange ich bei klarem Verstand bin.

    Zurück zu Dir: Du wirkst viel souveräner und wirst viel eher ernst genommen, wenn DU (allein) Herrn Grau zeigst, wo der Frosch die Locken hat. Warum solltest Du einen höheren Vorgesetzten mit in das Problem hineinnehmen, wo doch Du allein vollkommen ausreichst? Wenn Carsten mitunterzeichnet, nutzt du geliehene macht. Wenn Du unterzeichnest, nutzt Du eigene.

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    • Dass du dich da ausgebootet oder übergangen gefühlt hast, kann ich nachvollziehen.

      Meine Macht alleine reicht zwar, dennoch hätte ich gerne demonstriert, dass der Geschäftsführer ebenfalls hinter der Abmahnung steht. Das tut er zwar, aber Herr Grau könnte den Eindruck gewinnen, dass die Abmahnung alleine von mir ausgeht.

      Wie auch immer – die Abmahnung ist unterwegs, vielleicht sogar schon angekommen.

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