Elfhundertachtundsiebzig

Das Mittagessen am Sonntag verlief einigermaßen normal. Wann immer Corinna das Gespräch auf die Firma bringen wollte, ging Carsten nicht darauf ein.
Als wir später wieder bei einem Kaffee zusammensaßen, machte ich es mir erneut mit meinem Strickzeug gemütlich.
Corinna konnte es wohl nicht lassen, und begann irgendwann wieder, Carsten’s Einstellungskriterien zu kritisieren. Schließlich platzte ihm der Kragen (dass er vorher so lange geduldig geblieben war, ist erst recht bemerkenswert).
„Meine Firmenpolitik geht Außenstehende nichts an“, sagte er noch relativ ruhig.
„Nun, aber Fiona hat durchaus mitzureden. Und ich vertrete ihre juristischen Interessen.“
„Fiona hat keinerlei gesetzlichen Rechte oder Ansprüche an die Firma“, stellte Carsten klar, „und es steht ihr nicht zu, sich in irgendeiner Form einzumischen.“

Verdammt! Jetzt hatte ich eine Masche fallen lassen, die sich schon zwei Reihen weiter nach unten ins Gewebe gefressen hatte. Statt eine Häkelnadel zu holen, schaffte ich es mit den Stricknadeln und spitzen Fingernägeln, die Masche wieder nach oben zu stricken.

Dabei hatte meine Aufmerksamkeit mehr dem Strickzeug gegolten, als der Unterhaltung. So. Jetzt erst mal ein Schluck Kaffee!

„.. als patriarchaler Macho“, drang es an mein Ohr, „und Ihr Dekoweibchen sitzt brav und strickend dabei, und traut sich nicht, irgendwas dagegen zu sagen.“
Ich verschluckte mich, und musste husten. Zum Glück nur kurz.
„Meine Frau ist zufrieden, so wie es ist.“
„Das würde ich gerne aus ihrem eigenen Mund hören.“
Wie komm‘ ich denn dazu! Was erdreistet sich diese $PolitischUnkorrekteAberZutreffendeBezeichnungDieIchNichtInMeinenSuchanfragenWill, mir vorschreiben zu wollen, was ich wann, wozu und in welcher Form äußere?
Ich schaute sie also mit ostentativer Kälte an, bevor ich mich nach angemessener Pause zu einer Antwort herabließ: „Es ist ganz alleine meine Angelegenheit, was ich tue, und geht Sie – mit Verlaub – nicht das mindeste an. Bitte unterlassen Sie es zukünftig, sich in meine Angelegenheiten einzumischen.“
Mit offenem Mund starrte sie mich an. Solch eine Reaktion hatte sie offenbar nicht erwartet. Aber wer bin ich denn, dass ich mich ihr gegenüber rechtfertigen müsste. Soll sie meinetwegen Fiona bevormunden. Bei mir klappt das nicht.

Carsten nickte mir zustimmend zu. Dann ergriff er wieder das Wort: „Sie haben meine Gastfreundschaft und Geduld jetzt lange genug beansprucht. Ich glaube, es ist besser, wenn Sie mein Haus schnellstmöglich verlassen.“
„Papa!“, entfuhr es Fiona protestierend.
„Du darfst noch dableiben, Fiona“, erwiderte Carsten, „aber Corinna geht jetzt.“
Wortlos stand Corinna auf. Fiona schien unschlüssig zu sein.
„Komm mit!“, herrschte Corinna sie an, und beide gingen zusammen in Fiona’s Zimmer, um ihr Gepäck zu holen.
Eine Viertelstunde später waren sie weg. Nicht ohne dass Corinna verlauten ließ, dass sie sämtlichen rechtlichen Möglichkeiten prüfen und ausschöpfen werde.
Soll sie ruhig. Was anderes hat sie eh nicht zu tun.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

68 Antworten zu Elfhundertachtundsiebzig

  1. floh_wien schreibt:

    Danke für diese köstliche Schilderung!
    Es gibt schon erstaunliche junge Menschen! Und Eure Reaktion ist sicher mehr als angemessen, denn Eure Geduld wurde ja mehr als strapaziert.

    Gefällt 1 Person

  2. windmuehle schreibt:

    Grundgütiger! Da hast du deine Fähigkeit zum Geschichtenerzählen aber mehr als ausgereizt. 🙄
    Gib’s zu, bei diesem Eintrag ist mal wieder deine Fantasie mit dir durchgegangen!

    Like

  3. gr3if schreibt:

    *prust* wenn ich das lese ist mein Tag gerettet 🙂

    Soviel Schwachsinn am Stück zu produzieren und von einem zu geben ist schon spannend.
    Allerdings gilt auch hier: Zu einem Streit gehören 2 und ich wette, dass wenn Carsten gewollt hätte, er die Situation hätte retten können und sogar die leidliche Diskussion rund um die Frauenquote entspannt dargestellt hätte, sodass jede weitere Äußerung in diese Richtung unnötig gewesen wäre.
    Wobei wer weiss: Vllt hätte er noch etwas gelernt, einen anderen Blickwinkel oder so etwas 🙂

    Like

  4. Blublubla schreibt:

    Da hätte man sagen sollen: „Das will ich aus ihrem eigenen Mund hören“ 😛

    Like

  5. Blublubla schreibt:

    hmm da hat es die spitzen Anführungszeichen verschluckt.
    da hätte ein [“Komm mit!”, herrschte Corinna sie an] davor gehört.

    Like

  6. Molly L. schreibt:

    Nein, wie geil! Dreiste Person die, oh Mann! Ich glaub, an Deiner Stelle wäre ich nicht zu so einer coolen Ansage in der Lage gewesen, sondern hätte einen Lachanfall bekommen!
    Und was soll das von wegen Mitspracherecht???

    Gefällt 1 Person

  7. Dieter schreibt:

    Für mich hört sich das ein bisschen danach an, als wenn eine erfolglose Anwältin, versucht sich ein gutes Stückchen, einer vermuteten reichen Firmenerbin, in die eigene Tasche zu erwirtschaften.

    Genau die richtige Reaktion von deinem Mann darauf, finde ich.

    Like

  8. aliasnimue schreibt:

    Interessant finde ich doch, dass sich das „Dekoweibchen“ immer noch hält. So langsam dürfte es seinen Töchtern doch dämmern, das ein Abschluß in Physik nicht gerade dazu passt, oder?
    Ich hätte die Kampflesbe ja noch auf den Arm genommen. 🙂

    Und noch interessanter: der Anspruch auf Teile der Firma. Also noch ist er ja nicht tot…

    Like

    • Wenn sich Fiona etwas mehr für das Leben ihres Vaters interessieren würde, müsste ihr eigentlich so einiges klar sein.

      Like

      • Irenicus schreibt:

        Naja, sich demonstrativ mit Strickzeug in die Ecke zu setzen und nichts zum Gespräch beizutragen, hilft sicher nicht dabei, dass Fiona sich eine andere Meinung macht. So richtig erwünscht ist es also auch nicht.
        Spannend finde ich es trotzdem, dass irgendwie so gar kein Wissen über dich vorhanden ist. So ziemlich das erste was ich meine angehende „Stiefmutter“ fragen würde, wäre was ihr Beruf ist. Schon alleine deshalb, weil es ein unverfängliches Small-Talk-Thema ist. -.- Aber offenbar gefällt es dir ja, wenn dich alle für das dekorative Hausweibchen halten. Im Prinzip wäre diese Entscheidung ja auch okay. Alles eine Frage der Absprache zwischen dir und Carsten, die niemand zu beurteilen hat. Aber es trifft halt einfach nicht zu.

        Like

        • Von „demonstrativ mit Strickzeug in die Ecke zu setzen“ ist nicht die Rede. Ich saß schon dabei, und hätte auch etwas zum Gespräch beitragen können, wenn ich gewollt hätte (was aber vermutlich nur in eine sinnlose Diskussion oder gar einen Streit gemündet wäre).
          Fiona hat bisher tatsächlich keinerlei Interesse an mir gezeigt, und auf die Nase müssen wir ihr auch nicht alles binden.

          Aber offenbar gefällt es dir ja, wenn dich alle für das dekorative Hausweibchen halten.

          Mir gefällt es, Leute auflaufen zu lassen, die gar nicht auf die Idee kommen, ihr verfälschtes und reduziertes Weltbild mal in Frage zu stellen.
          Insbesondere, wenn ich einfach nur friedlich dasitze, und nicht im geringsten provoziert habe.

          Like

          • W. schreibt:

            Vielleicht wurde sie gerade durch Deine Friedlichkeit so provoziert.

            Like

          • Irenicus schreibt:

            „Mir gefällt es, Leute auflaufen zu lassen, die gar nicht auf die Idee kommen, ihr verfälschtes und reduziertes Weltbild mal in Frage zu stellen.“

            Mir ging es ja mehr um das Bild, welches Fiona von dir hat. Das hat mit Weltbild ja erstmal nur bedingt was zu tun. (Corinna, können wir da auch erstmal außen vorlassen – Kampfemanzen ohne jegliche Selbstreflektion nerven sowieso)

            Von “demonstrativ mit Strickzeug in die Ecke zu setzen” ist nicht die Rede.

            Da ich niemanden kenne der strickt, versuche ich das mal damit zu vergleichen, dass jemand permanent irgendwas auf seinem Smartphone liest, während man sich daneben unterhält. Derjenige ist dann irgendwie nicht so richtig anwesend und distanziert sich auch demonstrativ von der Unterhaltung. Er signalisiert einfach, ihr (bzw. diese Unterhaltung) seid nicht wichtig/interessant genug, um mich nur auf euch zu konzentrieren.

            Like

            • Der Vorteil von Stricken liegt ja darin, dass es nur einen sehr geringen Teil der Aufmerksamkeit aufbraucht (es sei denn, es handelt sich um ein kompliziertes Muster, oder es fallen einem Maschen runter 🙄 ). Die Hände machen das weitgehend automatisch, ohne viel Gehirnresourcen zu benötigen.
              Man kann problemlos einem Gespräch folgen (z.B. stricke ich manchmal beim IT-Jour-fixe), oder z.B. auch fernsehen.
              Es geht alles, wobei man die Hände frei hat – was bedeutet, dass ich nur selten dazu komme. Parallel computern geht nicht.

              Like

      • aliasnimue schreibt:

        Fast schade, dass das mit dem Enterben nicht mehr geht.

        Like

  9. tom174 schreibt:

    Und die will Firmen rechtlich beraten? Wie lächerlich. Welche rechtliche Möglichkeiten sollte es von Außen geben, eine Frauenförderung in einem privaten Unternehmen zu erzwingen? Noch gibt dies die Gesetzeslage gottlob nicht her. Eine Anwältin, spezialisiert auf Arbeitsrecht, sollte das eigentlich wissen.
    Nunja, zumindest ist das Mysterium ihrer Joblosigkeit geklärt….

    Like

  10. ednong schreibt:

    Na immerhin habt ihr interessante Wochenend-Unterhaltung gehabt. Alle schönen Fem-Themen durch, gleichzeitig Kaffee & Kuchen und wieder etwas Blutdrucktreibendes, ohne Sport machen zu müssen. Das ist doch was wert …

    Gefällt 1 Person

  11. idgie13 schreibt:

    Frauen mit funktionierendem Gehirn und guter Ausbildung brauchen keine Frauenquote. Die Dekoweibchen brauchen die schon eher.

    Ich lass mich auch gern als strickendes Hausmütterchen einsortieren und so blöde Tussen dann auflaufen 😉

    Ist Fiona jetzt eigentlich lesbisch geworden oder interpretiere ich da was rein?

    Gefällt 1 Person

  12. Jezek1 schreibt:

    Ach, ist das das alles nett: so eine real daily Soap…was bin ich froh das ich konsequenter Einzelgänger bin. Ich glaube, ich würde bei solchen Vorfällen erst mal alle zum kollektiven Abkühlen raus vor die Tür setzen.

    Like

  13. Pingback: Dreizehnhundertsechsundneunzig | breakpoint

Hinterlasse einen Kommentar