Tausendneunundsiebzig

Keinesfalls wollte ich mit meinem Mitarbeiter zu früh bei dem anberaumten Entschuldigungstermin erscheinen. Selbst noch warten zu müssen, macht zumindest mich immer nervös, und meinem Mitarbeiter wird es wohl nicht anders ergehen.
So timte ich es, dass wir erst ein oder zwei Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt in dem Besprechungsraum ankamen. Die Marketenderinnen waren bereits da, ebenso die Betriebsrätin. Ich war erleichtert, als ich sie sah und wiedererkannte. Denn vor einiger Zeit hatte ich sie einmal auf das Muster ihrer Strickjacke angesprochen. Wir hatten uns kurz unterhalten, und sie hatte auch von ihrem erwachsenen Sohn erzählt. Vor ihr zumindest war kein Hinterhalt zu erwarten.

Ich grüßte die Marketenderinnen betont kurz, ließ es mir aber nicht nehmen, mit der Betriebsrätin ein paar Worte zu wechseln, bis jene ungeduldig wurden.
Ich wusste, das der Marketingleiterin meine Anwesenheit überhaupt nicht recht war, aber sie hatte keine Handhabe, mich loszuwerden, und musste zähneknirrschend akzeptieren, dass ich dabei war.
Mein Mitarbeiter war die ganze Zeit nur schweigend dabei gestanden. Seine Grüße waren nicht über Zunicken hinausgegangen. Ich hatte mit ihm abgesprochen, dass ich das Reden weitgehend übernehmen würde, und er dann nur als Zeichen seiner Zustimmung und Entschuldigung den Marketenderinnen die Hand würde geben müssen.

Also begann ich: „Es scheint, dass einige Äußerungen, die Herr $Nachname[MeinMitarbeiter] in einer fehlgeleiteten Mail gemacht hat, bei Ihnen, Frau $Nachname[MarketingLeiterin] und Frau $Nachname[MarketingMitarbeiterin] eine gewisse Verärgerung ausgelöst haben.“
„Das kann man wohl sagen!“, schnaubte die Marketingleiterin (und dabei war ihr Name noch nicht mal auf der Liste gestanden).
„Herrn $Nachname[MeinMitarbeiter] tut es inzwischen sehr leid, dass Sie dadurch solchen Verdruss hatten. Dies lag niemals in seiner Absicht. Er bedauert es sehr, und dafür bittet er Sie um Entschuldigung.“
„Darauf warten wir hier schon seit über zwei Wochen“, blökte die Marketingleiterin ungeduldig, „aber bisher hat er sich nicht dazu geäußert.“
„Deswegen sind wir ja heute hier zusammengekommen“, erklärte ich ihr so freundlich wie möglich, aber ich sah auch ein, dass mein Mitarbeiter nun selbst aktiv werden musste, so dass ich ihm das vereinbarte Zeichen gab.

Er trat also näher, und streckte zunächst (wie besprochen) der Marketingmitarbeiterin seine rechte Hand hin: „B..bi..tte, en..entsch.. tschul..digen S..ie!“, brachte er hervor.
Sie nahm tatsächlich seine Hand, und erwiderte: „OK. Ist in Ordnung.“
Er nickte ihr dankbar zu und wandte sich dann an die Marketingleiterin (ich weiß zwar jetzt echt nicht, warum sie eine Entschuldigung bei sich für nötig hielt, wo sie doch gar nicht auf dieser Liste gestanden hatte, aber da das so vereinbart war ..).
„E..ent..schuldigung. V..erz..eihung.“
Er streckte ihr ebenfalls die Hand hin, aber sie machte keine Anzeichen, sie zu ergreifen. „Das ist ein wenig dürftig als Entschuldigung“, zickte sie stattdessen.

Ich wollte schon intervenieren, als sich die Betriebsrätin einmischte, und zur Marketingleiterin sagte: „Na, lassen Sie’s doch gut sein. Er will sich ja bei Ihnen entschuldigen, und ein Schwerverbrechen hat er schließlich nicht begangen.“
Eine patente Frau! Wenn ich mal was für sie tun kann, werde ich’s tun.

Der Marketingleiterin blieb kaum etwas anderes übrig, als die Entschuldigung doch noch zu akzeptieren, und reichte meinem Mitarbeiter missmutig die Hand. Hätte sie das nicht getan – ich schwöre bei Maxwell und seinen 4 differentiellen Gleichungen! – ich wäre sie noch in diesem Jahr losgeworden, diese $SchimpfwortMitDemIchMeinBlogNichtBesudelnWill!

Ich ließ noch alle Anwesenden, das von mir vorbereitete Protokoll unterzeichnen.
Danach wünschte ich der Betriebsrätin noch ausdrücklich einen schönen Tag, und verabschiedete mich ansonsten nur kurz.

Dann ging ich mit meinem Mitarbeiter wieder zurück zu seinem Schreibtisch. Ich lobte ihn unterwegs, dass es doch ganz gut gelaufen sei, und er durchaus stolz auf sich sein dürfe, dass er die Entschuldigung so glatt durchgezogen hatte.
Wir beide hatten einen Kaffee nötig. So holte ich uns welchen, und unterhielt mich noch kurz mit dem Mitarbeiter über seine Arbeit, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann ging auch ich in mein Büro zurück – erleichtert, weil die Prozedur ohne größere Probleme verlaufen war (was wir zweifellos auch der Betriebsrätin verdanken, was ich ihr nicht vergessen werde).

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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36 Antworten zu Tausendneunundsiebzig

  1. Gr3if schreibt:

    Und da sage noch einer Betriebsräte stören nur den Ablauf und sind zu nichts gut.

    Na dann hoffen wir mal das der Quatsch zu den Akten kann.

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    • Ja, wir hatten wirklich großes Glück, an so eine vernünftige Frau zu geraten. Sonst hätte das auch eskalieren können.

      Mit dem Protokoll habe ich’s schwarz auf weiß, dass die Entschuldigung akzeptiert wurde. Falls irgendwann mal irgendwer nachkarten will, kann ich das nachweisen.

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  2. Claudius schreibt:

    Wie ist denn das Marketing-Team besetzt? Nur Frauen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass reine Männer- oder Frauen-Teams schwieriger sind als gut durchmischte… Warum? Keine Ahung, aber da gibt es Aufschaukelungs-Effekte, völlig ohne Logik…

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  3. Der Maskierte schreibt:

    Also mit einem solchen Betriebsrat kann man wirklich produktiv sein und ihn als Bereicherung empfinden.

    Und dein Vorgehen war wieder mustergültig. Den Mitarbeiter nur kurz in die Schusslinie gebracht, als es sich gar nicht vermeiden ließ. So sieht gute Personalführung aus.

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  4. idgie13 schreibt:

    Das hast Du gut gelöst. Hoffentlich widmen sich die dummen Gänse jetzt wieder ihrer Arbeit.
    Was macht Dein klingonisch? 😉

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  5. Jezek1 schreibt:

    Tja, solche Vorgänge sind überflüssig wie ein Kropf; ich verstehe bis heute nicht warum es sich die Menschen im Miteinander immer so schwer machen. Als ob es keine anderen, sinnvolleren Aufgaben gibt an denen die Leutchen ihre Energie austoben können.

    Wieder mal ein Thema das ich nicht verstehe; in zunehmenden Alter verstehe ich leider immer weniger warum die Dinge so sind wie sie sind.

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