Tausendsiebenundsiebzig

Die Fortsetzung meines Besuches bei Standort 4 gibt’s schon noch. Aber heute habe ich erst einmal ein viel dringlicheres Problem.

Vor zwei Wochen gab es ja das Vorkommnis mit der fehlgeleiteten Mail, und ich hätte das eigentlich gleich abgehakt.
Die Marketenderinnen sahen das nicht so, sondern verlangten vehement eine Entschuldigung. Nachdem sie Carsten zunehmend damit nervten, und auch den Betriebsrat miteinbezogen, sagte er ihnen zu, dass sie eine bekommen würden.
Ich konnte lediglich einen Aufschub erreichen, weil ich erst verreist, und dann krank war, aber inzwischen kann ich es nicht mehr weiter verzögern. Da Carsten ihnen eine persönliche Entschuldigung versprochen hat, ist es nicht mit einer Mail getan, und dies wird tatsächlich ein ernsthaftes Problem.

Mein Mitarbeiter, um den es geht, ist nämlich sehr schüchtern, insbesondere gegenüber Frauen, so dass er kaum mit ihnen reden kann. OK – er ist bei weitem nicht so extrem wie Raj von TBBT früher, aber er kommt schon ins Stottern und Stammeln. Mir gegenüber ist es inzwischen besser geworden, aber nicht ganz verschwunden. Er hat halt früher mal sehr negative Erlebnisse mit Frauen gehabt, und das hängt ihm noch nach. Ich gebe mir ja alle Mühe, ihm die Erfahrung zu vermitteln, dass es auch Frauen gibt, die ihn anständig und fair behandeln, aber das braucht Zeit.
Wie auch immer – diese persönliche Entschuldigung ist etwas, das er voraussichtlich nicht schaffen kann. Bei einer Mail wäre es einfach gewesen. Da hätte ich mit ihm zusammen etwas aufgesetzt. Aber Carsten – der diese Hintergründe nicht kennt – musste ja diese Zusage machen, und jetzt darf ich sehen, wie ich das auf die Reihe bekomme.

Die Marketenderinnen wollen noch eine Betriebsrätin dabei haben, und eigentlich auch noch die anderen Frauen, die in jener Mail erwähnt wurden. Glücklicherweise hatte Carsten die Weitergabe der Mail von Anfang an verboten, so dass zumindest letztere meinem Mitarbeiter erspart bleiben werden.
Trotzdem wird er sich drei beleidigten, nachtragenden Frauen gegenübersehen, die nur darauf aus sind, ihn weiter zu demütigen.

Das kann ich keinesfalls zulassen, dass sie einen meiner besten Entwickler so traumatisieren und fertigmachen. Also werde ich mir den Tag heute reservieren, ihn so gut wie möglich darauf vorzubereiten, zu briefen und ein wenig zu üben.
Und ich lasse ihn keinesfalls alleine in diese Schlangengrube, so dass er wenigstens etwas Rückhalt hat. Wenn ich anwesend bin – auch wenn ich mich selbst im Hintergrund halte – können sich diese Frauen keine Gemeinheiten herausnehmen, und müssen die Entschuldigung akzepieren.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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49 Antworten zu Tausendsiebenundsiebzig

  1. Molly L. schreibt:

    Meine Güte, ich seh es quasi bildlich vor mir! Armer Kerl … Und überhaupt: Was regen die sich so auf? Gut, im ersten Moment, sehe ich ein. Aber wenn es echt nur so „Männergerede“ war und nichts Obszönes, was soll denn das?
    Außerdem finde ich, haben die sich mit dem (Weiter-)Lesen der fehlgeleitetetn Mail auch nicht gerade nett verhalten, sondern sind (wissentlich!) in die Privatssphäre von Sender und auch Empfänger eingedrungen – was ist damit? Werden die sich dafür entschuldigen?
    Wusste meine Oma schon: „Seht den Lauscher an der wand, er hört nur seine eig`ne Schand!“
    Und mal ganz ehrlich: Man kann die Kirche auch im Dorf lassen!

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    • Ja, das sehe ich ganz genauso.
      Wobei .. ein klein wenig obszön war es schon. Aber wirklich nichts Beleidigendes.

      Ich meine eigentlich auch, es wäre für alle Beteiligten besser, wenn die Mitarbeiterin die Mail sofort gelöscht hätte, nachdem sie gesehen hat, dass sie nicht für sie bestimmt war.
      Stattdessen hat sie bis nach unten gescrollt. Das hätte nicht sein müssen.

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  2. floh_wien schreibt:

    Wehe, wenn Frauen losgelassen. Mir tut der arme Kerl schon sehr leid. Nicht nur das (zwar selbstverschuldete) Missgeschick und dann trifft es auch noch den Schüchternen.
    Die Damen hätten da auch etwas großzügiger sein können.
    Dein Engagement ist wirklich toll. Da können sich viele Vorgesetzte ein Scheibchen abschneiden.

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  3. verbalkanone schreibt:

    Mannohmann, also ich kann ja nachvollziehen, dass man sich als Betroffene über so eine E-Mail ärgert, aber man kann es auch übertreiben. Soll hier vielleicht ein Exempel statuiert werden? Kann es sein, dass eine der betroffenen Damen auf Umwegen DIR damit eins auswischen will?

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  4. Der Maskierte schreibt:

    Vorbildliche Personalführung.

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  5. Kurti schreibt:

    „Wenn Sie sich bei mir dafür entschuldigen, dass Sie eine meiner Mails lesen, die nicht für sie bestimmt war, dann entschuldige ich mich bei Ihnen dafür, dass ich Ihnen eine Mail geschickt habe, die nicht für Sie bestimmt war.“

    Genau das würde ich der Marketingdame ins Gesicht sagen. Danach würde ich mich bei der GL dafür entschuldigen, private Dinge in Mails geschrieben zu haben. Dann wär das Thema für mich abgehakt.

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    • Ach, wenn’s doch so einfach wäre! Ich habe auch schon in diese Richtung argumentiert.
      Tatsache ist, dass diese Mail – wenn auch versehentlich – an die Marketingmitarbeiterin gerichtet war.
      Rein theoretisch hätten unten durchaus noch Informationen stehen können, die für sie hätten bestimmt gewesen sein könnten.
      Falls es so gewesen wäre, hätte sie Ärger bekommen können, wenn sie die Mail ignoriert hätte.
      Daraus kann man ihr also keinen Strick drehen.

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  6. gr3if schreibt:

    Jetzt hast du es doch geschafft das ich einen Kommentar tippe.
    Erstmal: Coole Seite ich lese deinen Blog sehr gerne.

    Zur Sache: Ich empfinde das in gewisser Weise schon gerechtfertigt, eine Top 10 Liste der Frauen im Unternehmen hat da leider nichts zu suchen.
    Allerdings weiß ich nicht ob die Bugwelle nicht zu groß ist. Man hätte es auch als schlechtes Kompliment auffassen können.

    Ich hoffe das er das gut übersteht: Meine Erfahrung mit ITlern ist in sofern schlecht als das er das wahrscheinlich garnicht als Unrecht empfindet.

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    • Willkommen in meinem Blog!
      Es freut mich immer, neue Leser oder Kommentatoren begrüßen zu können.

      Wir sind uns schon einig, dass diese Liste eigentlich nichts in einer dienstlichen Mail verloren hat.
      Wenn man allerdings jegliche private Äußerung verbieten wollte, dann dürften auch keine freundlichen Grüße o.ä. mehr hinein.
      Die Grenze ist also alles andere als scharf – hier allerdings wohl schon überschritten.

      Es ist für mich unverständlich, wie man es nicht als (vielleicht missglücktes) Kompliment ansehen kann, auf der Liste zu stehen. Schließlich stand dort ja überhaupt nichts Negatives oder gar Beleidigendes.
      Insofern kann ich es eher nachvollziehen, dass die Marketingleiterin (die – IMHO zu Recht – nicht aufgeführt ist) sich darüber ärgert.

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      • gr3if schreibt:

        Ja aber 🙂

        Es gibt halt Menschen (und ich musste sie leider ertragen) die als Selbstverständnis haben, dass sie nur an ihrer fachlichen Quali gemessen werden wollen. Da schlägt es dann umso eher in Ärger um, wenn solche Listen ansich durch die Gegend fliegen, wobei das Kopfkino da schnell mehr draus macht.

        Aber auch das andere extrem ist vertreten: Also das ärgern darüber, dass Frau nicht auf der Liste steht. Läßt sich von hier nur schwer beurteilen 🙂

        PS: Neu ist relativ, nach verschlingen deines alten Blogs sind es jetzt wohl bummelig 6 Monate mit mehr oder weniger täglichen Besuchen. Ob das eine Sucht ist?^^

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  7. ednong schreibt:

    Also dass du ihm den Rücken stärkst, das hätte ich schon erwartet. Dass du ihn dazu noch briefst, finde ich gut.
    Ich mein, ich kann nachvollziehen, dass man sich vielleicht aufregt, wenn man auf den untersten Plätzen steht. Aber hey – sie ist unter den Top 10, das sollte man dann vielleicht auch mal berücksichtigen. Wahrscheinlich ist eher ihre Chefin sauer darüber, dass sie nicht mit auf der Liste steht …

    Wie auch immer – selbst wenn sich die Dame noch darüber ärgern sollte – was gewinnt sie durch solch eine Aktion? Kein Ansehen, nix, einfach nix mMn. Von daher halte ich so eine Aktion für absolut überflüssig und albern.

    Und solche Listen gibt es nun mal – wahrscheinlich sogar auf beiden Seiten. Und sie war ja immerhin mit drauf – sollte sie doch eher stolz machen. Aber vielleicht seh ich das nur wieder zu sexistisch.

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  8. Leser schreibt:

    Ohje…ich hätte auf jeden Fall auch noch Carsten die Hintergründe erklärt, dass der Mitarbeiter solche Probleme hat, und dann mit ihm abgesprochen, wenn die „Session“ länger als x Minuten dauert, dass er dann einfach mit dazu kommt, so völlig unangekündigt und überraschend, und wenn er dann mitbekommt, was da läuft, dann kann er vielleicht auch mal ein Machtwort sprechen…

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    • Carsten ist ja verreist, und durch meinen Besuch bei Standort 4 und Krankheit war unsere Kommunikation sehr eingeschränkt, so dass ich ihm nicht rechtzeitig die Situation erklären konnte.
      Jetzt ist die Entschuldigung so beschlossen, und lässt sich nicht mehr rückgängig machen, ohne noch mehr Porzellan zu zerschlagen.

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  9. gr3if schreibt:

    Aber streng getreu dem Motto: Choose your Battle
    ist es halt fraglich wie oft man die Chef Karte ziehen sollte. Wenn das jetzt nicht ordentlich gekitet wird dann geht auf Dauer irgendwer.

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  10. tom174 schreibt:

    Da muss er nu durch, der Lurch (kennt ihr Bodo Wartke? Großartig!)
    Klar, das wird extrem unangenehm für ihn. Aber es gibt da keine Alternative. Ihr als Arbeitgeber seid gar verpflichtet, sicherzustellen, dass das nicht wieder passiert (ich denke, eine Abmahnung wäre humaner und sicherer gewesen).
    Ich weiss ja nicht, was er schrieb, aber sobald der Vorwurf im Raum steht und bewiesen werden kann (da reicht schon xy hat echt geile Beine, die würde ich ja auch mal gerne..) müsst ihr handeln.
    Ich würde mir auch das Aufbauen für nach der Entschuldigung aufheben. Da ein „Tut mir leid, ich weiss es war komplett unangemessen, ich wollte niemanden verletzen und es kommt nicht wieder vor“ sollte genügen, danach wird er gegrillt, und du baust ihn anschliessend, falls nötig, wieder auf. Aber das sollte ihm schon weh tun, da darf nun nicht nochmal was passieren.

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    • Ja, er muss durch, aber Kollateralschäden möchte ich schon vermeiden.

      Inzwischen wäre ihm tatsächlich eine Abmahnung lieber, aber da mache ich nicht mit.

      Er hat über niemanden etwas negatives oder beleidigendes geschrieben, wird sich also dafür entschuldigen, dass er unabsichtlich so viel Aufregung und Verdruss verursacht hat. Das muss reichen.

      Eine Verwarnung, dass so etwas nicht mehr vorkommen darf, hatte ich bereits kurz nach dem Vorkommnis ausgesprochen. Ich kann nur hoffen, dass alle Entwickler da in Zukunft besser aufpassen.

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    • Der Maskierte schreibt:

      Nein, es sollte nicht weh tun, es ist schon so oder so unangenehm.

      Die mündliche Verwarnung war angemessen und korrekt. Wenn sich die Marketing-Dame sexuell belästigt fühlt *hüstel*, dann ist hier eine persönliche Entschuldigung angemessen.

      Wenn aber die Marketing-Dame anfängt scharf zu schießen, würde ich als Vorgesetzter zum Schutze meines Untergebenen ihr sofort in die Parade fahren und sie darüber aufklären, dass wir alle Menschen sind, Menschen Fehler machen und aus einer Mücke kein Elefant zu stilisieren ist. Wenn sie noch etwas wünsche, möge sie sich bitte direkt an mich wenden, ich werde ihre Gedanken angemessen berücksichtigen; sprich ignorieren. 😀

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  11. Der_Bucklige schreibt:

    So ein Ähnliches Theam hatte ich auch schon. Allerdings musste der BR damals akzeptieren, dass ich als Vorgesetzter – im Beisein meiner IT-Mitarbeiterin – im Namen meiner Mitarbeiterin entschuldigte, Sie sagte damals nur „tut mir leid, ich entschuldige mich.“ Den Rest erledigte ich. Damsls wollte ich auch verhindern, dass wegen eines einmaligen ausrutschers eine meiner besten Kräfte abhanden kommt.

    Ich hab ja keine Ahnung wie hierarchisch ihr Strukturiert seid, aber wenn die Grazien zu Dritt dort aufstellung nehmen, könnte ja man als IT-Abteilung ja hingehen und sagen, dann kommt auch dein Stellvertreter und dann wäre mann auch zu Dritt, dann wäre das Verhältnis der Parteien ausgewogen.

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  12. Jezek1 schreibt:

    Junge, Junge, das ist ja schlimmer als in den bekannten soap operas im Fernsehen! Durch so etwas kommt das gesamte Betriebsklima auf den Hund; und die nächste Runde im dem Zwist lässt nicht lange auf sich warten. Wirklich schade so etwas.

    Ich selber verlasse zum Beispiel das Büro sobald ich allein im Zimmer mit einer Kollegin bin; das gilt erst Recht wenn Abends kaum noch jemand im Gebäude ist. Bei einer Besprechung mit einer Kollegin lasse ich immer die Tür auf; oder ich lade noch jemanden ein; und wenn er nur den stillen Beisitzer macht. Leider ist dies heute Realität; aus Gründen des Selbstschutzes wird man dazu gezwungen.

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    • Zum Glück hat Carsten von vornherein veranlasst, dass die Angelegenheit vertraulich behandelt wird, und sonst niemand davon erfahren soll.
      Ich hätte da bestimmt nicht sofort daran gedacht, die Weitergabe der Mail zu unterbinden, und dann wäre die Sache noch weiter bekannt geworden, und es hätten sich Gerüchte verbreitet.

      Ja, es wird immer problematischer, einen einigermaßen vernünftigen Umgang miteinander zu haben.
      Ich verstehe jeden Mann, der nicht mehr allein mit einer Frau, die er nicht wirklich gut kennt, in einem Raum sein will.

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  13. Plietsche Jung schreibt:

    Kindergarten für Frauen.
    That’s life.

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  14. ednong schreibt:

    Viel Erfolg nachher.

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